zum Hauptinhalt
Auch deutsche Reiche spenden - doch reden tun sie darüber ungern.

© Mangsaab - Fotolia

Vermögende in Deutschland: Warum Reiche Gutes tun – und schweigen

Die deutschen Reichen spenden, doch anders als Amerikaner reden sie ungern darüber. Warum das so ist – warum sich das nun ändern könnte.

Von Carla Neuhaus

Manchmal ist ihr das Geld eine Last. Vor allem dann, wenn die Menschen nur ihre Milliarden sehen, nicht sie selbst. In einem ihrer wenigen Interviews hat Susanne Klatten einmal gesagt: „Geld bewertet nicht, was oder wer ich bin. Es zieht einen Vorhang vor mich. Ich möchte aber gesehen werden, als Mensch.“ Und als Mensch will sie sich engagieren, der Gesellschaft etwas zurückgeben.

Susanne Klatten gründet eine neue Initiative

Deshalb hat Susanne Klatten, die BMW-Erbin und reichste Frau Deutschlands, nun eine neue Initiative angekündigt. „Skala“ hat sie sie genannt, die ersten beiden Buchstaben stehen für ihr Kürzel. Über die Skala-Initiative will Klatten in den nächsten fünf Jahren 100 Millionen Euro spenden und so „bürgerschaftliches Engagement“ fördern. Erste konkrete Projekte will sie noch im April vorstellen. Es sei für sie „eine Herzenssache“, engagierte Menschen „zu fördern und ihnen Anerkennung zu geben“, wird sie auf der Homepage ihrer Initiative zitiert.

Zwar hat Klatten, deren Vermögen auf über 15 Milliarden Euro geschätzt wird, sich auch früher schon engagiert und für den guten Zweck gespendet. Doch sie hat es nie so offen nach außen getragen. Mit ihrer Initiative geht sie dagegen nun bewusst in die Offensive, steht für die geförderten Projekte mit ihrem Namen. Als wolle sie zeigen: Seht her, ich tue Gutes mit meinem Geld, tut es mir nach. Das ist neu. Und für die Reichen in Deutschland eher ungewöhnlich.

Deutsche sprechen nicht über ihr Engagement

Denn anders als in den USA sind die Vermögenden hierzulande verschwiegen. Sie reden weder über ihr Geld noch darüber, ob oder wie sie es für einen guten Zweck ausgeben. „Das ist typisch deutsch“, sagt Robert Heiduck von der Weberbank, die vor allem vermögende Kunden betreut. „Man spricht eher über Krankheiten als über Geld.“

Dabei sollte man meinen, wenn jemand mit seinem Vermögen etwas Gutes für die Gesellschaft tut, könne er das ruhig alle Welt wissen lassen. So wie Facebook-Gründer Mark Zuckerberg, der nach der Geburt seiner Tochter öffentlich verkündete, 99 Prozent seines Vermögens spenden zu wollen. Oder wie Microsoft-Gründer Bill Gates, der bis zu bis zu seinem Tod ebenfalls einen Großteil seines Vermögens für gute Zwecke ausgeben will. Zusammen mit Investor Warren Buffett hat er vor sechs Jahren in den USA die Initiative „The Giving Pledge“ gestartet, um auch andere dazu zu animieren, Teile ihres Vermögens zu spenden. Über 100 Milliardäre haben sich ihnen bereits angeschlossen.

Und doch steht auf ihrer Liste gerade einmal ein deutscher Name: Hasso Plattner. Und der soll da noch nicht einmal ganz freiwillig drauf gelandet sein – obwohl er durchaus große Summen spendet. Auch Susanne Klatten soll trotz ihres Engagements Gates und Buffett bislang immer wieder eine Absage erteilt haben.

In den USA gehört es zum guten Ton, über Spenden zu sprechen

Das zeigt, wie unterschiedlich Deutsche und Amerikaner mit dem Spenden umgehen. „In den USA gehört es zum guten Ton, darüber zu reden“, sagt Michael Alberg-Seberich, der Unternehmer berät, die stiften oder spenden wollen. „Die Deutschen sind in dieser Hinsicht einfach sehr zurückhaltend.“

Zu einem Großteil ist das historisch begründet. In den USA gibt es seit jeher den Traum, vom Tellerwäscher zum Millionär zu werden – wem dann der Aufstieg tatsächlich gelingt, der will den weniger Glücklichen etwas zurückgeben. Vorreiter dieser Bewegung war Andrew Carnegie: ein Einwanderersohn, der ein Stahlimperium aufbaute. 1901 verkaufte er seine Firma an J. P. Morgan – und wurde zum Wohltäter. „Wer reich stirbt, stirbt in Schande“: Mit diesem Satz wird er bis heute in den USA zitiert. Seine Millionen setzte Carnegie zum Beispiel ein, um im ganzen Land über 2500 Bibliotheken zu errichten. Damit wurde er Vorbild für viele andere nach ihm.

Doch während in den USA Spenden fehlende staatliche Investitionen ersetzen, ist in Deutschland früh ein starkes  Sozialsystem entstanden. Aufgrund der Umverteilung durch Steuern wurde es hier lange gar nicht erwartet, dass Reiche einen Teil ihres Vermögens an die Gesellschaft zurückgeben.

Deutsche Reiche werden für kritisiert

Trotzdem gibt es natürlich auch hier seit jeher Vermögenden, die viel spenden. Nur tun sie es eben lieber im Verborgenen – und zwar auch aus Angst vor Kritik. Denn hier kommt es längst nicht immer gut an, wenn Reiche ihre Wohltätigkeit nach außen kehren. So erging es Formel-1-Fahrer Michael Schumacher, als er 2004 nach der Tsunami-Katastrophe 7,5 Millionen Euro für die Opfer spendete. Franz Müntefering, damals Vorsitzender der SPD, störte sich an der „Art und Weise“, wie Schumacher auftrat. Statt klammheimlich zu spenden, hatte er seinen Beitrag während der TV-Spendengala im ZDF bekannt gegeben. Solche Eitelkeiten möge er nicht, sagte Müntefering. Ihm seien die Leute lieber, „die offensichtlich wenig haben“ und trotzdem „50 Cent oder zwei Euro“ spenden.

Wegen Reaktionen wie dieser gibt es wohl auch wenige reiche Deutsche, die ihr Engagement von sich aus publik machen. Eine Ausnahme ist dabei zum Beispiel der Unternehmer Michael Otto, der hinter dem Versandhandel Otto steht. Er hat zuletzt einen Großteil seines Vermögens und seiner Gesellschafteranteile auf eine Stiftung übertragen. In schlechten Zeiten soll mit dem Geld die Sanierung des Otto-Konzerns finanziert werden können. In guten Zeiten sollen mit den Ausschüttungen wohltätige Projekte gefördert werden.

„Ich bin der festen Überzeugung, dass jeder von uns im Rahmen seiner Möglichkeiten einen Beitrag zur Gesellschaft leisten sollte“, sagt Otto. „Eigentum verpflichtet da in besonderem Maße.“ Er selbst hat sich dem Umweltschutz verschrieben und dafür eine eigene Stiftung gegründet. „Nur großzügig Geld zu spenden, reicht einfach nicht, wenn man Dinge dauerhaft zum Besseren verändern will“, sagt er. Er wolle „etwas ins Rollen bringen“, Menschen mit seinem Engagement anstecken.

Oft steht eine persönliche Vorliebe hinter dem Engagement

So wie bei Otto sind es meist persönliche Erfahrungen oder Vorlieben, die hinter dem Engagement der Reichen stehen. Das zeigt sich auch daran, wofür zum Beispiel die SAP-Gründer Geld geben. Während sich Hasso Plattner der Wissenschaft verpflichtet fühlt und an der Universität Potsdam ein Institut für Softwaresystemtechnik gegründet hat, fördert Dietmar Hopp vor allem Sportprojekte.

Trotz dieses Engagements würden die Spendenmöglichkeiten in Deutschland noch lange nicht ausgeschöpft, sagt Andreas Schiemenz, der für die HSH Nordbank Stifter und Spender berät. Das derzeitige Spendenvolumen von etwa neun Milliarden Euro pro Jahr ließe sich auf 18 Milliarden Euro verdoppeln, wenn Spendenangebot und -bereitschaft besser in Einklang gebracht würden. Dass das nicht passiert, hat seiner Meinung nach vor allem einen Grund: Fundraiser und Reiche begegnen sich nicht auf Augenhöhe. „Es ist schwerer, von einem Milliardär 10 000 Euro als Spende zu bekommen als zehn Millionen“, sagt Schiemenz. Doch dafür fehle vielen Fundraisern aber das Verständnis.

Deshalb gehen die Reichen meist einen anderen Weg: Sie gründen ihre eigene Stiftung oder Initiative, um die Gelder zu verteilen. Und sie engagieren ein Beratungsunternehmen, das ihnen hilft, förderungswürdige Projekte zu finden. So wie es Susanne Klatten nun tut. Für sie bedeutet das Vermögen Verantwortung. „Wenn man Mittel in dieser Höhe hat, muss man sich auch darum kümmern“, lässt sie sich in dem Buch „Die Quants“ zitieren. „Das ist ja nichts, was man ausgeben kann.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false