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Gewählt. Markus Voigt vor dem Ludwig-Erhard-Haus, in dem der VBKI sitzt.

© T. Rückeis

Verein der Berliner Kaufleute und Industrieller: Von den Alten lernen

Markus Voigt beerbt Klaus von der Heyde als Präsident des VBKI. Neu-Berliner sollen in dem Wirtschaftsclub eine Heimat finden. Seine eigenen Mitarbeiter motiviert Voigt, sich auch neben dem Job noch zu engagieren.

Berlin, kurz nach dem Mauerfall. Was macht ein Mittzwanziger, der aus dem Süden der Republik in die Hauptstadt zieht? Party, möchte man meinen. Nicht Markus Voigt. Sicher sei er auch mal ein Bier trinken gegangen, sagt der Ingenieur. Vor allem aber hat er eine Firma aufgebaut. Und sich nebenbei noch in einer bürgerschaftlichen Initiative engagiert. Er habe die wiedervereinigte Stadt mit voranbringen wollen, sagt Voigt.

Es hat funktioniert. Sein Unternehmen hat Voigt inzwischen in den britischen Baukonzern Hyder eingegliedert, es hat 420 Mitarbeiter in Deutschland, weltweit sind es 4000. Und die Stadt zieht neben Touristen mittlerweile auch immer mehr Unternehmer wie Voigt an. Voigt selbst ist am Dienstagabend zum Präsidenten des Vereins der Berliner Kaufleute und Industrieller, kurz: VBKI, gewählt worden.

„Ich finde, bürgerschaftliches Engagement sollte selbstverständlich sein“, sagt Voigt. Er lehnt in einem Sessel in seinem Büro in Schöneberg. An den Wänden hängen Tierköpfe und Schädel, der Ingenieur ist auch leidenschaftlicher Jäger, Großwildjäger. Den Kudu, eine Art Antilope mit langen Hörnern und großen braunen Augen hat er in Namibia erledigt. „Er war alt und zum Abschuss freigegeben“, erklärt Voigt. Eigentlich möchte er darüber jetzt aber gar nicht sprechen. Er wählt seine Worte sehr sorgfältig, es klingt ein bisschen, als übe er schon mal die Antrittsrede für die Präsidentschaft.

Den VBKI gibt es schon seit über 130 Jahren, eine im wahrsten Sinne des Wortes altehrwürdige Institution, da will er keine Fehler machen. „Die Eigenverantwortung kommt zu kurz, es ist schwierig, wenn der Staat den Menschen immer mehr abnimmt“, sagt Voigt. Seine Frau hat eine Zeitlang in den USA gearbeitet, er hat sie dort besucht. „Es hat mich beeindruckt, wie sehr sich dort Privatleute und Unternehmen materiell oder persönlich einbringen“.

Voigt ist nicht der erste VBKI-Präsident, der sich auf Amerika, das Musterland ebenso des reinen Kapitalismus wie des bürgerschaftlichen Engagements, bezieht. Ludwig Max Goldberger, der den Verein zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts führte, bereiste die USA und schrieb danach das Buch „Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten“, ein Titel, der zum kollektiven Sehnsuchtsbegriff wurde. Goldberger prägte den Verein wie kaum ein anderer. Selbstbewusst vertrat er die Interessen des aufstrebenden Bürgertums, der Kaufleute und der Industriellen, indem er sie geschickt vernetzte, mit dem noch jungen Parlament, aber auch mit dem Kaiser und seiner Regierung. Dann kamen der Krieg, die Wirtschaftskrise und die Nazis. Die jüdischen Unternehmer wurden vertrieben und verfolgt, der Verein verlor zwei Drittel seiner Mitglieder. In der geteilten Stadt wurde der VBKI zur Institution der West-Berliner Unternehmer. In den letzten Jahren hat der Verein wieder Mitglieder hinzugewonnen, 1400 sind es jetzt.

Sie veranstalten Podiumsdiskussionen, es gibt Ausschüsse für Kultur und soziales Engagement, sie organisieren Lesepatenschaften und sponsern Berliner Athleten. Eine andere Gruppe hat gerade die „Leitsätze des ehrbaren Kaufmanns“ erarbeitet. Öffentlich ist der VBKI vor allem durch den Ball bekannt, den er einmal im Jahr veranstaltet. Ein glamouröses Event, hier treffen sich Politiker, Botschafter, Unternehmer. Und über allem schwebt noch immer der Geist von West-Berlin.

Markus Voigt, ein früherer Formationstänzer übrigens, will das ändern. Er ist jetzt 44 Jahre alt, der jüngste Präsident, den der Verein je hatte, zudem ein Zugezogener. Seine Wahl versteht er auch als Signal: „Der VBKI soll ein Verein für ganz Berlin sein, die Hauptstadtfunktion herausstellen, eine Heimat sein für Neu-Berliner, die die Stadt bewegen wollen.“ Voigt will auch die neuen Wirtschaftszweige mit einbinden, Internet-Start-Ups, Biotechnologie. Er will einen Ausschuss für Kreativwirtschaft gründen, Veranstaltungen in Mitte oder Friedrichshain organisieren, wo die jungen Unternehmer sitzen. „Die Jungen möchten die Alten treffen, die können doch viel erzählen. Schließlich haben sie auch mal eine Firma gegründet und groß gemacht.“

Das weiß kaum einer besser als er. Voigt ist in Karlsruhe geboren, hat dort auch studiert. Danach hat er bei einem Ingenieurbüro in Freiburg angeheuert. Zwar führte der Vater ein mittelständisches Planungsunternehmen, die Voigt Ingenieure in Karlsruhe, doch „das haben wir immer strikt getrennt. Mein Vater hatte einen autoritären Führungsstil.“ Zusammengebracht hat sie ausgerechnet der ärgste Konkurrent des Vaters. Er wollte den jungen Voigt gewinnen, seine neu gegründete Niederlassung in Berlin zu leiten. „Das ging natürlich nicht.“ Voigt brachte aber die beiden alten Herren, die bis dahin kaum ein Wort miteinander gewechselt hatten, an einen Tisch und überredete sie zu einem Berliner Joint Venture. Er selbst wurde dessen Chef und lernte dabei, die Unterstützung seines Vaters zu schätzen. Später kauften die Voigts den Partnern ihre Anteile ab. Dann übernahm Voigt Junior vom Vater. Für den internationalen Markt war die Firma zu klein. Darum verkaufte Voigt an den britischen Hyder Konzern, blieb aber Geschäftsführer für Deutschland.

Sein CEO habe nichts dagegen gehabt, dass er die Präsidentschaft im VBKI übernehme, sagt Voigt. Im Gegenteil. Sein Unternehmen ermutige alle Mitarbeiter, sich neben dem Job noch zu engagieren. Auch privat. Zeit mit der Familie sei ihm wichtig, sagt Voigt. Er habe sich darauf eingestellt, zwei Abende pro Woche der Vereinsarbeit zu widmen, „das Wochenende gehört der Familie.“ Er hat zwei Kinder, er nimmt sie gerne mit zum Jagen. Zwischen Teltow und Ludwigsfelde hat er 800 Hektar Land gepachtet. Sie füttern dort auch Tiere, betont er.

Als VBKI-Präsident möchte er sich auch für die weniger Privilegierten einsetzen. Das Thema Bildung hält er für eines der wichtigsten in seiner neuen Aufgabe, „das gilt vor allem für Kinder mit Migrationshintergrund. Hier muss Berlin Modellstadt werden. Wenn es hier nicht klappt, wo denn dann?“ Voigt kann sich zum Beispiel vorstellen, eine Stiftung zu gründen für dieses Thema. „Es gibt doch so viele Leute, die Geld haben, und sich fragen: Wie kann ich Gutes damit tun?“

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