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Wirtschaft: Versteckspiel und Drohkulissen

Nach dem Verkauf von Studio Babelsberg bricht in der Film- und Fernsehbranche der Wettbewerb aus

Dem Filmstandort Berlin-Brandenburg mangelt es in diesen Tagen nicht an Visionen und großen Worten. Nach dem Verkauf von Studio Babelsberg, dem ältesten Filmstudio der Welt, an zwei weithin unbekannte Investoren leben wahlweise alte Mythen oder neue Horrorszenarien auf. Carl Woebcken und Christoph Fisser, die das Studio für einen symbolischen Euro vom französischen Vivendi-Konzern übernahmen und es bisher bei wolkigen Ankündigungen beließen, haben die Branche aufgeschreckt.

„Wir wollen großes Kino machen“, kündigte Woebcken an. Wie, mit wem und wann – das ließ er offen. Mit einer von Vivendi stammenden Anschubfinanzierung von 18 Millionen Euro, Investitionen von zwei bis drei Millionen Euro und einem erhofften Umsatzsprung von 25 Prozent im kommenden Jahr glaubt Woebcken, in Babelsberg Film und mehr Fernsehen als bisher machen zu können. Zudem bietet er 900000 Euro für die Hälfte des TV-Zentrums, das Vivendi noch zusammen mit Studio Hamburg betreibt. Die NDR-Tochter war beim Bieterverfahren um Babelsberg leer ausgegangen.

Am Film- und Fernsehstandort Berlin und Brandenburg, wo nach IHK-Angaben fast 10000 Beschäftigte einen Jahresumsatz von 790 Millionen Euro erwirtschaften, ist die Skepsis groß. Die Pläne der Babelsberg-Käufer erscheinen vielen unrealistisch. „Das ist sicher ein bisschen gewagt“, räumt Petra Maria Müller, Chefin des Medienboards Berlin-Brandenburg ein. „Es wird ein mörderisch schwerer Weg“, sagt ein Insider, der die Verhältnisse in Babelsberg kennt. „15 bis 20 Millionen Euro müssten mindestens in die Studios investiert werden.“ Kurz vor Drehbeginn für die Paramount-Produktion „Mission Impossible III“ fragen sich einige, ob dies der letzte Besuch von Hollywood in Babelsberg sein wird.

Doch die Stimmung ist nicht überall so düster. „Wir sind nicht in Depression verfallen“, sagt Martin Willich, Chef von Studio Hamburg und Betreiber der Media City Berlin-Adlershof. Ein Engagement der Hamburger bei Studio Babelsberg hätten viele Medienpolitiker begrüßt, weil damit Synergien der Standorte möglich gewesen wären. Verärgert über den Ausgang des Bieterverfahrens, will Willich jetzt jedoch eine Drohung wahrmachen: „Wir bauen Adlershof aus.“ Dort haben die Hamburger in fünf Jahren 75 Millionen Euro in Studiokapazitäten und Technik investiert. 100 Festangestellte sind in der Media City beschäftigt. Am größten zusammenhängenden Medienstandort in Berlin fanden bisher vor allem TV-Produktionen statt, aber auch großes Kino – etwa Bernd Eichingers „Resident Evil“.

Statt Synergien zu suchen, will Willich nachlegen. Am Freitag präsentierte er die Expansionspläne seinem Aufsichtsrat, dem ARD-Chef Jobst Plog vorsitzt. „In acht Wochen können wir über den Ausbau von Adlershof entscheiden“, kündigte er im Gespräch mit dem Tagesspiegel an. Und mit Blick auf die Vivendi-Mitgift für Woebcken und Fisser sagt Willich: „Wir investieren mehr als 18 Millionen Euro in Adlershof.“ Der Standort soll auch mit Film-Aufträgen wachsen. Ein in Los Angeles ansässiger Studio-Repräsentant trommelt in Hollywood für Adlershof.

In Babelsberg beobachtet man dies mit Sorge. „Filmproduktion ist nicht eine Frage des Willens und der Theorie, sondern der Kontakte und des Vertrauens“, sagt Studio-Sprecher Felix Neunzerling. Babelsberg habe mit dem Art Department und dem international anerkannten Team um Produktionschef Henning Molfenter ein „Alleinstellungsmerkmal“. „Unsere Leute denken in Film – das kann man nicht über Nacht lernen.“ Das weiß auch Willich: Babelsberg habe eine gute Mannschaft – „die ist auch für uns interessant“.

Produzenten wie Teamworx-Chef Nico Hofmann halten den Wettbewerb für ruinös. Der Film- und Fernsehmann hätte lieber den NDR in Babelsberg gesehen. Er setzt sich jetzt für eine Kooperation der Standorte Hamburg und Berlin ein, in der auch die Vergabe von Fördergeldern einheitlich geregelt wäre. „Eine Nordachse würde sich gegen die Konkurrenz aus Osteuropa behaupten“, sagt Hofmann. Dann sei auch in Berlin-Brandenburg Platz für zwei oder drei große Studiodienstleister. Soweit ist es aber noch nicht. Deutschlands größter TV-Produzent, Ufa-Chef Wolf Bauer, glaubt, dass zunächst „das Geschäftsmodell Studiodienstleister auf dem Prüfstand“ steht. Und Klaus Dick, Geschäftsführer der Berliner Union Film, warnt: „In Babelsberg dürfen keine Fördergelder fließen, die andere Studiodienstleister benachteiligen.“

Studio Hamburg bereitet sich unterdessen auf den Rückzug aus Babelsberg vor. Für den Vivendi-Anteil am Fernsehzentrum, auf den Woebcken und Fisser ein Auge geworfen haben, hat die NDR-Tochter zwar ein Vorkaufsrecht. Dass er für 900000 Euro zu haben ist, ist aber unrealistisch. Vivendi soll den Wert vor drei Wochen noch auf fünf Millionen Euro taxiert haben. Besonders interessiert an einer gemeinsamen TV-Arbeit mit den Babelsberg-Käufern scheint Martin Willich ohnehin nicht. „Wir wollen eine 100-Prozent-Lösung.“ Biete jemand einen fairen Preis, werde Studio Hamburg über einen Verkauf seiner 50 Prozent nachdenken.

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