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Wirtschaft: Wahlkampfshow statt Krisengipfel

DRESDEN .Die Kreditgenossenschaften laden zu ihrem Familientreffen.

DRESDEN .Die Kreditgenossenschaften laden zu ihrem Familientreffen.Der große Verbandstag, der alle vier Jahre stattfindet, wird heute in Dresden eröffnet.Im Mittelpunkt der zweitägigen Zusammenkunft stehen aber nicht die Probleme der genossenschaftlichen Bankengruppe, sondern die Auftritte prominenter Politiker kurz vor der Bundestagswahl.Der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) bietet dem Unionsvorsitzenden Wolfgang Schäuble, dem SPD-Kanzlerkandidaten Gerhard Schröder, dem FDP-Chef Wolfgang Gerhardt und Bundeskanzler Helmut Kohl eine Wahlkampfplattform vor 3000 Spitzenvertretern der Kreditgenossenschaften.Verbandsfürsten, von deren Arbeit sonst wenig zu hören ist, mögen hoffen, daß ein wenig von dem Glanz der Prominenz auf sie abstrahlt.

Dabei haben die Institute eigentlich ganz andere Sorgen.Die niedrigeren Zinsen verhageln den Kreditgenossenschaften stärker die Ergebnisse als vielen Privatbanken, die mit höheren Anteilen im zinsunabhängigen Geschäft solche Durststrecken besser durchstehen.Weitaus größere Aufmerksamkeit verdienen aber wohl die Schieflagen bei einzelnen Kreditgenossenschaften.Rechnete der BVR nach einer Umfrage bei seinen Mitgliedsinstituten zunächst noch mit einem Sanierungsaufwand von 280 Mill.DM in diesem Jahr, so kursierte im Frühjahr bereits der Betrag von 1,4 Mrd.DM.Zwar ist es richtig, daß manch fauler Kredit, der eine kleine Genossenschaftsbank in Ostdeutschland zwingt, die Hilfe der Sicherungseinrichtungen in Anspruch zu nehmen, in der Bilanz einer Großbank unbemerkt verschwindet.Aber das ist kein Trost für das gefährdete Institut oder seine Kunden.Zumal auch die große Mehrzahl der mit mehr Fortüne arbeitenden Genossenschaftsbanken über einen Anstieg der Verbandsumlage für die schlechten Ergebnisse ihrer Kollegen mit geradestehen.

So scheint die Kritik des Bundesaufsichtsamtes berechtigt.Drei Defizite beunruhigen die Bankenaufsicht: Die Kreditgenossenschaften müssen sich ihnen im härter werdenden Bankenmarkt stellen.Erstens: Wie lange wollen sich in vielen Städten noch mehrere Volks- und Raiffeisenbanken Konkurrenz machen und schwächen, anstatt zu fusionieren?

Mit den Schieflagen bei einzelnen Instituten gerät zweitens auch die Qualifikation der Bankleiter ins Visier der Aufsicht.Für eine dezentrale Gruppe mit knapp 2400 selbständigen Volks- und Raiffeisenbanken und rund 5000 Vorständen ist die Aus- und Fortbildung ein zentraler Erfolgsfaktor.Auch wenn schon sehr viel getan wird, sind weitere Anstrengungen nötig.

Und drittens werfen die aufgetretenen Schieflagen auch die Frage nach der Qualität der Bilanzprüfung auf.Es geht nicht, daß Verbandsprüfer - wie von einigen Instituten vor Ort kritisiert - "Angst und Schrecken" verbreiten, aber wenig betriebswirtschaftliche Hilfestellungen leisten.

Gefordert sind also genossenschaftliche Verbände, die prüfen, die die Aus- und Fortbildung organisieren und Fusionen voranbringen.Bedauerlicherweise leisten sich die Genossenschaftsbanken ein Verbandswesen, das mit Blick auf den künftigen Bankenmarkt in Europa nur noch anachronistisch genannt werden kann.Außer dem Bundesverband gibt es noch elf Regionalverbände, in denen teilweise weniger als 100 Kreditgenossenschaften betreut werden.Insider spotten über ein Management wie in den 60er Jahren.Fusionen zwischen den Regionalverbänden scheitern an landsmannschaftlichen Differenzen und persönlichen Vorbehalten.Der größte Vorteil der Volks- und Raiffeisenbanken ist nach wie vor ihre flächendeckende Präsenz, ihre dezentrale Struktur und ihre Verbundenheit mit ihren Mitgliedern und Kunden vor Ort.Zugleich liegt in dieser Zersplitterung aber auch die größte Gefahr.

HARALD DÜREN (HB)

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