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Fußballfan: Hundt war lange Jahre Chef des Aufsichtsrats beim VfB Stuttgart.

© Imago

Wechsel bei den Arbeitgebern: Dieter Hundt hört auf

Nach 17 Jahren an der Spitze der Arbeitgeberverbände macht Dieter Hundt Schluss. Ein Scharfmacher war er nie.

Wie hieß der Arbeitgeberpräsident vor Dieter Hundt? Eben. Gab es überhaupt je einen anderen Arbeitgeberpräsidenten als Dieter Hundt? In einer fernen Zeit, Helmut Kohl war noch Kanzler, übernahm Hundt das Ehrenamt an der Spitze der Bundesvereinigung von Klaus Murmann. Das war 1996, IG-Metall-Chef Klaus Zwickel hatte gerade das Bündnis für Arbeit erfunden, die Regierung attackierte die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und in jeder Talkshow wurde der Standort Deutschland schlechtgeredet. Fast immer dabei: Hans-Olaf Henkel, Präsident des Bundesverbandes der Industrie. Es war keine leichte Zeit für Dieter Hundt. 17 Jahre später blickt der inzwischen 75-Jährige mit Genugtuung zurück. „Dass wir besser aus der Krise 2008/2009 gekommen sind als jedes andere Land, ist vor allem ein Erfolg der Tarifverträge, die in dieser Zeit Arbeitsplätze gesichert haben“, sagte Hundt dem Tagesspiegel. Das hätte damals, als Henkel und Guido Westerwelle, Friedrich Merz und Michael Rogowski die Tarifparteien und deren Tarifverträge als Grundübel des Wirtschaftssystems denunzierten, keiner gedacht. Hundt hat sie alle überlebt. „Die Tarifautonomie in unserem Land ist ein wichtiger, von allen akzeptierter Standortvorteil.“

Jetzt ist Schluss. Am Montagabend wird der ewige Präsident im Schlüterhof des Deutschen Historischen Museums verabschiedet. Angela Merkel wird sein Wirken würdigen und sich bedanken für eine erfolgreiche Sozialpartnerschaft, die Hundt immer wichtig war – als Unternehmer, Tarifverhandler und schließlich Arbeitgeberpräsident. Dieter Hundt, 1938 in Esslingen am Neckar geboren, studierte Maschinenbau und arbeitete für AEG Telefunken. 1975 wurde er geschäftsführender Gesellschafter des Autozulieferers Allgaier Werke in Uhingen am Bodensee. Seit Mitte der 80er Jahre engagierte er sich im baden-württembergischen Metallarbeitgeberverband. An wegweisenden Tarifabschlüssen, etwa zur 35-Stunden-Woche, war er entscheidend beteiligt. Zu seinen größten Erfolgen zählt er im Rückblick „die grundlegende Modernisierung der Tarifverträge mit mehr Flexibilität und größeren Gestaltungsspielräumen für die Betriebspartner“.

Das hat er geschafft mit seinem langjährigen Weggefährten Martin Kannegiesser, der den Arbeitgeberverband Gesamtmetall über ein Jahrzehnt führte und vor einem Jahr von Rainer Dulger abgelöst wurde. Zum Hundt-Nachfolger wird am Montag Ingo Kramer gewählt, bislang Präsident des norddeutschen Metallverbandes. Damit sind Schlüsselpositionen der deutschen Verbändelandschaft, auch das BDI-Präsidium, mit Männern aus der Metallindustrie besetzt. Drei Bundeskanzler hat Hundt begleitet, am besten kam er mit Gerhard Schröder aus. Beide mögen Rotwein und verstehen etwas von Fußball; Hundt hat als Student sogar für die Grashoppers in Zürich gestürmt. Merkel war ihm immer etwas unheimlich, schwer zu fassen. Und bei einem wichtigen Thema unzuverlässig: Gemeinsam mit DGB-Chef Michael Sommer hatte Hundt eine Gesetzesinitiative gestartet, um Spartengewerkschaften Schranken zu setzen. Mehrmals sagte Merkel ein entsprechendes Gesetz zu – passiert ist nichts. „Die gesetzliche Wiederherstellung der Tarifeinheit wird kommen“, sagt Hundt nun mit Blick auf die sich anbahnende große Koalition. „CDU, CSU und SPD haben entsprechende Positionen in ihren Wahlprogrammen.“

Bei anderen Themen ist die Zeit über Hundt und die BDA hinweggegangen: Der Mindestlohn wird kommen, zusätzliche Ausgaben der Rentenversicherung vermutlich ebenso und die Energiewende lässt sich auch nicht mehr rückgängig machen. Weil es aber an allen Ecken und Enden hakt und der Strom immer teurer wird, hat Hundt angeregt, „den Terminplan für das Abschalten der Kernkraftwerke zu überdenken“. Doch das wird nicht einmal die große Koalition wagen. Das von der Union eingeführte Betreuungsgeld hat er einmal „absurd“ genannt – ungewöhnlich für den stets verbindlich argumentierenden Präsidenten. Er geht in einer Zeit „mit einer geradezu sensationellen Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt“, die er auf die Agenda 2010 und die klugen Tarifverträge zurückführt. Auch wegen der wirtschaftlichen Stärke habe „die internationale Verantwortung Deutschlands in jeder Hinsicht zugenommen“, freut sich Hundt und denkt dabei auch ein bisschen an das nächste Jahr, an Brasilien. Seine wirkliche Leidenschaft ist der Fußball. „Ein Zusammenhang zwischen Erfolg im Fußball und wirtschaftlicher Entwicklung ist historisch nicht zu leugnen“, hat Hundt einmal gesagt. Seit 1986 war der Fußballfreak bei jedem Endspiel von Welt- und Europameisterschaften zugegen. Und wer steht 2014 im Endspiel? „Top-Favoriten sind für mich Brasilien, Spanien und Deutschland.“ Dieter Hundt ist dabei.

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