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Ohne Gesicht. Die Maske ist das Erkennungszeichen der Hackergruppe Anonymous. Vor allem mit Beginn der Occupy-Proteste im vergangenen Jahr wurde sie als Symbol der Globalisierungskritiker bekannt.

© picture alliance / dpa

Hacker-Attacke: Was ein Internet-Blackout für die Wirtschaft bedeuten würde

Das Hackernetzwerk Anonymous droht, am Sonnabend das Internet lahmzulegen. Das Szenario ist schon als Gedankenspiel bedrohlich.

Eine weiße Seite. Mehr soll nicht übrig bleiben vom Internet. Am heutigen Sonnabend will die Hackergruppe Anonymous die 13 zentralen Namensserver des Internets (DNS) so massiv mit Anfragen bombardieren, dass sie mindestens für ein paar Stunden zusammenbrechen. Übliche Internetadressen wie zum Beispiel www.tagesspiegel.de könnten nicht mehr zugeordnet werden. In einer Ankündigung des Hackernetzwerks heißt es, man wolle mit der „Operation Global Blackout“ unter anderem gegen die Skrupellosigkeit der Banker protestieren. Adressat der Attacke ist also die Finanzwirtschaft – am Wochenende bleiben jedoch die Börsen geschlossen.

Dennoch ist das Szenario schon als Gedankenspiel bedrohlich, zumal der Erfolg einer solchen Operation Experten nicht unrealistisch erscheint. „Ich halte es durchaus für möglich, dass eine Hackergruppe das Internet lahm legen kann“, sagt Sebastian Schreiber. Als Chef von Syss berät er Unternehmen, wie sie ihre Netzwerke gegen Angriffe schützen und vor einem totalen Ausfall bewahren können. Das Weltwirtschaftsforum hat errechnet, dass ein temporärer Ausfall – flächendeckend für wenige Tage – etwa 250 Milliarden Dollar kosten würde. Das war allerdings im Jahr 2008. Allein in dieser kurzen Zeitspanne ist die Vernetzung der Prozesse in der Wirtschaft enorm vorangeschritten.

Wie hoch der Schaden eines teilweisen oder vollständigen Internetausfalls inzwischen wäre, traut sich deshalb kaum ein Experte zu beziffern. IT-Berater Schreiber, der für Kunden wie die Basler Versicherung oder SAP arbeitet, schätzt das Volumen bei einem Tag ohne das Netz auf zehn Prozent des täglichen Welthandels. Georg Erber vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung hält das hingegen für reine Spekulation. Zu viele Unbekannte seien in einer solchen Rechnung enthalten. Ein wesentlicher Faktor sei die Zeit. „Es ist ganz entscheidend, wie lange ein Ausfall dauern würde“, sagt er. Ein einziger Tag ohne das weltweite Netz könnten viele Branchen wohl ohne größere Nebenwirkung verkraften. An den Börsen etwa regieren die Computer. Aktien werden in Sekundenbruchteilen gekauft oder abgestoßen, um den idealen Kurs zu erzielen. „Bei Finanzdienstleistern wäre es wie ein Bank-Holiday – was heute nicht gehandelt werden kann, wird eben morgen gehandelt“, sagt Erber. Mit jedem Tag Ausfall würden die Probleme hingegen kumulieren.

„Die meisten Prozesse in Wirtschaft und Verwaltung sind inzwischen internetbasiert“, sagt Matthias Gärtner vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik. Waren werden nicht gelagert, sie werden just-in-time geliefert, teilweise über Kontinente hinweg. Ist der Bestellweg abgeschnitten, reißt die Lieferkette. Hinzu kommen die Geschäfte, die direkt über das Internet abgewickelt werden, zum Beispiel der Schuhkauf im Online-Shop oder die Urlaubsbuchung per Mausklick. Eine repräsentative Umfrage des IT-Branchenverbands Bitkom und des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln belegt, dass die Hälfte der Firmen hierzulande in hohem Maße auf das Internet angewiesen ist. Für ein Drittel spielt das Internet eine untergeordnete Rolle.

Lediglich jedes fünfte Unternehmen arbeitet vollständig offline. Knapp 30 Prozent der befragten Unternehmen gaben an, einen Großteil ihrer Güter über das Internet zu beziehen. Und zwölf Prozent erlösen einen großen Teil ihres Geschäfts über das Netz. Bei Großunternehmen ist der Anteil tendenziell geringer als bei kleineren. Angesichts dieser Zahlen ist man bei Bitkom erstaunt über die laxe Haltung vieler Unternehmen bezüglich ihrer IT-Sicherheit. Nicht einmal jedes zweite Unternehmen verfüge über einen Notfallplan gegen Hackerangriffe oder Ausspähattacken auf die hauseigenen Netzwerke, sagt Axel Pols, Chefvolkswirt des IT-Verbands. Nicht nur sie können darauf hoffen, dass diejenigen Stimmen im Netz Recht behalten, die „Operation Global Blackout“ für einen verfrühten Aprilscherz halten.

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