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Wirtschaft: Versicherer müssen ihre Karten aufdecken

Wirtschaftsprüfer stellen neue Bilanzregeln auf: Börsenverluste werden zum Jahresende abgeschrieben

Berlin (hej). Die Lebensversicherer werden zum Jahresende einen Großteil ihrer Börsenverluste in ihren Bilanzen abschreiben müssen. Das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) hat jetzt Richtlinien für die Bewertung der Aktienbestände vorgelegt. Bislang konnten die Unternehmen nach eigenem Gutdünken entscheiden, ob sie Kursverluste in ihren Bilanzen realisieren oder weiter in die Zukunft fortschreiben. Vertreter großer Versicherungskonzerne und die Aufsichtsbehörde begrüßten die Vorgaben der Wirtschaftsprüfer. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft bestätigte am Freitag, dass es „Abschreibungsbedarf“ gibt. Dieser werde aber nicht „riesig“ sein, betonte ein Sprecher.

Verbraucherschützer sind dagegen skeptisch. Sie befürchten, dass vor allem Versicherer, die bei Dax-Ständen von 7000 Punkten und mehr an der Börse eingestiegen waren, in Schwierigkeiten geraten, wenn sie die Kursverluste in ihren Bilanzen abschreiben müssen. Denn vielfach stehen die Aktientitel noch mit den deutlich höheren Buchwerten (siehe Lexikon, Seite 16) in den Büchern.

Das liegt daran, dass die Lebensversicherer seit dem vergangenen Jahr die Möglichkeiten des Paragrafen 341 b HGB nutzen können. Nach dieser Vorschrift brauchen die Versicherungsgesellschaften Kursverluste, die nur vorübergehend eingetreten sind, in ihren Büchern nicht zu verbuchen. Ob die Unternehmen von diesem Angebot Gebrauch machen oder nicht, konnten sie bislang selbst entscheiden. Viele Versicherungsunternehmen haben sich für den Paragrafen 341 b HGB entschieden und stille Lasten in nicht unbeträchtlicher Höhe gebildet.

Nach den neuen Richtlinien der Wirtschaftsprüfer wird der Gestaltungsspielraum der Versicherer aber schon in diesem Geschäftsjahr beschränkt. Bereits für das laufende Bilanzjahr sollen folgende Regeln gelten: Versicherer müssen Werte in ihren Kapitalanlagen abschreiben, wenn am Bilanzstichtag der Kurs einer Aktie sechs Monate zuvor permanent – also jeden Tag – um mehr als 20 Prozent unter dem Buchwert notierte. Wertberichtigungen sollen auch dann anfallen, wenn der Durchschnittswert der täglichen Börsenkurse in den vergangenen zwölf Monaten mehr als zehn Prozent unter dem Buchwert lag. Sollte die betroffene Aktie allerdings während der Halbjahres- oder Jahresfrist an einem einzigen Tag besser abgeschlossen haben, sind diese Aufgreifkriterien nicht erfüllt und es besteht kein Abschreibungsbedarf.

Das dürfte angesichts der Börsenentwicklung jedoch wenig wahrscheinlich sein. „Ein Großteil der Kapitalanlagen steht auf dem Prüfstand“, glaubt auch Gerhard Gross, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Wirtschaftsprüferverbands. Die Aufgreifkriterien des IDW dürften „häufig erfüllt“ sein, vermutet Gross.

Wenn eine Aktie die Kriterien der Wirtschaftsprüfer erfüllt, folgt eine Einzelfallanalyse dieses Titels. Sollten unabhängige Analysten dem Papier eine positive Kursprognose stellen, kann ausnahmsweise von einer Wertberichtigung abgesehen werden. Ansonsten müsste der Wert zum Tageskurs abgeschrieben werden. Sollten auch hier die Analysten zu dem Ergebnis kommen, dass dieser zu niedrig ist, dürfen die Versicherer den Kurs verwenden, bei dem sich die Aktie wahrscheinlich dauerhaft einpendeln wird. Gross räumte ein, dass dieses von Versicherer zu Versicherer differieren kann und die Unternehmen von unterschiedlichen Kursen ausgehen können.

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BAFin) begrüßte am Freitag die Empfehlung des IDW als „vernünftigen Lösungsansatz“. Auch Sprecher von Allianz Leben und der Münchener Rück lobten die Richtlinien, weil sie endlich Klarheit für die Kunden und den Markt brächten. Die Börse reagierte dagegen skeptisch. Die Talfahrt der Versicherungswerte hielt auch am Freitag weiter an.

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