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Cyber-Kriminalitiät: Viren-Experten schlagen Alarm

Die Szenarien der Antiviren-Hersteller auf der Cebit klingen dramatisch: Die Branche befürchtet, dass sie der Lawine an kriminellen Machenschaften im Netz nicht mehr Herr wird - und fordert eine Art Internet-Interpol.

Hannover - "Wenn das Wachstum bei der Schadsoftware in diesem Tempo weitergeht, könnte unsere gesamte Branche dieser Flut irgendwann nicht mehr standhalten", sagt der angesehene russische IT-Sicherheitsexperte Eugene Kaspersky frei heraus. Kaspersky Lab, die von ihm gegründete Firma, berichtet im Internet live über entdeckte Schädlinge - neue Einträge auf dem Ticker kommen minütlich hinzu.

Der finnische Konkurrent F-Secure bekommt an besonders schlimmen Tagen schon mal 40.000 Zusendungen neuer bösartiger Programme. "Wie soll man dieser Lawine Herr werden?", fragt Kasperskys F-Secure-Kollege Mikko Hyppönen in die Runde. Sein Unternehmen setzt dafür unter anderem auf automatische Virenerkennung. "Es nicht einfach ein Kampf zwischen Sicherheitssoftware-Herstellern und Internet-Kriminellen. Es ist ein Kampf zwischen Gut und Böse", scheut Hyppönen, vor kurzem unter die 50 einflussreichsten Internet-Persönlichkeiten gewählt, keine großen Worte.

Kaspersky fordert Internet-Interpol

Totale Sicherheit gibt es nicht, hatte die Branche schon immer gewarnt. Und dem Verbraucher wird in ihrer Werbung doch immer wieder den Eindruck vermittelt, sicher unterwegs zu sein. Doch die Dämme, die Kaspersky, Symantec oder F-Secure gebaut haben, bekommen immer mehr Risse. Es ist zum einen die schlichte Masse, die ihnen zu schaffen macht. Im vergangenen Jahr wuchs die Schadsoftware-Flut um das 2,5-Fache. Für dieses Jahr rechnet Kaspersky mit einer ähnlichen Größenordnung. "Deshalb setzte ich mich für eine Art Internet-Interpol ein. Auch die beste Sicherheitssoftware allein könnte bald nicht mehr reichen." Es sei ein "gespenstisches Wettrüsten", was da vor sich gehe.

Zumal gibt es das Risiko Mensch, gegen das die Sicherheits-Branche kaum etwas ausrichten kann, und das die Internet-Kriminellen immer cleverer ausbeuten. Wenn jemand plötzlich eine drastisch überhöhte Ikea- oder GEZ-Rechnung im Mailfach entdeckt, hat man in Aufregung schnell den angeblichen PDF-Anhang angeklickt. Dumm nur, dass statt der Rechnung sich dann ein so genannter Trojaner auf den PC lädt, der entweder die gespeicherten Kontodaten ausliest oder den Rechner in eine von Kriminellen kontrollierte Spam-Werbeschleuder verwandelt.

"Wir haben es immer mehr mit einer weltweiten Industrie zu tun, die tausende Menschen beschäftigt. Ich würde mich nicht wundern, wenn sie Beträge umsetzt, die über den Erlösen der Sicherheitssoftware-Branche liegen", sagte Kaspersky. Für ein paar tausend Dollar werden im Internet fertige Schadprogramme verkauft oder auf Bestellung angefertigt. Man kann sich bei den Cyber-Kriminellen sogar schon einen von ihnen kontrollierten PC in einer beliebigen Weltregion für seine Aktivitäten mieten. Der Besitzer merkt meistens nichts davon. Die "Könige des Spam" - angeblich in China, Russland, Lateinamerika - sollen damit Millionen verdienen.

Unsummen für Programmierer

Das Internet kennt keine Grenzen und das verschafft den Viren-Schreibern einen klaren Vorteil. Die Verfolgung durch nationale Polizeibehörden hört meistens immer noch an der Landesgrenze auf. "Sie brauchen keine Angst zum Beispiel vor brasilianischen Autodieben zu haben", formuliert es Hyppönen. Die Attacken auf den PC können aber von jedem Ort der Welt aus kommen. Gerade in den ärmeren Regionen ist die Verlockung groß, auf diese Weise schnell gutes Geld zu verdienen. "In der Szene werden guten Programmierern Beträge gezahlt, mit denen ich nicht mithalten kann", räumt die russische Kaspersky-Firmenchefin Natalja Kaspersky ein. Daher wechselten junge begabte Leute schnell auf die "dunkle Seite".

Chefentwickler Kaspersky sieht daher die Kampagne für eine stärkere Verbreitung Internet-tauglicher Computer in Schwellenländern und der Dritten Welt mit besonderer Sorge. "Aus Afrika kommt heute so gut wie keine Schadsoftware. Wenn Afrika dazukommt, wird der Druck noch größer werden", warnt er. "Und sollte irgendwann ein Prozent der Chinesen kriminell im Netz aktiv werden, können wir einpacken." (Von Andrej Sokolow, dpa)

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