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Walter Kohl (l.) und sein Unternehmenspartner Frank Kübler.

© Doris Spiekermann-Klaas

Walter Kohl coacht jetzt Manager: „Führungskräfte arbeiten sich oft an Privatem ab“

Walter Kohl, Sohn des Ex-Bundeskanzlers, coacht jetzt Führungskräfte. Mit seinem Partner Frank Kübler will er den Markt verändern.

Von Maris Hubschmid

Herr Kohl, was qualifiziert Sie zum Führungskräftecoach?
KOHL: Der Kunde qualifiziert den Anbieter durch seine Nachfrage. 2013 habe ich auf Wunsch vieler Leser meines ersten Buches „Leben oder gelebt werden“ den Ratgeber „Leben, was du fühlst“ veröffentlicht und das „Zentrum für eigene Lebensgestaltung“ gegründet, im Rahmen dessen ich Vorträge, Seminare und Coachings anbiete. Daraufhin hat die Firma Synk mich angesprochen. Unsere Werte und Gedanken sind sehr artverwandt.

Die Synk Group ist auf Führungskräfte spezialisiert.
KOHL: Meine Adressaten sind Menschen aus allen Schichten, die neue Antworten auf alte Belastungen und somit inneren Frieden suchen. Als Führungskraft ist man im Kern ja auch ein Mensch, das wird leider manchmal vergessen.
KÜBLER: Uns geht es darum, die Leistungsfähigkeit der Menschen zu erhalten und zu steigern. In Zeiten, da die Produktionsprozesse noch und nöcher optimiert sind, ist sie das wichtigste Gut.

Herr Kübler, was bringt Walter Kohl mit, das Ihrem Unternehmen gefehlt hat?
KÜBLER: Wichtig für uns ist Authentizität – dass Methoden in der Praxis funktionieren. In seinem zweiten Buch beschreibt Walter Kohl am eigenen Beispiel, wie man mit fünf Schritten zur Versöhnung finden kann. Etwas Glaubwürdigeres gibt es nicht. In seinem Fall ist das zudem viel schwieriger und tiefgreifender als im Geschäftskontext, in dem es eher darum geht, dass ich mit meinem Chef nicht auskomme oder mit den Marktbedingungen hadere.

Sie beide sagen: We change leadership. Was ist das Neue an Ihrem Ansatz?
KÜBLER: Wenn Sie ein zweitägiges Seminar machen, sind die Teilnehmer wenn es gut läuft motiviert und die Maßnahme gilt als erfolgreich. Fragt man nach zwei bis drei Wochen, was verändert werden konnte, ist das relativ wenig bis gar nichts. Manchmal hat man sogar einen Zustand geschaffen, der schlechter ist als vorher, weil die Menschen auf ein Problem gestoßen wurden, aber allein nicht in der Lage sind, es anzugehen. Deshalb haben wir 2007 eine Lernplattform etabliert, die sowohl auf die Seminare vorbereitet, als auch Begleitung im Nachhinein bietet – mindestens sechs Monate lang.

Warum braucht es überhaupt Führungskräftecoaching?
KOHL: Ohne die Führung kann es keine Veränderungen in einem Unternehmen geben.

Was sind die häufigsten Probleme von Führungskräften?
KOHL: Das klassische Problem ist die Verwechslung von Autorität und autoritär. Autorität ist das, was von innen kommt, die Fähigkeit, in der Sache und in der Persönlichkeit zu führen und nicht durch die berühmten Sterne auf der Schulter. Warum verwechseln Menschen das? Weil Menschen unsicher sind. Warum sind Menschen unsicher? In der Regel, weil sie mit sich selbst eine ungelöste Thematik haben. Menschen sind ja immer auch Vater oder Mutter, Freund oder Freundin, Bruder oder Schwester, Sohn oder Tochter – und arbeiten sich im Beruf oft indirekt an Privatem ab.

KÜBLER: Als Führungskraft, gerade als Anfänger, ist man geneigt, mehr Kontrolle ausüben zu wollen, wenn die Komplexität steigt. Das führt zu Ärger und Vertrauensverlust im Team und oft zu Überforderung bei der Führungskraft. Besser ist: Man macht den Mitarbeitern den Sinn einer Unternehmung wirklich begreiflich, dann arbeiten sie auch darauf hin.

KOHL: Wir haben immer eine doppelte Verantwortung: Die für das, was wir tun und die für das, was wir nicht tun. Das ist auch ein kulturelles Thema. Viele Leute in diesem Land glauben, wenn ich nichts tue, habe ich auch keine Verantwortung. Das ist ein Irrtum. Nichts zu tun ist auch eine Entscheidung.

Viele Führungskräfte haben Angst

Herr Kohl, Sie haben lange Jahre im Ausland gelebt. Gibt es etwas, das wir in Sachen Personalführung von anderen Ländern lernen können?
KOHL: Ich denke, dass wir in Deutschland im Hinblick auf Unternehmensführung viele Ressourcen haben, die wir noch nicht gehoben haben. Viele Führungskräfte haben Angst vor gefühltem Macht- und Kontrollverlust. Das bindet Unmengen Energie und hemmt die Weiterentwicklung – sowohl als Person als auch als Unternehmen.

Wie wird man diese Angst los?
KOHL: Angst sollte ein Thema sein, das wertungsfrei und ohne Scham besprochen werden kann. Leider haben wir häufig ein schwieriges, ja verklemmtes Verhältnis zu Themen wie Angst oder Macht. Beide sind etwas natürliches und gehören zum Leben wie Schwerkraft.

KÜBLER: Wenn ich delegiere, muss ich mir Zeit nehmen, das Ziel genau zu erklären – und die anderen machen lassen. Und ich muss begreifen, dass anders nicht immer schlechter ist. Manchmal muss man drei Komfortzonen überspringen, um ein wichtiges Ziel zu erreichen, darf sich nicht über Details streiten.

Unterscheiden sich politische Machtpositionen von solchen in der Wirtschaft?
KOHL: Ob in einer Partei, einer großen Organisation wie Kirche, Militär oder Unternehmen aller Größenordnungen, die Aspekte der Führung sind die gleichen, weil sich die gleichen Fragen im Umgang mit Menschen stellen. Allerdings beinhaltet ein politisches Amt wie das des Bundeskanzlers eine extreme mediale Zusatzbelastung und auch das Thema Wahlkämpfe gibt es so in der Wirtschaft nicht. Auch wird in der Wirtschaft zumeist deutlich besser verdient, so dass die persönlichen Freiheitsgrade dort höher sind.

Muss man Führungskräfte ab und zu daran erinnern, dass es ein Leben außerhalb der Arbeit gibt?
KOHL: Meine Fragen lauten in solchen Fällen: Für was leben Sie? Für den Job? Die Anerkennung, das Prestige? Das Geld? Was soll in Ihrem Leben wichtig sein und was soll von Ihnen bleiben? Ich glaube, dass solche Fragen sehr helfen, den Blick für das, was die eigene Lebensfreude ausmacht, zu schärfen.

Gibt es Situationen, in denen Sie Menschen raten, sich das mit dem Chefposten nochmal zu überlegen?
KOHL: Ich habe mehrfach Menschen gesagt: Ich glaube, Sie sind besser als Spezialist denn als Führungskraft. In der Regel war beim Gegenüber dann auch eine Erleichterung erkennbar, dass man ehrlich gesprochen hatte. Ehrlich heißt ja auch wertschätzend.

Kommen die Führungskräfte stets freiwillig in Ihre Seminare?
KÜBLER: Die Illusion, dass wir mit unseren Ideen 100 Prozent erreichen, sollten wir nicht haben. Aber bei denen, die sagen: Das macht alles gar keinen Sinn, muss man auch überlegen, ob sie als Führungskraft geeignet sind.

Haben sich die Herausforderungen für Führungskräfte verändert, wie sich auch der Führungsstil verändert hat?
KOHL: Ich glaube, dass die heutige Echtzeit-Situation durch Mails, diese permanente Erreichbarkeit, einen Menschen ganz anders fordert. In wenigen Jahren hat sich unser Arbeitsumfeld rasant beschleunigt. Bei einem meiner ersten Jobs gab es einen Computer, der mit einem Einkaufswagen herumgefahren wurde, damit ihn jeder mal nutzen konnte.

KÜBLER: Wenn ich heute eine Führungsrolle übernehme, muss ich mir darüber im Klaren sein, dass ich immer auf dem neuesten Stand sein muss und Handlungen schnell eine Dynamik entwickeln. Wenn ich mich häufig kollegial austausche, sicherere ich mich ab.

Herr Kohl, Sie haben von sich geschrieben, dass es eine Zeit gab, in der Sie so unsicher und verzweifelt waren, dass Sie kurz vor dem Suizid standen. Da kam einiges zusammen: Die Parteispendenaffäre, das Scheitern Ihrer ersten Ehe, der Freitod Ihrer Mutter. Gibt es eine Botschaft, die Sie damals gern früher verinnerlicht hätten?
KOHL: Meine Botschaft lautet: Finde Frieden mit Deiner Vergangenheit, Sinn für Deine Zukunft und ernte dadurch Kraft und Lebensfreude für Deine Gegenwart.

Zur Person

Walter Kohl

wurde 1963 als Sohn von Helmut und Hannelore Kohl geboren und war als Bankanalyst sowie in Industrie und Handel tätig. 2005 machte er sich selbstständig. Den Betrieb, einen Automobilzulieferer, leitet jetzt seine Frau. Zum Vater hat er keinen Kontakt.

Die Firma

Die Synk Group mit Standorten in Hamburg, Berlin, Stuttgart und München begleitet seit 2001 Dax-Konzerne und mittelständische Unternehmen. Mehr als 20 000 Führungskräfte haben seither an den Trainings teilgenommen. Frank Kübler (44) ist Betriebswirt und einer der Gründer und Geschäftsführer.

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