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Janet Yellen, Chefin der US-Notenbank Federal Reserve System (Fed).

© REUTERS

US-Notenbank Federal Reserve (Fed): Wie Janet Yellen die Märkte verunsichert - und was Anleger tun können

Die Fed unter ihrer Chefin Janet Yellen zögert mit der Erhöhung der Leitzinsen. Das führt zu Verunsicherung. Was Experten sagen und was Anleger tun können.

Von Andreas Oswald

Eine der wichtigsten Fragen für Sparer und Anleger lautet: Wann wird die US-Notenbank Fed zum ersten Mal seit neun Jahren die Leitzinsen erhöhen? Was würde das bedeuten? Die Fed war in der Vergangenheit immer Vorreiter, was die Zinsentwicklung in der westlichen Welt angeht. Ihre Entscheidung hat Folgen für alle.

Ökonomischer Hintergrund

Eine Leitzinserhöhung wurde eigentlich bereits im September erwartet, weil sich die Wirtschaft in den USA schneller erholt als im Rest der Welt. Aber wegen der wirtschaftlichen Schwierigkeiten und Börsenturbulenzen in China und der daraus folgenden Gefahr einer deflationären Entwicklung wurde die Entscheidung verschoben.

Ökonomen sind skeptisch, ob das richtig ist. „Eine Zinserhöhung ist längst überfällig, wenn man das Wachstum, die Inflation und den Arbeitsmarkt betrachtet“, sagt Professor Timo Wollmershäuser, Leiter der Konjunkturabteilung des Ifo-Instituts in München.

Professor Friedrich Heinemann vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim sieht das ähnlich. „Fed-Chefin Janet Yellen macht einen sehr ängstlichen Eindruck. Diese Ängstlichkeit kann nicht unbedingt begründet werden, der Aufschwung in den USA ist intakt.“ Er hält Yellens Haltung für falsch. "Janet Yellen erreicht mit ihrer Ängstlichkeit das Gegenteil von dem, was sie will. Sie trägt zur Verunsicherung bei, weil die Beobachter sich fragen: Welche Informationen hat die Fed, die wir nicht haben? Ist die US-Wirtschaft doch nicht so robust, wie die Zahlen nahelegen?"

Warten oder handeln

Janet Yellen blieb zwar bei ihrer Ankündigung, dass die Leitzinsen noch in diesem Jahr erhöht würden, wenn die Wirtschaftsdaten das zuließen. Bei der nächsten Sitzung der Fed in der kommenden Woche wird allerdings keine Entscheidung erwartet, weil Yellen noch nicht einmal eine Pressekonferenz anberaumt hat. Sollte eine solche kurzfristig angekündigt werden, dann allerdings wäre das ein untrügliches Zeichen, dass es zu einer Erhöhung kommt. In diesem Jahr gibt es dann nur noch die übernächste Fed-Sitzung Mitte Dezember. Chris-Oliver Schickentanz, Chief Investment Officer der Commerzbank, ist zuversichtlich, dass es schon im Dezember zur Wende kommt. „Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Wir gehen davon aus, dass die Fed die Leitzinsen im Dezember erhöhen wird.“

Die Zahlen haben sich derweil nicht verbessert. Hinzu kommt, dass zwei Fed-Gouverneure in jüngster Zeit öffentlich dafür eintraten, die Leitzinserhöhung ins nächste Jahr zu verschieben. Manche Beobachter fragen sich, ob es überhaupt noch zu einem Zinsschritt in diesem Konjunkturzyklus kommt. Zumal in der Euro-Zone, in Japan und in den Schwellenländern die Zeichen auf eine weitere Lockerung der Geldpolitik stehen. Die Zinsentwicklung in den USA und im Rest der Welt würde auseinanderlaufen, mit unabsehbaren Konsequenzen. Es ist daher denkbar, dass die Fed bis weit ins nächste Jahr an den niedrigen Zinsen festhalten wird. Das hätte Folgen.

Mögliche Deutungen

Die große Frage für Anleger ist, ob eine Zinserhöhung zu einem Absturz an den Aktienmärkten führen würde. Ifo-Experte Wollmershäuser ist zuversichtlich. „Ich glaube nicht, dass es zu Turbulenzen an den Finanzmärkten kommen würde, wenn die Fed die Zinsen erhöht. Im Gegenteil, es würde zur Beruhigung beitragen, weil die Fed damit Zuversicht zeigen würde.“ Schickentanz sieht das ähnlich. „Eine Erhöhung wird sich nicht negativ auf die Märkte auswirken. Nach einer kurzen Korrekturphase würde sich der Aufwärtstrend bei den Aktien fortsetzen. Wenn die Fed das hinauszögern würde, wäre das eher negativ. Dann stehen die Anleger vor der Frage: Geht es der Wirtschaft schlechter als gedacht?“

Ein Verzicht auf eine Zinserhöhung würde zunächst einmal bedeuten, dass die US-Notenbank der Auffassung ist, dass die Gefahr einer Deflation noch nicht gebannt ist. Das heißt für Sparer auf der ganzen Welt, dass die Zinsen niedrig bleiben. Zehnjährige deutsche Staatsanleihen rentieren derzeit mit etwa 0,5 Prozent. US-Staatsanleihen mit dieser Laufzeit sind mit zwei Prozent Rendite zu haben. Wenn die Zinsen überall sonst niedrig bleiben, wären sie eine Option.

„Die US-Staatsanleihen haben die Zinswende längst vollzogen. Die Renditen sind gestiegen. Das heißt, man weiß, dass die Zinserhöhung kommt, sie wäre keine Überraschung“, sagt Wollmershäuser.

Die Frage ist, ob die Kurse der US-Staatsanleihen steigen würden, wenn die Fed ihre Zinsentscheidung weiter hinauszögert. Wenn sich die Erwartung höherer Leitzinsen nicht erfüllt, wäre die relativ hohe Rendite von zwei Prozent attraktiv. Die Nachfrage würde steigen, die Kurse damit ebenfalls. Besitzer solcher Anleihen würden profitieren.

Die Folgen sinkender Zinsen

Deflationäre Tendenzen können Aktien begünstigen. Das war in den vergangenen Jahren der Fall, als die Aktien weltweit von Hoch zu Hoch stürmten, bevor die Angst vor Zinserhöhungen und nachlassenden Gewinnen zu einem drastischen Abschlag führten. Ein nachhaltiger Verzicht auf Zinserhöhungen könnte das Feuer wieder entfachen. Andererseits: Eine lang anhaltende deflationäre Krisenphase schmälert die Einkünfte der Konzerne, die Zurückhaltung der Konsumenten erlaubt ihnen keine Preiserhöhungeng. Das ist auf Dauer nicht gut für die Aktienkurse. Die beginnende Berichtssaison in den USA lieferte bislang eher schlechte Gewinnzahlen, entsprechend verhalten sich die Kurse.

Was steigende Zinsen für den Anleger bedeuten

In der Vergangenheit sind die Aktienkurse zunächst weiter gestiegen, wenn die Leitzinserhöhung begann. Das klingt paradox, weil höhere Zinsen eigentlich den Aktien schaden. Aber zu Beginn steigen die Leitzinsen nur langsam. Außerdem liegt der Beginn der Leitzinserhöhung meist in der ersten Hälfte eines Aktienaufwärtstrends. Die Frage ist, ob es diesmal anders ist, weil sich der Beginn der Leitzinserhöhung immer weiter hinauszögert.

Egal, was die Fed entscheidet, Experten sehen langfristig kaum eine Alternative zur Aktie. „Der Anleger sollte sich von der Unsicherheit der Fed nicht beirren lassen. Langfristig gesehen sprechen viele Argumente für den Aktienmarkt. Eine solche Entscheidung sollte man nicht von Yellen abhängig machen“, sagt ZEW-Experte Heinemann. Commerzbank-Stratege Schickentanz: „Sparen bringt keine Zinsen. Wer eine anspruchsvolle Rendite anstrebt, der sollte auch in Aktien investieren.“

Einen ausführlichen Beitrag des Autors zum Thema Rebalancing, wie man sich vor einem Aktien-Crash an der Börse schützen kann, lesen Sie hier.

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