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Im Schatten. Der Skandal um die zürückgetretene Führungsriege wirft kein gutes Licht auf die britische Vorzeigebank Barclays.

© Reuters

Vertrauen verspielt: Bei Barclays rollen Köpfe

Der britische Bankenskandal um manipulierte Zinsen empört die Bürger. Barclays-Chef Diamond geht - und muss sich an diesem Mittwoch vor dem britischen Parlament verantworten.

War es der Anruf von Schatzkanzler George Osborne am Montagabend oder die Einsetzung einer parlamentarischen Kommission mit Sonderbefugnissen, die Barclays Chef Bob Diamond aus dem Amt trieben? Auch die Bank of England und die Finanzaufsicht FSA hatten wohl die Hand im Spiel. Ergebnis des immensen Drucks: Noch vor dem Frühstück am Dienstagmorgen zog der Chef einer der ältesten und renommiertesten britischen Banken die Konsequenz aus der immer weiter wachsenden Empörung über den neuen, großen britischen Bankenskandal. „Es war die richtige Entscheidung für Barclays und die richtige Entscheidung für unser Land“, sagte Osborne hochzufrieden.

Die Köpfe rollen. Am Montag war bereits Barclays Aufsichtsratsvorsitzender Marcus Agius zurückgetreten. Der Skandal um die Manipulationen des Libor-Interbankenzinssatzes hat den Hass auf die Banker verschärft. Vier von fünf Briten wollen, dass die Verantwortlichen vor Gericht kommen. Auch Politiker wollen wieder so viel Distanz wie möglich zur Finanzbranche herstellen. Osborne forderte die Aufsichtsbehörden und das Amt für Betrug und Wirtschaftsverbrechen, SFO, auf, „jede legale Möglichkeit“ für gerichtliche Anklagen zu nutzen.

Seit die Londoner Bankenaufsicht Barclays zu 290 Millionen Pfund Strafe wegen illegaler Manipulationen des Libor- Zinssatzes verurteilte, ist der Skandal öffentlich, über den Eingeweihte wohl seit langem mehr wissen, als sie zugaben. „Alle wussten es. Alle haben mitgemacht“, schrieb ein anonymer Banker dem „Daily Telegraph“.

Kein Chef mehr. Noch vor dem Frühstück ist am Dienstagmorgen der Barclays-Chef Bob Diamond zurückgetreten. Am Vortag war der Aufsichtsratschef gegangen.

© dapd

E-Mails zeigen, wie salopp allabendlich der Libor festgelegt wurde, der Zinssatz, zu dem die Banken einander über Nacht Geld zum Ausgleich der Bücher leihen. Statt den Satz korrekt auf Grund der Finanzlage der Bank festzusetzen, wurden Wünsche von Händlern berücksichtigt, die eigentlich durch „chinesische Mauern“ getrennt agieren sollten. „Wenn sich der Libor nicht ändert, bin ich ein toter Mann“, mailte ein Händler. Seine nächste E-Mail: „Kumpel, ich schulde Dir riesigen Dank. Wenn Du mal rüberkommst, mache ich eine Flasche Bollinger (Champagner, Anm.) auf.“ Schwer, den Schaden festzustellen, der anderen Banken, Anlegern, Kreditnehmern entstanden ist. Auf Barclays und andere Banken könnte eine Klagewelle zukommen, um das zu klären.

Video: Mega-Skandal: Barclays-Chef tritt ab

Politiker und die Öffentlichkeit fordern nun, wie schon nach dem Bankencrash von 2008, einen „Kulturwandel“ in den Banken. Eine Vielzahl von Untersuchungen steht ins Haus. Bis September soll die Finanzaufsicht FSA in einem ersten Bericht offenlegen, wie verbreitet die Praxis bei anderen Banken war.

Auch die Ergebnisse der parlamentarischen Untersuchung sollen in das neue Finanzgesetz eingebracht werden, an dem die Koalitionsregierung seit zwei Jahren arbeitet. 2019 sollen Geschäftsbanken von den „Kasinobanken“ der Investmentbranche abgekoppelt werden. Möglicherweise wird dieser Prozess nun beschleunigt. „Das Bankgeschäft muss wieder langweilig werden“, forderte Wirtschaftsminister Vince Cable.

Der Finanzstandort London bangt um seine Reputation. „Die zynische Habgier der Händler hat die Menschen zu Recht schockiert und erzürnt“, sagte der Chef der Finanzaufsichtsbehörde FSA, Lord Adair Turner. Aber die FSA musste nicht nur nach dem Bankencrash Rügen über unzureichende Aufsicht einstecken, auch jetzt wird ihr das vorgeworfen.

Am heutigen Mittwoch wird Diamond vor dem Finanzausschuss des Unterhauses angehört. Am Dienstagabend erklärte Barclays, der zurückgetretene Topmanager, Jerry del Missier, sei laut internen Dokumenten des Geldinstituts für die Festlegung zu niedriger Zinssätze verantwortlich gewesen. Del Missier habe fälschlicherweise angenommen, die Bank of England habe Barclays angewiesen, die Zinsen niedrig zu halten. Del Missier hatte wenige Stunden nach dem Rücktritt des Vorstandsvorsitzenden Bob Diamond seinen Posten als Leiter des operativen Geschäfts (COO) aufgegeben. mit dapd

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