zum Hauptinhalt

Wirtschaft: VW durfte Skandal-Manager kündigen

Klaus-Joachim Gebauer, Schlüsselfigur der Sexaffäre, verliert vor dem Arbeitsgericht

Braunschweig - Klaus-Joachim Gebauer verzieht keine Miene, seine Gesichtsfarbe nimmt einen dunkelroten Ton an. Es ist 13.10 Uhr, und im Landgericht Braunschweig weist Richter Ralf Zimmermann gerade Gebauers Klage auf Wiedereinstellung im Volkswagenkonzern ab. Zweieinhalb Stunden zuvor hatte der Betreuer des VW-Betriebsrats und einer der Hauptakteure in der Wolfsburger Sex-and-Crime-Affäre vor dem Sitzungssaal 141 noch genüsslich ein Zigarillo geraucht.

Eigentlich hat es der 34-jährige Richter nur mit einer Kündigungsschutzklage zu tun. VW hatte Gebauer, ehemals enger Mitarbeiter von Personalvorstand Peter Hartz, fristlos entlassen, weil der 61-Jährige zusammen mit anderen ein weltweites Netz an Tarnfirmen aufgebaut, Schmiergelder gezahlt und Belege falsch abgerechnet haben soll. Und weil Gebauer eine der Schnittstellen möglicher krimineller Machenschaften ist, muss der Richter sich weit in das Dickicht der Affäre vorwagen.

Wenn er Gebauer fragt, antwortet meist dessen Anwalt Wolfgang Kubicki. Sein Mandant guckt dann mürrisch vor sich hin, hält sein Gesicht in eine Faust gestützt und blinzelt angewidert herüber zu den Anwälten von VW, die zu dritt erschienen sind. Zimmermann will wissen, ob Gebauers Konto bei der Sparkasse, von dem aus zahlreiche Rechnungen beglichen wurden und auf das wiederum von einem VW-Konto mit der Nummer 1860 Geld eingegangen ist, nur für dienstliche Zwecke verwendet worden sei oder auch für private. Gebauer murmelt erst „rein dienstlich“, auf Nachfrage gibt er „private Zwecke“ zu.

Das Konto 1860 bei VW, das nach Konzernangaben unter dem Namen „Diverses“ lief, laut Kubicki aber „Konto Vorstand, das Spesenkonto von Hartz“ war, spielt eine besondere Rolle. Immer wieder wurden Rechnungen, die Gebauer erst privat bezahlte, von VW beglichen, allerdings über Ersatzbelege. „So war es vereinbart“, sagt Kubicki. VW sagt, dabei sei anscheinend bei Gebauer etwas privat hängen geblieben. Auf Gebauers Konto sollen über 700 000 Euro jährlich bewegt worden seien.

Während VW Gebauer als einen der wenigen Kriminellen im Konzern outen will, versucht Kubicki stets das „System VW“ zu betonen, redet viel von Hartz und Schuster und stellt seinen Mandanten als Befehlsempfänger dar. Richter Zimmermann lässt sich nicht beirren und schreitet bei verbalen Scharmützeln schnell ein. Bevor er in die Beratung entschwindet, sagt er ironisch: „Ich traue mich gar nicht zu fragen, ob Sie sich gütlich einigen wollen.“

Kubicki sagt, Gebauer habe quasi nur das getan, was Hartz ihm aufgetragen habe, das Geld sei ausschließlich für Bordellbesuche, Prostituierte, kurz: fürs Vergnügen ausgegeben worden. Zimmermann will es genauer wissen, fragt nach Belegen für Rechnungen, die doppelt auftauchen. Gebauer kann die Fragen nicht beantworten, und so urteilt Zimmermann am Ende: „Im Ergebnis geht die Kammer davon aus, dass dem Kläger der Vorwurf zu machen ist, Schmiergeld angenommen und Spesen doppelt abgerechnet zu haben.“ Kubicki nennt das Urteil „extrem mutig“ und will eine Berufung prüfen.

Aus lauter Sorge vor zu viel Andrang war das zuständige Arbeitsgericht ins Landgericht umgezogen, im großen Sitzungssaal wird normalerweise über Mord- und Totschlag befunden. So weit ist es bei VW nicht gekommen, aber manchem Gerichtsdiener kommen die angesprochenen „Geschichten schon ungeheuerlich genug“ vor. Wie hatte Gebauer doch kürzlich gesagt: „Unser System war perfekt, alles war großartig verschleiert.“ Als das Urteil gesprochen ist, und die Kameras ihn wieder ins Visier nehmen, gähnt der Ex-Manager, sein weißes Hemd spannt über dem Bauch, er wirkt seltsam teilnahmslos.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false