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Wirtschaft: „Vergiftetes Klima zwischen Kunden und Anbietern“

Matthias Kurth, Chef der Bundesnetzagentur, über Gas- und Strompreise und über mehr Wettbewerb bei der Bahn

Herr Kurth, überall in Deutschland steigen die Gaspreise. Was werden Sie als Regulierungsbehörde dagegen tun?

Zum einen wollen wir den Wettbewerb beleben, zum anderen wollen wir dafür sorgen, dass die Preisbildung beim Endkunden transparenter wird. Gerade bei der Durchleitung des Gases durch die Netze gibt es durchaus Spielräume, die Kosten zu senken. Das heißt natürlich nicht, dass wir das Gaspreisniveau auf dem Weltmarkt beeinflussen können.

Bisher sind die Gaskunden an ihren jeweiligen örtlichen Monopolisten gebunden. Wann werden sie ihren Anbieter frei wählen können?

Anders als auf dem Strommarkt hat die Gaswirtschaft noch kein einheitliches Modell zum Einspeisen in das Netz und zum Ausspeisen entwickelt. Das hat der Gesetzgeber nun aber uns und der Branche als Ziel vorgegeben. Wenn das gelingt, sind die Voraussetzungen für einen Anbieterwechsel verbessert. Ob es aber am Ende Anbieter gibt, die Privatkunden beliefern wollen, ist eine andere Frage.

Es ist also gar nicht sicher, dass die Verbraucher künftig Wahlmöglichkeiten haben?

Zumindest kurzfristig ist es für Haushaltskunden schwierig. Wir können am Gasmarkt nur dann mehr Wettbewerb schaffen, wenn es mehr Transparenz gibt und wenn es Systeme gibt, die die Durchleitung von Gas effizient, kostengünstig und vor allem einfach gestalten. Aber diese Fragen sind lösbar, wenn die Branche mit uns kooperiert.

Wie lange müssen sich die Verbraucher noch gedulden?

Im Januar werden wir eine Prüfung der Gasnetzentgelte beginnen. Nach sechs Monaten sollen dann alle Durchleitungsentgelte geprüft und genehmigt sein.

Welchen Anteil haben die Netzgebühren denn am Endkundenpreis?

Die Versorger halten sich in dieser Frage sehr bedeckt. Im Moment haben wir noch keine belastbaren Daten. Aber genau das wird sich im nächsten Jahr durch die Kontrollen ändern. Dann können wir die Frage für jeden einzelnen Netzbetreiber beantworten. Wir gehen aber davon aus, dass mindestens ein Drittel des Endkundenpreises von den Netzkosten beeinflusst wird.

Zurzeit erleben wir eine Art Volksbewegung gegen die Gaspreise. Manche Verbraucher zahlen nur unter Widerspruch, andere kürzen ihre Rechnungsbeträge, wieder andere ziehen mit Sammelklagen vor Gericht. Haben Sie dafür Verständnis?

Zumindest macht diese Entwicklung deutlich, dass es eine Vertrauenskrise gibt zwischen den Verbrauchern und den Anbietern. Das Klima ist teilweise regelrecht vergiftet. Es war ein Versäumnis, dass wir in Deutschland jahrelang keine Regulierung hatten.

Das Bundeskartellamt mischt auf dem Gasmarkt ebenfalls mit. Behördenchef Ulf Böge will langfristige Lieferverträge verbieten, und er beobachtet die Bindung des Gaspreises an den Ölpreis. Kommen Sie sich nicht gegenseitig in die Quere?

Wir haben eine gute Arbeitsteilung. Als Bundesnetzagentur sind wir für alles zuständig, was die Gasnetze und den Transport betrifft. Bei anderen Fragen wie der Ölpreisbindung oder den Langfristverträgen werden wir einbezogen und informiert, aber wir sind am Ende nicht diejenigen, die entscheiden.

Sollte man die beiden Behörden langfristig nicht zusammenlegen?

Nein. Die Aufgabenabgrenzung ist klar und hat sich bewährt. Das hat nicht zuletzt die Zusammenarbeit bei der Liberalisierung des Telekommunikationsmarkts gezeigt. Wir kümmern uns um die Netze und die Netzentgelte, das Kartellamt ist zuständig für Unternehmensfusionen und ähnliche Fragen.

In vielen Punkten haben auch die Länder ein Mitspracherecht. Klappt das?

Es ist eine Entscheidung des Gesetzgebers gewesen, die Länder bei der Liberalisierung des Energiemarkts mit einzubeziehen. Wir müssen jetzt das Beste daraus machen. Und das tun wir, indem wir mit den Ländern gut kooperieren.

Auf dem Strommarkt gibt es für Privatkunden schon seit 1998 die Möglichkeit, den Anbieter zu wechseln. Trotzdem haben das erst zwei Millionen Verbraucher getan. Warum so wenige?

Die Preisunterschiede sind eher gering. Der Wettbewerb ist da, aber er entfaltet nicht die volle Wirkung. Außerdem sind die Kunden ein wenig träge, schließlich erfordert ein Anbieterwechsel immer einen gewissen Aufwand. Und nicht zuletzt gibt es im einen oder anderen Fall tatsächlich auch Behinderungen des Wettbewerbs, die wir beseitigen müssen. Wenn uns das gelingt, kann die Wechselquote steigen.

Werden die Strompreise dann sinken?

Zumindest gibt es bei den Netzentgelten Senkungspotenzial. Effiziente Anbieter werden besser dastehen als ineffiziente und können den Kunden günstigere Angebote eröffnen.

Derzeit geht die Entwicklung in die andere Richtung: Eon und RWE haben angekündigt, die Strompreise zum 1. Januar anzuheben. Ist das für Sie ein Thema?

Wir beginnen jetzt im Oktober mit der Kontrolle der Netzentgelte auf dem Strommarkt. Das wird sechs Monate dauern, Anfang 2006 werden wir also noch keine Ergebnisse vorliegen haben. Aber die Länder haben schon angekündigt, dass sie alle vorliegenden Erhöhungsanträge kritisch prüfen werden.

Neben den Strom- und Gasleitungen sind Sie auch für das Netz der Bahn zuständig. Wann gibt es hier mehr Wettbewerb?

Wir werden dafür sorgen, dass die Wettbewerber Zugang zum Netz bekommen, und zwar unter den gleichen Bedingungen, die auch für die Deutsche Bahn AG selbst gelten. Aber ob es mehr Auswahl für die Kunden gibt, hängt natürlich auch von den Anbietern ab. Wir können nur dann tätig werden, wenn ein Unternehmen zu uns kommt und zum Beispiel die Strecke Hamburg-Berlin anbieten möchte. Dann überprüfen wir im Konfliktfall die Verfügbarkeit der Trassen. Wenn aber keiner kommt, haben wir keine Möglichkeiten zum Handeln.

Wie sollte die Bahn an die Börse gehen: mit oder ohne ihr Netz?

Das liegt in der Entscheidung des Eigentümers und damit des Bundes.

Aber Sie haben sicher eine Präferenz.

Ach Gott. Ich sage es einmal so: Bei der Telekom haben wir trotz der Integration des Netzes einen erfolgreichen Wettbewerbsrahmen geschaffen. Bei Strom und Gas hingegen werden die Netze organisatorisch von den Versorgungsunternehmen getrennt. Insofern arbeiten wir als Bundesnetzagentur mit beiden Modellen. Deshalb würde ich auch bei der Bahn nie sagen: Das Netz muss ausgegliedert sein oder es muss im Unternehmen integriert sein. Wenn eine effiziente Kontrolle gelingt, kann man unter Umständen auf eine Ausgliederung verzichten. Wenn sie – wie auf dem Energiemarkt – nicht gelingt, darf man sich nicht wundern, wenn die Forderung nach einer Ausgliederung des Netzes kommt.

Das Gespräch führte A. Waldermann

DER RICHTER

Matthias Kurth (53) studierte Volkswirtschaft und Rechtswissenschaft. Beide juristischen Staatsexamina legte er mit Prädikat ab. Noch am Tag der Prüfung im Jahr 1978 wird er Richter in Darmstadt.

DER POLITIKER

Mit 16 Jahren tritt Kurth der SPD bei, mit 26 wird er Landtagsabgeordneter in Hessen. Später bringt er es bis zum Staatssekretär im hessischen Wirtschaftsministerium.

DER BEHÖRDENCHEF

Im Jahr 2000 wird Kurth Vizepräsident der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP), ein Jahr später Präsident. Erfolgreich öffnet die Behörde den Telefonmarkt. Im Sommer 2005 wird die Behörde in Bundesnetzagentur umbenannt. Seitdem ist sie auch für Strom, Gas und Eisenbahnen zuständig.

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