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Wirtschaft: Verwirrende Rechnungen

Der Handymarkt in den USA ist hart umkämpft – die Kunden verlieren deshalb schnell den Überblick

Sich in den USA für einen Handy-Vertrag zu entscheiden, ist ungefähr so riskant wie eine Blitzhochzeit in Las Vegas. Wenn man Glück hat, geht alles gut. Aber auf was man sich wirklich einlässt, weiß man erst hinterher. Und eine Scheidung kann verdammt teuer werden. Durch die jetzt angekündigte Fusion der beiden US-Mobilfunkfirmen Sprint und Nextel wird der ohnehin schon harte Konkurrenzkampf auf einem bereits zu mehr als 70 Prozent gesättigten Markt noch schärfer – und unübersichtlicher.

Erst vor wenigen Wochen hatte die bisherige Nummer zwei auf dem US- Mobilfunkmarkt, Cingular Wireless, AT&T Wireless für 41 Milliarden Dollar (rund 30,9 Milliarden Euro) gekauft. Mit der Übernahme ist Cingular Branchenführer mit rund 47 Millionen Mobilfunkkunden geworden, gefolgt von Verizon Wireless mit 42 Millionen Handy-Nutzern. Sprint zahlt jetzt 35 Milliarden Dollar (26,3 Milliarden Euro) für den Konkurrenten Nextel. Zusammen wird das fusionierte Unternehmen mit 40 Milliarden Dollar Umsatz und 40 Millionen Kunden zur Nummer drei der Branche aufsteigen. Weit abgeschlagen auf Platz vier der landesweiten Anbieter mit 16,3 Millionen Kunden liegt künftig T-Mobile USA, die Tochtergesellschaft der Deutschen Telekom.

Schon jetzt steht der Kunde vor einem unentwirrbaren Knäuel von Angeboten. Jedes Unternehmen wirbt mit einem anderen Bonus, der sich bei einem Blick ins Kleingedruckte oft als Malus herausstellt. Zunächst muss der Kunde sich daran gewöhnen, dass er nicht einfach für die Gespräche bezahlt, die er auch tatsächlich führt. Stattdessen muss er jeden Monat ein Kontingent von Minuten kaufen, dass er abtelefonieren darf.

Sollte er mehr verbrauchen als zum Beispiel die 600 Minuten, die durch das Abo abgedeckt sind, wird es richtig teuer. Telefoniert er weniger, verfallen die Minuten. Es sei denn, er hat sich für Cingular entschieden, die einzige Gesellschaft, die so genannte „Roll Over Minutes“ anbietet, also die nicht genutzte Gesprächszeit auf den nächsten Monat überträgt. Allerdings nur für einen gewissen Zeitraum. Und man bekommt das Angebot auch nur mit einem Zwei-Jahres-Vertrag. Wer früher kündigt, zahlt heftige Strafgebühren.

Andere, wie, Verizon bieten Kombi-Pakete an. Lässt man über die Telefongesellschaft neben seinem Handy auch sein Festnetztelefon und seinen Internetanschluss laufen, gibt es kräftige Ermäßigungen. Nextel wiederum wirbt mit einer exklusiven Funktion, die die Telefone für mittelständische Betriebe attraktiv macht: Die Handys funktionieren mit ausgewählten Teilnehmern wie Funksprechanlagen. Mit denen kann man so lange reden, wie man will, ohne dass Gebühren anfallen. T-Mobile schließlich lockt mit nur zwölf Monaten Vertragslaufzeit, so wenig wie bei keinem anderen Anbieter. Dafür muss T-Mobile allerdings kräftig bluten, seine Kunden wechseln viel häufiger als bei der Konkurrenz.

Wer glaubt, er hätte nun vollen Durchblick, sieht sich schnell getäuscht. Denn schließt man seinen Handy-Vertrag mit – sagen wir mal – 600 Minuten pro Monat ab, heißt das noch lange nicht, dass man auch wirklich 600 Minuten telefonieren kann. Erstens zählen nicht nur die Anrufe, die man selber tätigt. Vielmehr zahlt der Handy-Besitzer auch mit, wenn er angerufen wird. Weshalb man Ende des Monats öfter Leute am Apparat hat, die den Anrufer panisch auf die Landleitung verweisen, weil ihre Handy-Minuten abgelaufen sind. Am Wochenende oder nach acht Uhr abends passiert das aber kaum, dann bieten die meisten Firmen uneingeschränktes Telefonieren an. Soll heißen: Es werden keine Minuten abgezogen. Oder nur ein paar, aber es gibt so viele, dass man die sowieso nicht aufbrauchen kann. Doch Vorsicht! Wann das Wochenende rein rechnerisch beginnt und wann die Abendstunden, legt jeder Anbieter individuell fest.

Der letzte Schock ist beim Eintreffen der ersten Handyrechnung programmiert. Abgesehen von den Einrichtungsgebühren, die von Gesellschaft zu Gesellschaft variieren, schlägt auch noch jeder Bundesstaat kräftig etwas drauf. Rätselhafte Gebühren und Steuern mit fantasievollen Namen lassen so die Handyrechnung von eigentlich 39,99 Dollar leicht auf über 50 Dollar hochschnellen.

Belohnt wird der stolze Mobiltelefonbesitzer für solche unvorhersehbaren Schrecken mit überragendem Service. Als sich neulich ein T-Mobile-Kunde darüber beschwerte, dass er in seinem Büro in Brooklyn – wohlgemerkt eine Gegend ohne Hochhäuser und mit reichlich Platz für guten Empfang – kein Handy-Signal bekomme, hielt die freundliche Service- Mitarbeiterin einen umwerfenden Rat bereit: „Fahren Sie doch zum Telefonieren in einen anderen Stadtteil.“ Kein Wunder, dass die Scheidungsrate so hoch ist.

Matthias Krause[New York]

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