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Verkehrspolitik: Lkw-Maut als Instrument gegen Staus?

Die Mautbrücken gehören in Deutschland bereits zum gewohnten Bild auf den Autobahnen. Künftig sollen sie zusätzlich noch zur Verkehrslenkung dienen und staugefährdete Regionen entlasten.

Berlin - Auto- und Brummi-Fahrer hatten zwei Jahre Zeit, sich an die Lkw-Mautbrücken auf deutschen Autobahnen zu gewöhnen. 2007 - also im dritten Jahr - soll das bisher pannenfreie satellitengestützte Gebührensystem zeigen, dass es noch mehr kann, als elektronisch zum Einheitstarif abzukassieren oder Mautpreller zu identifizieren. Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) und Maut-Betreiber Toll Collect wollen allmählich die Lkw-Maut nach Ort und Zeit, also regional nach Verkehrsaufkommen, staffeln. "Verkehrslenkung" heißt das Zauberwort gegen den alltäglichen Stau.

Im Berufsverkehr und auf stauträchtigen Autobahn-Abschnitten wie zum Beispiel im Rhein-Main-Gebiet, an der Ruhr oder am Berliner Ring würde dann so an der Gebührenschraube gedreht, dass sich mancher Spediteur und Lieferant für kostengünstigere Transportzeiten oder Ausweichstrecken entscheiden würde, so die Vorstellung. Verkehrs-Entlastung gilt in der Politik allseits als vordringlich. So rechnet die Arbeitsgruppe "Verkehrsprognosen 2015" des Bundesverkehrsministeriums mit einer Zunahme des Transportaufkommens in Deutschland um 40 Prozent. Dabei spielt der Straßengüterverkehr eine immer größere Rolle. Die Bahn profitiert nach Expertenangaben von traditionellen Schiffsfrachten auch im Zuge verbesserter Hinterlandanbindungen von Seehäfen, kann jedoch weiterhin kaum dem Straßengüterverkehr Paroli bieten.

Der Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) bestreitet die verkehrslenkende Funktion der Lkw-Maut. BGL-Hauptgeschäftsführer Karlheinz Schmidt sieht kaum Möglichkeit für die Fuhrunternehmer, auf andere Lieferzeiten auszuweichen. "Wir haben unser Produktionsfenster am Tag. Wir müssen fahren, wenn die Verlader es wollen." Alles andere sei irreal, so Schmitz im dpa-Gespräch. Schon heute laufe ein Drittel des Güterverkehrs nachts.

Kein Rückgang bei den Leerfahrten

"Mehr ist da nicht zu holen." Entschieden widerspricht Schmidt auch der Darstellung von Tiefensee, die 2005 eingeführte Lkw-Maut habe bereits dazu geführt, die Zahl von Rückfahrten ohne Ladungen deutlich abzubauen. Nach einem Rückgang um neun Prozent auf 1,36 Milliarden Transportkilometer in 2005 seien solche gefahrenen "Leerkilometer" im gewerblichen Fernverkehr in den ersten sieben Monaten 2006 wieder um zehn Prozent angestiegen. Milchtransporter, Tankwagen und andere Spezialfahrzeuge seien nur einseitig verwendbar.

Zum 1. Januar wird die Autobahngebühr für große Lkw (ab zwölf Tonnen) erstmals auf Bundesstraßen ausgedehnt. Betroffen sind aber nur drei Teilabschnitte: im Hamburger Raum auf der B75 zwischen der Autobahn A253 und der A7 sowie auf der B4 nördlich der A23 bis Bad Bramstedt (Schleswig-Holstein) und im Südwesten auf der B9 zwischen der deutsch-französischen Grenze und der Auffahrt Kandel-Süd der A65 in Rheinland-Pfalz. Andere Länder und Gemeinden, die ihre Bürger vor lautem und übermäßigem Maut-Ausweichverkehr schützen wollen, können ganze Strecken auf Bundes- oder Landesstraßen sperren lassen.

Tiefensee bei Transporteuren im Wort

Nach einem holprigen Vorlauf sollte die Lkw-Maut mit ihrem Start 2005 die Not leidende Verkehrskasse des Bundes wieder auffüllen. Nach 2,85 Milliarden Euro im ersten Jahr sind es laut Tiefensee in diesem Jahr gut drei Milliarden. Für 2007 sind 3,35 Milliarden eingeplant. Die nach Gewicht und Schadstoff-Ausstoß gestaffelte Gebühr beträgt im Schnitt 12,4 Cent je Kilometer. Ziel ist eine Anhebung auf 15 Cent. Für diesen Fall steht Tiefensee bei den deutschen Transporteuren im Wort, den Mehraufwand von 600 Millionen Euro durch ein entsprechendes Entlastungsvolumen an anderer Stelle auszugleichen. Dabei geht es neben den angekündigten Kfz-Steuerermäßigungen (150 Millionen Euro) und Förderung umweltfreundlicher Lkw (100 Millionen) um ein von den Spediteurs-Verbänden verlangtes Maut-Bonus-Verfahren (350 Millionen).

Der BGL fordert die Bundesregierung jetzt auf, besonders dieses Anliegen mit größerem Nachdruck als bisher bei der EU-Kommission zu vertreten. Zur "Vermeidung von Mehrfachbelastungen sollen Unternehmen, die durch die Betankung in Deutschland Mineralölsteuer geleistet haben, einen Bonus in dieser Höhe auf die (...) zu zahlenden Mautbeträge erhalten", heißt es in einem von Regierung und Verbänden abgestimmten Notifizierungstext für die EU. Lässt sich dieser Vorstoß in Brüssel nicht durchsetzen, ist Maut-Verstimmung angesagt. BGL-Manager Schmidt warnte die Regierung vorsichtshalber schon mal vor einem "Wortbruch". (Von Wolfgang Bunse, dpa)

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