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Ungewisse Zukunft: Langfristig gesehen ist der Dax bisher gestiegen.

© REUTERS

Börse und Geldanlage: Warum sich Aktien langfristig lohnen

Der Dax steigt, doch viele Kleinaktionäre sind nicht dabei – das ist ein Fehler. wer lange genug an der Börse dabei bleibt, erzielt in den meisten Fällen eine gute Rendite.

Alle rätseln: Wohin treiben die Aktienmärkte? Steuert die Kurs-Rallye auf ihr Ende zu? Hinter Dax, Dow Jones, Euro Stoxx 50 und den meisten anderen großen Indizes liegen glänzende Monate. Bis Anfang dieser Woche hatte der deutsche Leitindex Dax ein Jahresplus von knapp 2000 Punkten oder 27 Prozent angehäuft und beinahe im Tagesrhythmus neue Allzeithochs erklommen. Selbst nach dem jüngsten Abwärtsrutscher von knapp 300 Punkten sind es immer noch 24 Prozent. Auch in den USA, an anderen europäischen Börsen und in Asien erzielten die marktbreiten Börsenbarometer Jahresgewinne von bis zu 70 Prozent.

Klar ist jedoch auch: Die weitaus meisten Privatanleger haben diesen Aufschwung verpasst. Über 85 Prozent der Deutschen, so die jüngsten Zahlen des Deutschen Aktieninstituts (DAI), sind nicht an den Börsen investiert, weder direkt über Aktien noch indirekt über Fonds. Im Vergleich zu 2012 hatten bis Mitte 2013 sogar per Saldo rund 100 000 Anleger das Handtuch geworfen und sich aus Aktien und Fonds verabschiedet. Angst vor Verlusten, generelle Skepsis, schlechte Erfahrungen und fehlendes Wissen vermutet das Aktieninstitut als Gründe dafür.

LANGFRISTIG IM PLUS

Auch wenn die Zukunft niemand kennt, so zeigen die nackten Zahlen in der Rückschau: Die Angst ist nicht berechtigt, solange eine Faktor gegeben ist – Langfristigkeit. In allen Anlagezeiträumen zwischen 1964 und 2013, so hat das DAI ausgerechnet, hat ein Anleger ausnahmslos eine positive Rendite mit den 30 Dax-Werten erzielt, sobald er mehr als 14 Jahre investiert war. Auf Sicht von fünf bis zehn Jahren hingegen zeigen sich einzelne negative Zeiträume, vor allem dann, wenn die Crashjahre 2000 und 2007 dabei sind.

Langfristig jedoch haben Anleger mit der Strategie des sturen Haltens, auch über zwei Crashs hinweg, gute Renditen erzielen können: Wer beispielsweise 1994 gekauft und 14 Jahre später, mitten im Crash 2008, wieder verkauft hat, konnte eine jährliche Rendite von 6,1 Prozent mit den Dax-Papieren einfahren. Bei 20-jährigem Anlagehorizont lagen die Ergebnisse nie unter 5,3 Prozent pro Jahr – und gingen in besonders vorteilhaften Zeiträumen bis zu 14 Prozent.

„Was die letzten 100 Jahre galt, wird vermutlich auch für die kommenden 100 gelten“, sagt auch Nils Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Die Renditen von Aktien lägen im Schnitt eben um vier Prozentpunkte über den Anlagezinsen. Aktien seien „für junge Menschen Pflicht“. Auch ältere Menschen könnten in Aktien anlegen, wenn daneben genug Geld für Notfälle und für die Alterssicherung vorhanden sei.

Gerade in der aktuellen Situation, nach einer langen Hausse, sind viele Anleger noch vorsichtiger als sonst. Es kursiert die Sorge, die US-Notenbank könnte nach guten Konjunkturdaten – etwa den neuen Arbeitsmarktzahlen am Freitag – früher als gedacht beschließen, die Versorgung der Kapitalmärkte mit frischem Geld zu verringern. Derzeit erhöhen Monat für Monat 85 Milliarden Dollar laufend die Liquidität. Da gleichzeitig die Zinsen weiter tief sind, Rohstoffe und Anleihen schwächeln, fließt viel Geld in Aktien. Stoppt die Notenbank die Druckerpressen, dann könnte den Börsen der Treibstoff ausgehen.

Eine echte Kehrtwende der Märkte befürchten jedoch nur wenige. Der US-Ökonom und Nobelpreisträger Robert Shiller warnte kürzlich, vor allem die Aktienmärkte in den USA seien nicht mehr billig, eine „Blase“ entstehe. Eine von ihm errechnete Kennzahl zur Bewertung der Börsen („Shiller-KGV“) liege derzeit 50 Prozent über dem langjährigen statistischen Mittel. Allerdings: Fallen die Kurse deutlich oder steigen die konjunkturellen Erwartungen, fällt die Kennzahl rasch.

Zudem ist nachgewiesen: Time schlägt Timing, Zeit schlägt Zeitpunkt. Für den Anlageerfolg, bestätigen etwa die Untersuchungen von Martin Weber, Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Universität Mannheim, sei es langfristig unerheblich, zu welchem Zeitpunkt ein Anleger einsteige. Denn das richtige Timing gelinge niemandem nachhaltig, weder einer Bank noch einem Wissenschaftler noch einem Privatanleger. Man müsse deshalb die Vergangenheit ausblenden und könne mit langfristigem Anlagehorizont jederzeit einsteigen, auch nach einer langen Aufwärtsbewegung wie derzeit.

ZEIT UND ZEITPUNKT

Auch Verbraucherschützer Nauhauser widerspricht hier nicht: Entscheidend für Art und Umfang eines Engagements in Aktien sei nicht der Zeitpunkt, sondern einzig die grundsätzliche Risikobereitschaft des Anlegers. Sie allein bestimme „Zeitpunkt und Dosis an Aktien“. Ob es der richtige oder falsche Zeitpunkt gewesen sei, könne jeder ohnehin nur in der Rückschau feststellen. Nauhausers Schlussfolgerung: „Timing wäre schön, funktioniert aber nicht.“ Nicht wenige Anleger setzen schon seit Wochen auf eine Korrektur und warten auf Einstiegskurse. Gleichzeitig sind die Kurse bis Dienstag beharrlich gestiegen, so dass der Kauf selbst nach einem Rücksetzer teurer sein könnte als noch vor wenigen Wochen. Anfang September etwa notierte der Dax noch 1000 Punkte tiefer.

Wie gering der Einfluss des idealen Kaufzeitpunkts auf die Wertentwicklung langfristig ist, hat die Fondsgesellschaft Fidelity auch rechnerisch bestätigt. Dazu hat Fidelity drei fiktive Typen von Anlegern verglichen, die jeweils zu unterschiedlichen Zeitpunkten in Aktien investieren und sie langfristig halten. Da ist zum einen der Pechvogel, der am Höchstkurs eines Jahres eingestiegen ist, der Magier, der den tiefsten Kurs erwischt hat, und der Anleger, der einfach entspannt bleibt und zufällig am Jahresbeginn gekauft hat. Das erstaunliche Ergebnis: Wer 1988 am Top gekauft und nach 25 Jahren Mitte 2013 wieder verkauft hatte, mehrte sein Geld um 7,75 Prozent pro Jahr. Der Glückspilz mit dem niedrigsten Kaufkurs schaffte nur 0,75 Prozentpunkte mehr, der entspannte Zufallskäufer zum Jahresbeginn erzielte nur hauchdünn weniger als der Magier.

Fidelity berechnete andere Zeiträume und andere Indizes, stets mit ungefähr gleichem Ergebnis: Langfristig verliert der richtige Zeitpunkt an Bedeutung. Das gilt auch für regelmäßiges Investieren: Wer etwa zwischen 1979 und 2011 jedes Jahr am Jahresbeginn 100 Euro in den deutschen Aktienmarkt gesteckt hat, erzielte am Ende 4,97 Prozent pro Jahr. Der Glückspilz schaffte 5,39 Prozent und der Pechvogel kam immer noch auf 4,54. „Taktisches Abwarten macht nur bei kurzen Anlagehorizonten Sinn, weil sich der Einstiegskurs dann deutlicher auf die Gesamtrendite auswirkt“, sagt Fidelity-Sprecherin Anna Corinna Hummel.

Bleibt die Frage: Welche Papiere eignen sich für sehr langfristiges Investment? Während die Fondsgesellschaften auf aktiv gemanagte Fonds verweisen, raten Wissenschaft und Verbraucherschutz nur zu passiven Titeln, also Indexfonds. Damit orientiert sich die Geldanlage direkt an der Entwicklung des Gesamtmarktes, versucht also erst gar nicht, besser zu sein als alle. Die positiven Ergebnisse langfristigen Aktienengagements in der Vergangenheit gelten auch nur für komplette Märkte oder einen Aktienkorb (etwa die 30 Dax-Aktien), nicht jedoch für einzelne Aktien.

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