zum Hauptinhalt
Immer geradeaus. Post und Verdi weichen beide nicht von ihrer Haltung ab.

© dpa

Verdi weitet Ausstand aus: Warum der Streik bei der Post weitergeht

Kunden warten vergebens auf Briefe und Pakete: Verdi ruft immer mehr Postmitarbeiter in den Streik. Auch die Post fährt weiter stur geradeaus.

Von Maris Hubschmid

31 Tage. So lange schon zögern Menschen in Deutschland, ob sie einen Brief einwerfen oder ein Paket aufgeben sollen, weil im Radio wieder durchgesagt wurde, dass sie mit Lieferverspätungen rechnen müssen. Ein voller Monat insgesamt – mehr Tage, als der Juni hat. Das erste Mal äußerte sich der Konflikt in Form außerplanmäßiger Betriebsversammlungen vor dem Nikolaustag 2014, seit kurz vor Ostern wird er offiziell als Arbeitskampf ausgetragen. Am 31. Tag also, am Donnerstag, erschienen nach Konzernangaben 15.000 Mitarbeiter nicht zur Arbeit. Laut der Gewerkschaft Verdi waren es im Tagesverlauf noch tausend mehr.

Den Bestreikten scheint das wenig zu kümmern. Bei einem Termin diese Woche in Berlin gab sich Post-Vorstand Jürgen Gerdes, verantwortlich für das Brief- und Paketgeschäft, betont gelassen. Die Streikauswirkungen seien gering. Neun von zehn Briefen und acht von zehn Paketen würden ihre Empfänger trotzdem planmäßig erreichen. Damit das funktioniert, helfen Verwaltungskräfte in den Briefzentren aus, hat der Konzern DHL-Paketboten aus Nachbarländern zur Unterstützung herangeholt. Sie übernachten im Hotel, solange es dauert.

Nur: Wie lange dauert es?

Erinnerungen an die Bahn müssen gar nicht erst wach werden, weil noch keiner Gelegenheit hatte, zu vergessen, wie er sich nach Feierabend in einen hoffnungslos überfüllten Ersatzzug quetschte. Der Fall dominierte Gespräche und Medien, weil so viele darunter litten. Das ist, wenn man die Zustellquote der Post betrachtet, hier anders. Wobei Raten von 84 und 87 Prozent bedeuten, dass deutschlandweit immerhin gut eine halbe Million Pakete und knapp zehn Millionen Briefe verspätet oder noch gar nicht ihr Ziel erreichten. So sei in Teilen von Berlin-Friedrichshain seit drei Tagen überhaupt nicht zugestellt worden, berichten Anwohner.

Ähnlich festgefahren wie der Tarifstreit bei der Bahn scheint der Konflikt in jedem Fall. Nicht nur, dass die von der Gewerkschaft Verdi gesetzte Frist am vergangenen Donnerstag verstrich, binnen derer der Konzern sich zu einem Angebot verhalten sollte. Auch eine Woche nach Ablauf der Deadline schweigt die Post dazu. Das Angebot sei nicht ernst zu nehmen, sagt Gerdes: „Verdi hat einfach die alten Forderungen ausgedruckt und Angebot darüber geschrieben. Das ist keine Basis.“

Lücke oder Vertragsbruch?

Glaubt man ihm, wehrt sich die Post nicht gegen „einen halben Prozentpunkt mehr oder weniger bei Lohn oder Arbeitszeit.“ Aber darum gehe es Verdi nicht: „Die knüpfen alles an die Bedingung: Delivery muss weg.“ Im Kern der Auseinandersetzung steht die Gründung von 49 Tochtergesellschaften, bei denen inzwischen 6000 Paketboten unbefristet, aber zu niedrigeren Gehältern beschäftigt werden. Ihre Einrichtung erachtet Verdi nach wie vor als Vertragsbruch.

Eine im Jahr 2000 getroffene Vereinbarung besage, dass nicht mehr als zehn Prozent aller Zustellungen in den gut 9800 Paketzustellbezirken durch Firmen außerhalb des Post-Tarifvertrags erfolgen dürften. „Dabei ging es um das Privatkundengeschäft, nicht um Geschäftskunden“, sagt Gerdes. Die machten mittlerweile aber 90 Prozent der Menge aus. Er meint: „Haben wir einen Vertrag gebrochen? Nein. Gab es eine Lücke darin? Offensichtlich.“

Post: Auch Logistiktarif ist ein Verdi-Tarif

Der Post zufolge kann erst weiterverhandelt werden, wenn die Gewerkschaft die Gesellschaften akzeptiert. „Ich kann nicht sagen, wann Verdi über diese Hürde klettert, ich kann nur sagen: Sie müssen es, denn drunter geht nicht.“ Jan Jurczyk von Verdi sieht aber gar keine Hürde. „Es ist Quatsch, dass es um die Rückabwicklung der Tochtergesellschaften geht. Wie wollen eine Anpassung der Löhne an den Haustarifvertrag. Die Post hat offenbar beschlossen, uns nach vierzehneinhalb Jahren zu übervorteilen.“

„Böswillig“ sei allenfalls Verdi, kontert der Konzern. „Vom ersten Tag an hat man versucht, uns maximal stillzulegen.“ Im Übrigen basierten die neuen Löhne ja auf einem Verdi-Tarif – dem für die Logistik- und Speditionsbranche. Im Durchschnitt erhielten Boten dort 13 Euro die Stunde. „Die allergrößte Mehrheit der Mitbewerber zahlt nur 8,50 Euro.“ Statt das kritisch zu hinterfragen, spiele Verdi ihnen in den Lauf: Aus den Häusern Pin und Hermes heißt es, man freue sich über die seit Wochen gute Nachfrage.

Maschinen streiken nicht

Vom Kurs wegbewegen will sich offenbar keiner. „Wir haben alles Menschenmögliche getan, um dem Verhandlungspartner entgegenzukommen“, sagt Jurczyk. Verdi werde den Druck also weiter erhöhen: „Mit den 16.000 Mitarbeitern, die wir bislang in den Streik geführt haben, sind wir noch am Anfang unserer Möglichkeiten und Ideen. Wir können deutlich mehr.“

„Wir können nur abwarten“, sagt indes Gerdes. Es gebe ja auch noch die Beamten. Und in den Briefzentren laufe ohnehin ein Großteil über Maschinen. „Maschinen streiken nicht.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false