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Urteil gegen Zumwinkel: „Vorbildfunktion nicht erfüllt“

Klaus Zumwinkel bleibt frei, muss aber eine Million Euro zahlen. Und der Richter spricht klare Worte.

Bochum - Schon bevor der Oberstaatsanwalt seinen Vortrag beendet, lehnt sich Hanns Feigen zurück und spielt versonnen mit seiner Lesebrille. Der Verteidiger von Klaus Zumwinkel mag in diesem Moment darüber nachdenken, was ihm für sein Plädoyer noch übrig bleibt. Der Anklagevertreter würdigt alle entlastenden Argumente so breit, dass sich Beobachter fragen, ob hier einer rasch seine Rolle gewechselt hat. Ausführlich erinnert Gerrit Gabriel an das Geständnis des Angeklagten. Er hegt keinen Zweifel daran, dass dies von „Reue getragen“ gewesen sei. Der Oberstaatsanwalt lässt nicht unerwähnt, dass Klaus Zumwinkel inzwischen 3,9 Millionen Euro Steuern für die zurückliegenden zehn Jahre an den Fiskus gezahlt hat und dass er, ebenfalls nicht selbstverständlich, vom ersten Moment an mit den Ermittlern kooperiert hat.

Und natürlich bleibt dem Angeklagten und seinem Verteidiger nicht verborgen, dass ausgerechnet jene Staatsanwälte, die bis vor kurzem unter der Rubrik „die harten Hunde aus dem Revier“ firmierten, ihr Plädoyer weniger an die Strafkammer als an die Öffentlichkeit adressierten. Immer wieder spricht Gerrit Gabriel die Zuschauer direkt an. Er zitiert auch aus dem Urteil des Bundesgerichtshofes. Die Karlsruher Richter hatten dort, so lautet zumindest die eine oder andere Kurzfassung des höchstrichterlichen Tenors, festgelegt, dass man ab einer Million Euro an hinterzogenen Steuern nicht mehr mit einer Bewährungsstrafe rechnen dürfe. Gerrit Gabriel nimmt sich die einzelnen Passagen des Richterspruchs vor und listet eine ganze Reihe von Argumenten auf, die – auf den Fall Zumwinkel übertragen – begründen, warum man den prominenten Angeklagten nicht ins Gefängnis schicken muss.

„Jeder Einzelfall ist zu beurteilen“, haben die Karlsruher Richter formuliert und dann noch hinzugefügt, dass man sich die Relation zwischen gezahlten und verkürzten Steuern anschauen müsse. All das wirkt zugunsten von Zumwinkel. Denn in dem angeklagten Zeitraum von 2002 bis 2006 hat der ehemalige Postchef regulär rund 14 Millionen Euro an Steuern gezahlt – die hinterzogene Steuermillion aus seinen Liechtensteiner Erträgen relativiert sich damit selbst aus Sicht der Anklagebehörde erheblich. An dieser Stelle spürt der Oberstaatsanwalt allerdings, auf welch dünnem Eis er sich bewegt. Schnell fügt er hinzu, dass man diese Relation auch gegen Zumwinkel wenden kann: „Da liegt der Gedanke an das Wort Gier sehr nahe.“

Dem Vorsitzenden Richter entgehen solche Feinheiten nicht. Im Vorfeld hatte er jede Menge Ratschläge bekommen, wie er mit diesem Fall umzugehen habe. Dabei war ihm sehr wohl bewusst, dass es im Wesentlichen auf seine Begründung ankommen würde, ob dieses Urteil dem Rechtsfrieden in der Republik dienen würde oder nicht. Wolfgang Mittrup versucht, sich das nicht anmerken zu lassen, sein Tonfall bleibt geschäftsmäßig. Er würdigt all die Argumente, die für Klaus Zumwinkel gesprochen haben, und legt Wert auf die Feststellung: „Wir haben Sie hier behandelt wie alle anderen Angeklagten auch.“ Zumwinkels Strafe: eine Bewährungsstrafe von zwei Jahren und eine Geldbuße von einer Million Euro.

Mittrup verweilt ausführlich bei jenen Punkten, die Klaus Zumwinkel nicht zur Ehre gereichen. Er erinnert daran, dass der ehemalige Post-Chef schon 1986 den Weg ins Liechtensteiner Steuerparadies bewusst gewählt und viel dafür getan hat, nicht aufzufallen: „Sie haben Codeworte bei Telefongesprächen vereinbart und damit gezeigt, dass die Steuerhinterziehung mit krimineller Energie betrieben wurde.“ Bei solchen Vorhalten hört Klaus Zumwinkel auf, sich Notizen zu machen. Gelegentlich meint man zu sehen, dass er schwer schluckt. Der Richter rechnet ihm vor, dass er „die Vorbildfunktion nicht erfüllt“ hat, die die Gesellschaft von ihm erwarten konnte. „Sie selbst haben ihre Lebensleistung erheblich geschmälert.“

Zumwinkel äußerte sich nach dem Urteil im Bonner „General-Anzeiger“ kritisch zu dem Verfahren gegen ihn. „Es wurde gegen mehrere Gesetze verstoßen.“ Sein Vertrauen in den Rechtsstaat habe gelitten. Er beklagte, dass der Termin und die Tatsache der Durchsuchung seines Privathauses öffentlich bekanntgeworden seien. Zudem sei es verboten, Akten mit Steuerdaten oder persönliche Eindrücke aus der Durchsuchung weiterzugeben. „Der Verrat von Informationen kam von Seiten der Behörden“, sagte er. „Aus diesen Gesetzesbrüchen ist dann die mediale Hinrichtung geworden.“ mit dpa

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