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© AFP

US-Schuldenmisere: "Mit Vollgas in die Sackgasse manövriert"

Einst waren die USA der Wachstumsstar der Welt – heute herrscht Stillstand.

Berlin - Der Abend war vor allem teuer. 15 000 Dollar zahlten die Gönner der Demokratischen Partei auf einer Wahlkampf-Gala am Montagabend für ein Foto mit Präsident Barack Obama. Neue Einsichten gab es dafür nicht – im Gegenteil: In den vergangenen 17 Monaten habe es im Privatsektor einen steten Zuwachs an Arbeitsplätzen, steigende Firmengewinne und eine Stabilisierung der Kreditmärkte gegeben, feierte Obama sein Land. Und räumte dann doch noch ein, „dass die wirtschaftliche Erholung nicht rasch genug vorangekommen ist“.

Die meisten Wirtschaftsexperten halten die Lage der Vereinigten Staaten für deutlich dramatischer als deren oberster Repräsentant. „Die USA haben sich mit Vollgas in die Sackgasse manövriert“, sagt etwa Joachim Scheide, Konjunkturchef beim Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW). „Und es gibt niemanden, der gegenhalten könnte.“

Die Schwäche Amerikas ist einer der wichtigsten Gründe für die Turbulenzen, von denen die Börsen derzeit geschüttelt werden. Zwei Jahre nach der Rezession im Zuge der Finanzkrise kommt die weltgrößte Volkswirtschaft einfach nicht in Fahrt. Um nicht einmal ein Prozent ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im ersten Halbjahr gegenüber dem Vorjahr gewachsen. Sogar ein nochmaliges Abgleiten ins Minus gilt nicht mehr als ausgeschlossen. „Die Wahrscheinlichkeit einer erneuten Rezession ist auf jeden Fall gestiegen – sie liegt bei rund 30 Prozent“, warnt IfW-Fachmann Scheide. Auf sogar knapp 50 Prozent taxiert Andreas Rees von der Unicredit diese Gefahr.

Nicht zuletzt die Herabstufung der US-Bonität durch Standard&Poor’s hat die Probleme wieder in Erinnerung gerufen: Die Arbeitslosigkeit verharrt bei neun Prozent, der Schwung, mit dem das Land 2010 aus der Rezession gekommen war, ist dahin. Teure Energie, das Beben in Japan und nun die Börsenschwäche bremsen die Konjunktur. Ohnehin bremsen Strukturprobleme das Potenzial des einstigen Wachstumsstars: Der Häusermarkt ist zusammengebrochen, die Industrie unverändert schwach, die Abhängigkeit vom privaten Konsum weiterhin hoch.

Aus der Klemme helfen kann den USA niemand. Geld für ein neues Konjunkturprogramm hat Barack Obama nicht, vielmehr steht heftiges Sparen auf seiner Agenda. Die Privathaushalte sind mit dem Abbau des Schuldenberges beschäftigt, den sie über Jahre aufgetürmt haben.

Bleibt die Notenbank, deren Rat am Dienstagabend entschied, die Zinsen bis 2013 auf extrem niedrigen Niveau zu belassen. Viele Optionen hat die Federal Reserve nicht mehr: Über ein erneutes Aufkaufprogramm für Staatsanleihen haben die Mächtigen der Bank bereits im Juni debattiert, wollten sich aber auch jetzt noch nicht zu diesem Schritt durchringen. Ihr Chef Ben Bernanke hatte sich bereits offen für diesen Weg gezeigt, der zwischen November 2010 und Juni 2011 die Märkte stabilisiert hatte. Doch damit würde Bernanke die Notenpresse anwerfen – mit neuer Gefahr für die Inflation, die bereits merklich angezogen hat. Zudem könnte eine neue Geldflut die Rohstoffe wieder verteuern. IfW-Ökonom Scheide ist alles in allem pessimistisch für die USA. „Amerika drohen Verhältnisse wie in Japan – mit jahrelangen Wachstumsraten von nur ein oder zwei Prozent.“

Dem Exportland Deutschland kann es natürlich nicht egal sein, wenn die Staaten schwächeln. Aber ihre Bedeutung sinkt: Noch in den siebziger Jahren nahmen die USA der Bundesrepublik bis zu 14 Prozent ihrer Ausfuhren ab. 2010 waren es nur noch sieben Prozent. Ebenso ist es in der Weltwirtschaft: Anfang des Jahrtausends standen die USA noch für ein Drittel der Wirtschaftsleistung, heute ist es nicht einmal mehr ein Viertel. China schickt sich an, Amerika den Rang abzulaufen. Carsten Brönstrup (mit rtr)

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