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US-Wahl: Mit aller Macht

Die Wirtschaftspolitik wird den US-Wahlkampf entscheiden. Das ist nicht gut für Hillary Clinton. Wie die Kandidaten eine Rezession abwenden wollen.

Washington - Der US-Wahlkampf hat ein neues Thema: die Angst vor einer Wirtschaftskrise – und was dagegen zu tun sei. Auf diesem Feld müssen die Präsidentschaftskandidaten jetzt Kompetenz beweisen. Die Anforderungen an die militärische Expertise treten in den Hintergrund, nachdem die Anschläge im Irak und die Todeszahlen der US-Soldaten stark zurückgegangen sind. Die Kongresswahl 2006 wurde noch vom Irakkrieg beherrscht. Das nützte den Demokraten. Auch 2007 stritt das Land über die unpopuläre Truppenverstärkung.

Die Umfragen der ersten Wochen des Jahres 2008 besagen: Über die Hälfte der Bürger hält Jobs und Wirtschaftswachstum für die wichtigsten Aufgaben des nächsten Präsidenten. Der Wert liegt um15 Prozentpunkte höher als im Dezember. Zwei Drittel der US-Bürger fürchten, die Wirtschaftsflaute, die als Krise um faule Immobilienkredite begonnen hatte, könne sich zur Rezession ausweiten.

„It’s the ecomomy, stupid!“ war der Wahlspruch, mit dem Bill Clinton 1992 gegen Bush Senior, gewann. 2008 verbessert das neue Thema Wirtschaft nicht unbedingt die Chancen der Demokraten – oder speziell die von Hillary Clinton. Die ökonomische Kompetenz verortet die meisten Bürger eher bei den Republikanern. Mit dem Kopf hat das wenig zu tun. Der Verstand könnte argumentieren: Unter dem Republikaner Bush sind die USA in diese Krise geraten – wählen wir also die Konkurrenz! Doch das Bauchgefühl besagt: Die Konservativen können Wirtschaft besser.

Von den drei Bewerbern, die nach dem Super Tuesday noch aussichtsreich im Rennen sind, verfügt jedoch keiner über eine besondere Wirtschaftskompetenz. Sie haben sich auf anderen Feldern einen Namen gemacht. John McCain, der die republikanische Nominierung so gut wie sicher hat, ist ein Vietnamheld und Militärexperte. Über seine Ökonomiekenntnisse scherzte er kürzlich: Alles, was er darüber wisse, verdanke er der Lektüre der Memoiren von Ex-Notenbankchef Alan Greenspan. Bei den Demokraten wetteifern Hillary Clinton und Barack Obama um die Kandidatur. Clinton hat zwar mal im Aufsichtsrat der Supermarktkette Wal-Mart gesessen – aber wegen ihrer politischen Beziehungen, nicht wegen ihrer Wirtschaftskenntnisse. Und sie scheut sich heute, darüber zu reden, weil die Medien mit Wal-Mart niedrige Sozialstandards verbinden, nicht ökonomische Kompetenz. Obama ist Verfassungsjurist und war Sozialarbeiter in den Slums von Chicago. Nach seinem Politikstudium hat er einige Monate in einer Finanzfirma in Manhattan gearbeitet. Ein Unternehmen hat keiner der drei je geführt.

In ökonomischer Hinsicht gab es in beiden Parteien bessere Bewerber: Mitt Romney bei den Republikanern, der mit seiner Private-Equity-Investmentfirma Bain Capital ein Vermögen von 700 Millionen Dollar verdiente. Oder bei den Demokraten Chris Dodd, ein Banken-Spezialist. Sie sind ausgeschieden.

Vorerst haben die Wahlkämpfer so reagiert, wie Politiker das zumeist tun, wenn ein neues, womöglich wahlentscheidendes Thema auftaucht: mit Aktionismus. Sie wetteifern darum, wer mit griffigen Vorschlägen die Schlagzeilen erobert – und wer die höheren Summen für ein Rettungsprogramm verspricht. 70 Milliarden Dollar war die Einstiegsgröße Mitte Januar, mittlerweile haben die drei und der noch amtierende Präsident George W. Bush sich auf 168 Milliarden Dollar für ein Konjunkturprogramm gesteigert. Das entspricht nur gut einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts, ist also ein Tropfen auf den heißen Stein. Als Hauptmechanismus schlagen alle Steuergutschriften für die Bürger vor, damit mehr Geld für den Konsum übrig bleibt, und auch die Steuern der Wirtschaft wollen sie senken.

Daneben gibt es Hilfsprogramme für Hauskäufer, die sich mit ihrem Immobilienkredit übernommen haben. Generell setzen die Republikaner dabei mehr auf den Markt, die Demokraten stärker auf staatliche Lenkung wie ein vorübergehendes Verbot von Zwangsversteigerungen.

Die Furcht vor einem Konsumeinbruch ist die Hauptfolge der Immobilienkrise. Wegen der vielen faulen Kredite bewerten Banken und Kreditkartenfirmen ihre Kundschaft restriktiver. Kaufen auf Pump wird damit teurer – und da fast alle Amerikaner auf Pump konsumieren, sinkt ihre Kaufkraft. Auch deutsche Autobauer spüren das. Das 168-Milliarden-Programm wird wenig ausrichten, wenn die Kaufkraft wie befürchtet um knapp eine Billion Dollar sinkt.

Die generellen Wirtschaftsprogramme der drei – über Immobilien- und Konsumkrise hinaus – sind eher unkonkret. Sie folgen den ideologischen und emotionalen Bedürfnissen der jeweiligen Klientel. Heute ist offen, was davon ernst gemeint und was nur Wahlkampfrhetorik ist. In den Bereich kraftvoll klingender, aber leerer Sprüche fallen die Versprechen der Republikaner, aber auch der Demokraten, ganz andere Saiten gegenüber China aufzuziehen und Peking zu einer Aufwertung seiner Währung zu zwingen, um das Handelsbilanzdefizit abzubauen. Das würde Amerikas Abhängigkeit von chinesischen Dollarreserven reduzieren. Bei den Demokraten wiederum sind die Zusagen, alle Freihandelsabkommen neu zu verhandeln, weil sie angeblich den US-Arbeitern schaden, hohle Phrasen.

Von den drei Kandidaten verspricht Clinton am ungeniertesten Protektionismus. Kürzlich hatte sie per Interview mit der „Financial Times“ die Wirtschaftswelt aufgeschreckt: Freihandel funktioniere in Zeiten der Globalisierung nicht mehr wie früher, sagte sie und stellte die Freihandelszone mit Mexiko und Kanada infrage. Auch sonst fordert sie ein stärkeres Eingreifen des Staates, etwa in Managergehälter. Den USA gehe es mit einer „angemessen regulierten Wirtschaft“ am besten.

Obamas Rhetorik ist ausgleichender. Er verspricht Korrekturen, wo es Auswüchse gebe, droht aber nicht gleich mit harten Gesetzen. Er will Interessengegensätze zwischen Konzernen und Arbeitern austarieren. Der Republikaner John McCain hält indes den Freihandel hoch und den Wert einer freien Wirtschaft, aus dem sich der Staat heraushalten solle.

Finanzpolitisch möchte McCain die 2010 auslaufende Steuererleichterung von Bush erhalten. Clinton und Obama sehen darin eine Begünstigung der Reichen, wollen sie kassieren und die Steuern der Mittel- und Unterschicht senken. Clinton fordert, den Spitzensteuersatz von 35 auf 39,6 Prozent anzuheben.

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