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Wie viele kommen noch unter den Rettungsschirm? Oder verständigen sich die Euro-Staaten auf Instrumente, die die Krisen nicht weiter verschärfen? Foto: dapd

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Wirtschaft: Vier gehen vor

Van Rompuy, Barroso, Draghi und Juncker liefern dem EU-Gipfel die Grundlage für den Umbau Europas.

Nur eine politische Union kann die Eurozone langfristig retten. Zu dieser Überzeugung ist die hochrangig besetzte Arbeitsgruppe gelangt, die im Auftrag der Staats- und Regierungschefs Pläne für eine umfassende Antwort auf die europäische Schuldenkrise entwickeln sollte. Das Papier, das der EU-Ratsvorsitzende Herman van Rompuy zusammen mit Kommissionspräsident José Manuel Barroso, Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker und Mario Draghi, dem Präsidenten der Europäischen Zentralbank, erarbeitet hat, sieht das Ende einer rein national orientierten Politik gekommen: „Entscheidungen können nicht länger isoliert getroffen werden, wenn sie sich schnell im gesamten gemeinsamen Währungsraum auswirken.“

Der siebenseitige Bericht fasst viele bekannte Forderungen zusammen. Seine Brisanz erhält er vor allem dadurch, dass er die Entscheidungsgrundlage für die Beratungen über die Zukunft Europas beim EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag bildet.

Die vier Präsidenten der europäischen Institutionen nennen vier Baustellen, die „in den nächsten zehn Jahren“ fertiggestellt sein müssen: „Alle vier Elemente sind für langfristige Stabilität wie langfristigen Wohlstand in der Europäischen Währungsunion notwendig und verlangen viel zusätzliche Arbeit - inklusive möglicher Veränderungen der EU-Verträge.“

Das Schlagwort einer „Bankenunion“ – in Deutschland umstritten – taucht in dem Papier nicht mehr auf. Vielmehr ist nun von einem „integrierten finanziellen Rahmen“ die Rede. Gemeint ist jedoch genau dasselbe: Neben der Einlagensicherung, die im Notfall Geld aus dem Euro- Rettungsschirm ESM bekäme, soll es ein System zur geordneten Abwicklung von Pleiteinstituten sowie eine mit mehr Macht als jetzt ausgestattete EU-Bankenaufsicht geben. Diese sollte den vier Autoren zufolge „Überwachungsbefugnisse und vorsorgende Eingriffsrechte bezüglich aller Banken“ in Europa bekommen. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte zuletzt erkennen lassen, dass sie sich eine europäische Aufsicht nur für die großen systemrelevanten Banken vorstellen kann. Ob dafür die bisherige EU-Behörde in London oder die Kompetenz der Frankfurter Zentralbank ausgebaut werden soll, lässt der Bericht offen.

Der zweite Baustein ist die Fiskalunion. Ziel für die Zukunft ist es dem Strategiepapier zufolge, Obergrenzen für den Jahresetat und die Neuverschuldung gemeinsam festzulegen. Alles, was darüber hinausginge, bedürfte der Genehmigung oder könnte von Brüssel verhindert werden – das Königsrecht der nationalen Parlamente wäre perdu. Ein solches System europäischer Strenge und Sanktionen bietet nach Ansicht der Verfasser die passende Umgebung, um „mittelfristig die Ausgabe gemeinsamer Anleihen zu erörtern“. Der Weg hin zu Euro-Bonds soll „an Bedingungen geknüpft sein und schrittweise“ erfolgen, heißt es. Als möglicher Einstieg in die Gemeinschaftshaftung werden kurz laufende Anleihen („Euro-Bills“) sowie der Schuldentilgungsfonds des deutschen Sachverständigenrats erwähnt. All diese neuen europäischen Kompetenzen erforderten anschließend ein EU-Finanzministerium.

Kaum entwickelt haben Van Rompuy & Co. die gemeinsame Wirtschaftspolitik. Es ist nur von der Notwendigkeit die Rede, sich stark abzustimmen – etwa in den Bereichen Arbeitsmarkt und Steuern. Noch weniger Raum nimmt ausgerechnet der vierte Aspekt ein, den die deutsche Politik zuletzt besonders intensiv diskutiert hat: die der demokratischen Legitimation eines sehr viel stärker integrierten Europa. Lapidar wird festgestellt, es sei „essenziell, öffentliche Unterstützung aufzubauen“. Auch die Autoren selbst bieten deshalb an, noch einmal nachzulegen. Zum EU-Gipfel im Dezember, so bieten sie den Staats- und Regierungschefs an, könnten sie einen detaillierteren Fahrplan vorlegen, bereits im Oktober einen Zwischenbericht.

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