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Wirtschaft: Wachstum, das wehtut

Toyota ist bald der größte Autohersteller der Welt. Doch die Qualität leidet

Düsseldorf - Mit der Qualität ihrer Fußmattenhalter hatten sich vermutlich die wenigsten Fahrer der Toyota-Luxuslimousine Lexus beschäftigt, bevor ihnen jüngst ein Brief des Kraftfahrtbundesamtes ins Haus flatterte. Bei knapp 3000 in Deutschland verkauften Wagen drohten sich die Clips zu lösen und die Funktion des Gaspedals zu beeinträchtigen – was den Spaßfaktor der Nobelkarossen wohl nachhaltig geschmälert hätte. Sie müssen jetzt in die Werkstatt. Den Zwischenfall dürften die Toyota-Manager jedoch nicht bloß mit einem Schulterzucken quittiert haben. Denn er reiht sich ein in eine Serie von Rückrufen, die dem japanischen Hersteller allmählich wehtun.

Wegen derselben vermeintlichen Fußmatten-Lappalie rief Toyota in den USA 370 000 Halter von Lexus-Sportgeländewagen auf, ihre Autos in die Werkstatt zu bringen. Zuvor hatte der als Qualitätsweltmeister gepriesene Konzern weltweit 420 000 Autos verschiedener Modelle wie Yaris und Corolla wegen eines Motorschadens zurückgerufen. Hier zu Lande hat Toyota in der ersten Hälfte 2006 insgesamt 100 000 Autos zurückgerufen.

Auf dem Weg zum größten Autohersteller der Welt – Toyota wird wohl noch 2006 General Motors mit knapp neun Millionen produzierten Autos jährlich überholen – muss sich Toyota nun also mit defekten Felgen, Kurbelwellensensoren und Fußmatten-Clips herumschlagen. „Ich fühle mich beschämt, den Kunden solche Sorgen zu bereiten“, bekannte sich der aus der Gründerfamilie stammende Vizevorstandschef Akio Toyoda in einer bei westlichen Konzernlenkern eher unbekannten Offenheit zu den Problemen.

Experten sind sich weitgehend einig, dass gerade der rapide Expansionskurs der Japaner sie bei der Qualität ins Schleudern bringt. „Es war immer Toyotas Stärke, solche Kleinigkeiten zu vermeiden, wie sie jetzt auftreten“, sagt Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer von der Fachhochschule Gelsenkirchen. „Aber bei dem Volumen, um das Toyota jährlich wächst, schleichen sich Fehler ein.“

Allein 2005/2006 produzierte Toyota weltweit 566 000 Autos mehr als im Geschäftsjahr zuvor. In den USA, dem wichtigsten Automarkt der Welt, steigerte das Unternehmen seine Absatzzahlen zuletzt meist deutlich im zweistelligen Prozentbereich. In Europa gewinnt der Konzern ebenfalls beständig Marktanteile. Mit dem Resultat, dass das Unternehmen von einem Rekordgewinn zum nächsten eilt. 2005/2006 wies Toyota ein Nettoergebnis von knapp zehn Milliarden Euro aus, ein Plus von fast 20 Prozent.

Dass der Konzern rasant wächst, bedeutet auch, dass er ständig neue Mitarbeiter und Zulieferer in das anspruchsvolle System Toyota integrieren muss. So lernen die Arbeiter bei Toyota, das Band selber anzuhalten, wenn sie Mängel am Fahrzeug entdecken. Bei anderen Herstellern wird die Qualität dagegen erst am Ende des Fertigungsprozesses kontrolliert. „Wer zu uns kommt, tritt in eine völlig andere Kultur ein“, sagt Toyota-Deutschland-Sprecherin Petra Alefeld-Wehner. „Und das braucht einfach seine Zeit.“

Toyotas spektakuläre Erfolge kommen somit im Bumerang-Effekt zurück, weil neue Arbeiter in Tschechien, den USA oder Kanada nicht immer sofort so reagieren, wie es sich die Chefstrategen in Tokio wünschen. Ähnliches gilt für die Zulieferbetriebe. „Das Risiko von Qualitätsproblemen nimmt bei Toyota zu, weil das gesamte Wachstum außerhalb Japans stattfindet“, sagt Ex-BMW-Chefvolkswirt Helmut Becker, der Toyotas Erfolgsgeschichte in einem Buch analysiert hat. „Wachstumsschmerzen“ nennt er das.

In wichtigen Statistiken zur Beliebtheit von Automarken haben Toyotas Probleme bereits Spuren hinterlassen. So rutschten die Japaner in der ADAC-Pannenstatistik 2006 von Rang drei auf vier ab. In der Deutschland-Statistik des US-Maktforschers JD Power liegt Toyota dagegen mit vier von sieben möglichen ersten Plätzen weiter an der Spitze. Dennoch sei auch hier ein leichter Abwärtstrend zu erkennen, sagt Martin Volk, der die Untersuchung geleitet hat. „Der Abstand wird enger.“

Nils-Viktor Sorge

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