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Wirtschaft: Watchlist des DSW: Kapitalvernichter am Neuen Markt

An der Börse ist die Gier der Anleger in blanke Angst vor weiteren Kursverlusten umgeschlagen. Diese Bilanz zog am Donnerstag die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) in Berlin.

An der Börse ist die Gier der Anleger in blanke Angst vor weiteren Kursverlusten umgeschlagen. Diese Bilanz zog am Donnerstag die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) in Berlin. Den Grund für die wachsende Verunsicherung lieferten die Aktionärsschützer gleich mit: Hauptgeschäftsführer Ulrich Hocker präsentierte die aktuelle Watchlist der DSW, die die 50 schlechtesten deutschen Aktiengesellschaften versammelt. Auch am Neuen Markt wurden erstmals die größten Kapitalvernichter ausgewiesen.

Auf Platz eins der Watchlist deutscher Aktien (ohne den Neuen Markt) liegt die Stolberger Telecom AG, die ihren Aktionären allein im vergangenen Jahr einen Kursverlust von 76 Prozent zumutete. Am Neuen Markt vernichtete Infomatec das meiste Anlegergeld. Gerade einmal 3,5 Prozent des im Jahr 2000 eingesetzten Kapitals blieb den Aktionären Ende Dezember. Im gewichteten Durchschnitt der letzten fünf Jahre lag der Verlust bei Stolberger Telecom bei gut 60 Prozent, Infomatec kam in zwei Jahren auf rund 77 Prozent.

Mit negativem Beispiel gingen einige Berliner Unternehmen voran. So belegt Teles Rang zwei der Watchlist am Neuen Markt, Herlitz findet sich auf Platz sechs bei den übrigen deutschen Werten. "Die Berliner zeigen exemplarisch, was bundeweit schief läuft", sagte Malte Diesselhorst, DSW-Landesgeschäftsführer in Berlin. Vor allem die Sicherheit, mit der börsennotierte Unternehmen Prognosen abgeben, lasse zu wünschen übrig. So sei schon im vergangenen Jahr abzusehen gewesen, dass Herlitz - "seit Jahren ein Sanierungsfall" - auf der Watchlist bleiben werde. Teles beweise, wie verheerend sich ständige Strategiewechsel auf den Aktienkurs auswirkten. "Die Verantwortung dafür liegt beim Vorstand", sagte Diesselhorst. Von dem beim Börsengang den Anlegern präsentierten Geschäftsmodell sei nicht mehr viel übrig geblieben.

Die DSW veröffentlicht ihre Watchlist bereits zum vierten Mal. Berücksichtigt wurden in diesem Jahr 350 Unternehmen, die entweder dem Dax, M-Dax, S-Dax oder C-Dax angehören und mindestens fünf Jahre lang gelistet sind sowie 61 Unternehmen am Neuen Markt, die mindestens zwei Jahre dort notiert sind. Die Zwischenbilanz am Neuen Markt fällt nach DSW-Angaben besonders ernüchternd aus. Nur ein Viertel der Wachstumsunternehmen wird seinem Namen gerecht und konnte die Erwartungen der Aktionäre erfüllen. Nicht vergessen werden dürfe aber, dass auch bei den Traditionsunternehmen "die langfristige Aktienanlage zu einer Langfrist-Enttäuschung" werden könne, sagte Hocker. Nur knapp 30 Prozent der deutschen Aktiengesellschaften schafften es, ihren Anlegern über Jahre hinweg eine durchschnittliche Verzinsung von zwölf Prozent auf ihr eingesetztes Kapital zu erwirtschaften. 29 der Unternehmen fanden sich laut DSW bereits in der Watchlist des vergangenen Jahres, bei 17 habe sich die Situation sogar noch verschlechtert.

"Die schöne neue Welt des Neuen Marktes hat deutliche Risse bekommen", sagte DSW-Geschäftsführer Hocker. Die Zeit, die nach dem Börsengang bis zur ersten Gewinnwarnung vergehe, werde immer kürzer. Das Unternehmen Adpepper halte hier den Rekord: Vier Wochen nach dem Börsendebut musste Adpepper zum ersten Mal seine Gewinnaussagen nach unten korrigieren. Für die Aktionärssprecher werde es auf den mehr als 1000 Hauptversammlungen in diesem Jahr viel zu tun geben, sagte Hocker.

Die DSW begrüßte die Initiativen von Bundesregierung und Deutscher Börse, die Aufsicht und das Regelwerk am Neuen Markt zu verschärfen. "Für viele Anleger kommt dieser Schritt jedoch zu spät", so Hocker. Zu kurz greife auch die künftige Meldepflicht von Aktienverkäufen des Vorstandes oder der Aufsichtsratsmitglieder. Dieser Kreis müsse auf Familienangehörige ausgedehnt werden. Auch müssten geschäftliche Verbindungen von Aufsichtsraäten mit dem Unternehmen offengelegt und Marktschutzklauseln verlängert werden.

Mit Blick auf einige überforderte Manager am Neuen Markt sagte Hocker: "Diese jungen Männer müssen verstehen, dass in der Marktwirtschaft zu bestehen nicht heißt, seinen Porsche unfallfrei zu fahren."

mot

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