zum Hauptinhalt
Twitter probiert doppelt so lange Tweets aus.

© dpa/ Matt Rourke

Verdopplung auf 280 Zeichen: Riskiert Twitter seine Seele?

Der Kurznachrichtendienst will die Zahl der Zeichen pro Tweet verdoppeln und stellt die Erweiterung testweise einer kleinen Nutzergruppe zur Verfügung. Das Grundproblem bleibt.

Twitter macht ernst. Immer wieder gab es Gerüchte, dass der Kurznachrichtendienst die Begrenzung der Nachrichten auf 140 Zeichen aufheben könnte. Doch bislang hat sich das US-Unternehmen nicht getraut, sein wichtigstes Kernmerkmal zu verändern. Das dürfte sich bald ändern. Seit gestern testet Twitter eine Verdopplung der Zeichenzahl. Bislang steht die Erweiterung nur einer kleinen Nutzergruppe zur Verfügung, doch es ist zu erwarten, dass die Veränderung demnächst generell eingeführt wird.

„Das ist eine kleine Veränderung aber ein großer Schritt für uns“, erklärte Twitter-Chef Jack Dorsey. Die Begrenzung beim Start vor zehn Jahren basierte auf der maximalen Länge von SMS, die 160 Zeichen beträgt. Da zudem noch der Nutzername hinzukam, entschieden sich die Macher für die Zahl 140.

Asiaten müssen den Platz selten ausreizen

Die mögliche Änderung begründet das Unternehmen auch mit Unterschieden in den Sprachen. Während neun Prozent aller englischen Tweets das Zeichenlimit ausreizen, sind es in Japan gerade einmal 0,4 Prozent. Im Schnitt schreiben Japaner 15 Zeichen pro Nachricht, bei englischsprachigen Nutzern sind es mehr als doppelt soviel. Daher sind Japanisch, Chinesisch und Koreanisch von dem Test auch ausgenommen.

Die Proteste der Nutzer sind erwartungsgemäß groß. „Kürze war die Seele von Twitter für mich“, schrieb beispielsweise der Science-Fiction-Autor William Gibson. Auch viele andere argumentieren, erst die Begrenzung zwinge zu Kreativität und pointierten Äußerungen. Niemand müsse den neuen Spielraum nutzen und könne bei 140 Zeichen bleiben, antwortete Dorsey einzelnen Kritikern.

Twitter wird zum Nichtmehrganzsokurznachrichtendienst

Welche Auswirkungen auf die Nutzung es hat, wenn Twitter tatsächlich zum Nichtmehrganzsokurznachrichtendienst wird, bleibt abzuwarten. In einer Twitter-Umfrage des Marketingspezialisten Klaus Eck begrüßten 30 Prozent die Neuerung, 57 Prozent bevorzugen 140 Zeichen, wollen jedoch bei Twitter bleiben. Nur 14 Prozent würden den Dienst eventuell verlassen. Über die letzte große Änderung redet heute jedoch auch kein Mensch mehr, dabei wurde genauso darum gestritten: Statt alle Tweets strikt chronologisch anzuzeigen, bekommen Nutzer wie bei Facebook inzwischen auch ältere Nachrichten zu sehen, über die besonders viel kommuniziert wird.

Entscheidender ist dagegen ein ganz anderer Punkt: Das Nutzerwachstum stagniert seit langem, auch mit früheren Änderungen ist es Twitter nicht gelungen, mehr Menschen für den Dienst zu begeistern. Seit Anfang 2015 ist die Zahl der monatlich aktiven Nutzer von 302 Millionen auf nun 328 Millionen gestiegen. Im Heimatmarkt USA ist seither sogar fast gar kein Wachstum mehr zu verzeichnen. Da half es nicht einmal, dass Präsident Donald Trump Twitter als bevorzugten Kommunikationskanal nutzt.

Hohe Verluste, stagnierende Nutzerzahlen

Vor allem aber ist es dem Dienst bis heute nicht gelungen, schwarze Zahlen zu schreiben. Im vergangenen Jahr betrug der Verlust 456 Millionen Dollar. Eine Änderung ist nicht in Sicht. Im Gegenteil: Während Twitter in den ersten beiden Quartalen 2016 noch jeweils etwa 600 Millionen Dollar eingenommen hatte, sind die Umsätze in diesem Jahr dahinter zurückgefallen. Der Kurs der Aktie, die einst mehr als 50 Euro kostete, ist schon seit langem nicht einmal ein Drittel davon Wert. Zuletzt lag er bei 14 Euro, auch die neuen Pläne gaben dem Kurs kaum Schub.

Denn dass die Ausweitung der Zeichenlänge nun in Scharen neue Nutzer auf die Plattform treibt ist kaum zu erwarten. Schließlich ist es weniger die begrenzte Textlänge, die Menschen von Twitter abhält, sondern die Grundfrage, ob und was sie mit dem Gezwitscher überhaupt anfangen können.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false