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Wirtschaft: US-Beratungsbranche im Abwärtstrend

R.NARISETTI UND T.

R.NARISETTI UND T.D.SCHELLHARDT .Ein Paradigmenwechsel ereignet sich, den Unternehmensberater niemals vorhergesehen haben: Ihre eigene Branche ist in ein Luftloch geraten.Jahrelang war Unternehmensberatung eine der stärksten wachsenden Branchen in den USA.Vor allem in den 90er Jahren sind Heerscharen teurer und oft junger Experten durch die Unternehmenslandschaft marschiert, haben reenginiert, außerhalb des Schemas gedacht und Wissensimperative gepredigt.

Sie haben vielen Unternehmen bei der Wende geholfen, und sie können es sich zum Teil zugute halten, die amerikanische Wirtschaft in diesem Jahrzehnt zu einer dominanten Größe in der Weltwirtschaft zu machen.So mächtig wurden die Berater, daß Unternehmensberatungen wie die letzte rezessionssichere Branche schienen: In guten und schlechten Zeiten zahlen Unternehmen für eine fundierte Beratung, so dachte man.

Diese Theorie weist plötzlich einige Risse auf.Angesichts der turbulenten Finanzmärkte hat Merrill Lynch & Co.vergangene Woche angkündigt, 900 der externen Unternehmensberater zu entlassen.Dies war Teil umfangreicher Einschnitte, denen auch 3400 der eigenen Angestellten zum Opfer fallen.PaineWebber Group, ein anderes großes Wertpapierhaus an der Wall Street, hat kürzlich den Einsatz externer Berater um mehr als 60 Prozent auf etwa 100 reduziert.Bei Minnesota Mining & Manufacturing erhielten die Chefs der 40 Geschäftseinheiten die Weisung, weniger Berater einzusetzen.

"Es ist keine Frage, daß das Geschäft nachläßt", sagt Mel Bergstein, Präsident und Vorstandsvorsitzender von Diamond Technology Partners, einer Managementberatung in Chicago.Doch viele Berater "leugnen dies, weil der Stimmungswechsel sehr rasch eingetreten ist.Es ist ein wenig wie ein Blitz aus heiterem Himmel über uns gekommen - niemand sah ihn kommen."

Daß die Aufklärer von Trends die Entwicklung vor ihrer eigenen Haustür übersehen haben können - dafür hat man nicht überall Mitgefühl.Der Beratungsboom hat auch viel Unzufriedenheit ausgelöst.Viele Manager ärgern sich darüber, wenn frisch gebackene MBAs für sechsstellige Beträge Managern, die seit Jahrzehnten arbeiten, erklären, wie sie ihre Arbeit machen sollen.Andere Unternehmen gerieten durch Restrukturierungen, die von Beratern empfohlen waren, in eine schwierige Situation.Quer durchs Land verfolgen einige mit Begeisterung, daß die Berater einen Dämpfer bekommen.

"Wenn jemand uns seine Dienste anbietet, frage ich sofort: Warum brauchen wir Sie?" sagt Al Shugart, der Pionierarbeit in der Diskettenlaufwerk-Industrie geleistet hat.Erst vor kurzem hat man ihn als Vorstandsvorsitzenden von Seagate abgesetzt - was ihn, so bemerkt er, zum Berater qualifiziert.Der Durchschnittsberater "kostet zuviel und tut nicht soviel", sagt Shugart.Nach Angaben von Tom Rodenhauser, Ex-Herausgeber des Branchen-Rundbriefes "Consultants News", sind viele Manager "schadenfroh" über die Entlassungen in der Unternehmensberaterbranche."Einige Manager meinen: Diese Bastards haben es verdient", sagt er.

Der Abschwung trifft nicht alle Berater gleich stark.In den Beratungsunternehmen selbst hat er bisher nicht viele Entlassungen ausgelöst."Viele unserer Kunden brauchen uns jetzt mehr als zuvor, da die Volkswirtschaft kriselt", sagt Rajat Gupta, Chef der Unternehmensberatung McKinsey & Co.Große Unternehmen wie McKinsey, Andersen Consulting und Booz-Allen & Hamilton stellen nach eigenen Angaben weiterhin Leute ein und erwarten steigende Einnahmen.Die Expansion der Branche war in den vergangenen Jahren so überwältigend, daß selbst bei einem leichten Abgleiten die meisten Unternehmen weiterhin Wachstumsraten verzeichnen werden, um die sie die meisten ihrer Kunden beneiden würden.Der Gewinn bei den 50 Top-Managementberatungsunternehmen nahmen über die vergangenen drei Jahre im Durchschnitt um 21 Prozent zu.Überdies trug die Globalisierung, die technologischen Veränderungen und andere grundlegende Trends erheblich zum Wachstum in der Unternehmerberatungsbranche bei; und diese Entwicklungen werden trotz der aktuellen wirtschaftlichen Probleme fortbestehen.Unternehmen müssen im Jahr 2000 die Computer umstellen, und damit werden viele Berater eine Zeitlang die Hände voll zu tun haben.Auch beim Marsch der Unternehmen auf das Internet bedürfen die meisten Unternehmen Schwadronen von externen Computerprogrammierern.

Und dennoch: Der Kurssturz am Aktienmarkt und die asiatische Krise zwingt viele Unternehmen zu Kostensenkungen, und mit als erstes fallen Beratungsprojekte dem Rotstift zum Opfer, die nicht mit dringenden Geschäften oder Technologieprogrammen zu tun haben, sagt der Management-Guru Michael Hammer, der ein Beratungsunternehmen in Cambridge/Massachusetts leitet, das Seminare für Manager anbietet.Hammer schuf die "Reengenieering"-Bewegung, die in den 90er Jahren durch viele Unternehmen gegangen ist."Ich erwarte, daß Unternehmensberatungen in Zukunft stark zurückgehen werden."

Eine Flaute in der Unternehmensberaterbranche wäre überraschend.Die moderne Unternehmensberatung begann in den 60er Jahren, als Unternehmen wie Boston Consulting auftauchten, um alteingesessenen Unternehmen wie McKinsey und Arthur D.Little Konkurrenz zu machen.In den 80er Jahren kamen Arthur Andersen und andere große Wirtschaftsprüfungsunternehmen ins Spiel.Das ließ zusammen mit dem Auftauchen von Technologieberatung - einige High-Tech-Unternehmen wie International Business Machines und Electronic Data Systems bauten ihre eigenen Beratungseinheiten - die Branche in den vergangenen zehn Jahren explodieren.

Übersetzt und gekürzt von Karen Wientgen.

E.MACDONALD

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