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Wirtschaft: Verdi gegen SPD-Pläne für Geringverdiener

Gewerkschaft lehnt Steuergutschrift als „untauglich“ ab – sie befürchtet steigenden Druck auf die Löhne

Berlin - Pläne der SPD zur Einführung einer Steuergutschrift für Geringverdiener stoßen bei der Gewerkschaft Verdi auf Kritik. Der Chef der Dienstleistungsgewerkschaft, Frank Bsirske, bezeichnete das vom SPD-Parteivorstand am Wochenende auf einer Klausur in Bremen beschlossene Konzept als „untauglich“. Das SPD-Modell bringe für viele Arbeitslosengeld II-Bezieher mit einem Nebenjob Verschlechterungen mit sich, sagte Bsirske, nämlich „weniger Einkommen oder für das gleiche Geld erheblich längere Arbeitszeiten“.

Dem Tagesspiegel lag am Sonntag ein Papier vor, in dem die Gewerkschaft vorrechnet, wie sich das Konzept der SPD zur Reform des Niedriglohnsektors auf das Einkommen heutiger Arbeitslosengeld II-Bezieher auswirken würde. So darf etwa eine Arbeitslosengeld II–Empfängerin von ihrem 400-Euro-Job derzeit 160 Euro behalten. Nach dem SPD-Modell wären es nur noch 60 Euro, also genau 100 Euro weniger, rechnet Verdi vor.

Nach dem Willen der SPD sollen Arbeitslose durch Steuergutschriften stärkere Anreize zur Aufnahme auch schlecht bezahlter Jobs bekommen. Bislang bremsen laut SPD hohe Sozialabgaben den Beschäftigungsaufbau. Viele Empfänger von Arbeitslosengeld II stellen sich mit der Aufnahme eines Minijobs besser, als wenn sie Vollzeit arbeiteten. Daher will die Partei durch eine Steuergutschrift Geringverdienern die Sozialversicherungsbeiträge ganz oder teilweise erstatten. Das Nettoeinkommen läge dann auch bei einer geringen Entlohnung höher als das Arbeitslosengeld II, sagt die SPD. Zugleich dürften die Freibeträge für Erwerbseinkommen von Empfängern des Arbeitslosengeldes II gekürzt werden, da sie laut SPD eher einen Anreiz zum Verbleib in der Arbeitslosigkeit setzen.

Die Gewerkschaft Verdi kritisierte, dass in dem SPD-Modell Beschäftigte mit einem Einkommen von mehr als 900 Euro den Einkommensteuerfreibetrag überschreiten würden und auf jeden weiteren verdienten Euro zusätzlich Lohnsteuern zu zahlen hätten. So blieben Alleinstehenden bei einem monatlichen Einkommen zwischen 900 und 1300 Euro von einem zusätzlichen Euro nur 30 bis 35 Cent netto.

Außerdem befördere das von der SPD bevorzugte Modell Lohnsenkungen, da es die Unternehmen von der Aufgabe befreie, den Beschäftigten angemessene Löhne zu zahlen, sagte Bsirske. „Das Ergebnis wäre eine staatlich organisierte und subventionierte weitere Umverteilung zu Lasten der Löhne und zugunsten der Gewinne.“ Für den Staat komme dies zudem teurer als das jetzige Modell – die Schätzungen für die Zusatzkosten liegen bei vier Milliarden Euro. Als Alternative schlägt Bsirske die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns auf dem Niveau der westeuropäischen Nachbarn Deutschlands von derzeit acht Euro vor.

Auch die SPD plädierte in Bremen für eine Ausweitung des Entsendegesetzes, um mehr branchenbezogene Mindestlöhne zu ermöglichen. Wenn dies nichts bringe, müssten gesetzliche Mindestlöhne eingeführt werden. Verdi begrüßte den Vorschlag. Dafür hatte sich im vergangenen September bereits die SPD-Führung zusammen mit den der SPD angehörenden Gewerkschaftsvorsitzenden ausgesprochen.

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