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Konzentration bedarf eines gewissen Rückzugs.

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Weiterbildung: Die Arbeit anders angehen

Die meisten Menschen möchten produktiver sein, mehr in kürzerer Zeit schaffen. Dafür gibt es Strategien, die gewohnte Muster auf den Kopf stellen.

In möglichst kurzer Zeit möglichst viel schaffen – das ist der Traum der meisten. Wir leben in einem Gesellschaftssystem, das uns immer wieder dazu bringt, über die eigene Produktivität nachzudenken. Der Wunsch nach effizienteren Prozessen in unserer Arbeit kann aus dem Ehrgeiz erwachsen, viel erreichen zu wollen, oder aber aus dem Wunsch nach mehr Freizeit. In beiden Fällen geht es vor allem um eines: eine möglichst hohe Produktivitätsrate. Der Begriff Produktivität ist den industriellen Produktionszusammenhängen entliehen. Er klingt mechanistisch, er klingt nach neunzehntem Jahrhundert und kann, wenn es um intellektuelle Leistungen geht, sehr schnell in die Irre führen.

Als Schreibtrainerinnen im akademischen Umfeld hören wir häufig von Klienten, dass sie viel Zeit in ihre Arbeit, in ihr Schreiben investieren, es aber dennoch nicht zu den erhofften Ergebnissen führt. Die Bereitschaft mehr und länger zu arbeiten, um die eigenen Ziele zu erreichen, ist dabei erstaunlich hoch – zufriedener macht der hohe Aufwand aber selten. Denn wer in der geistigen Arbeit mehr erreichen will, sollte nicht einfach nur das Quantum seines Tuns erhöhen, er sollte die Arbeit anders angehen. Geistige Arbeit ist nicht mit der Produktion – im Sinne einer Fabrik – zu vergleichen, wo man das Band einfach auch nachts laufen lassen kann. Bei Kopfarbeit funktioniert das nicht. Die Stellschraube, an der man drehen kann, ist nicht der Zeitaufwand, sondern die Konzentration.

Jeder kennt vermutlich die Situation, nach einem ganzen Tag am Schreibtisch feststellen zu müssen, dass die Dinge nicht so gelaufen sind wie gehofft und geplant. Doch kurz vor der Deadline entsteht plötzlich ein Fokus, der es erlaubt, in kürzester Zeit ein riesiges Pensum zu absolvieren. Wieso gelingt dies oft nur mit äußerem Druck? Und wie versetzt man sich selbst ohne äußeren Anlass in einen derart hochkonzentrierten Zustand? In unserer Arbeit als Schreibcoaches vermitteln wir bewährte „Strategien für produktive Kopfarbeit“, anhand derer jeder ein persönliches Rezept für erfolgreiche Wissensarbeit finden kann – es bedarf nur einer individuellen Zutat zu jeder der folgenden Strategien.

STRUKTUREN SCHAFFEN

Feste Zeitstrukturen erleichtern die Arbeit, daher ist eine sinnvolle Abfolge von Arbeit und Pausen hilfreich, die an den eigenen Biorhythmus angepasst ist. Ziel ist, dass sich ein Arbeitsrhythmus einschleift, der immer automatischer abläuft. Eine feste Struktur unterstützt dabei, die eigenen Impulse zu kontrollieren. Arbeiten Sie in kleinen fest umgrenzten Zeitfenstern. Spontane Wünsche sollten Sie bewusst spüren, ihnen aber deswegen nicht unbedingt sofort nachgeben. Es hilft, sie eine Weile zu parken: Notieren Sie auf einem Zettel die Einfälle, denen Sie gerade während einer Arbeitsphase nicht nachgehen können. Oft sind es Prokrastinationsimpulse wie Blumen gießen, staubsaugen, Fenster putzen, Facebook checken und Kaffee trinken. Sie werden sich wundern, wie unwichtig Ihnen der jeweilige Drang nach getaner Arbeit erscheint. Frage an Sie: Zu welchen Tageszeiten ist Ihr Kopf am leistungsfähigsten?

Pausen machen und Strukturen schaffen
Pausen machen und Strukturen schaffen

© picture alliance / dpa

PAUSEN MACHEN

Ebenso wichtig ist es, sich eine Pause zu gönnen, und zwar nicht erst, wenn man total geschafft ist, sondern weit davor. Machen Sie die Pause, bevor Sie sie brauchen. Das ist tatsächlich ein Kunststück. Gerade auch aus Freude an der eigenen Produktivität kann es leicht passieren, dass man bis zur Erschöpfung arbeitet. Auf lange Sicht ist dies jedoch ein zuverlässiges Produktivitätshemmnis, da Sie möglicherweise danach tagelang nicht mehr aus der Erschlaffung herauskommen. Frage an Sie: Wie sieht eine wirklich erholsame Pause für Sie aus? Was lassen Sie besser?

SICH GEMEINSAM MOTIVIEREN

Eine Gemeinschaft kann dabei helfen, den Wechsel zwischen Arbeiten und Pausieren verbindlich zu gestalten. Entscheidend ist dabei weniger der disziplinierende Effekt einer Gruppe, sondern vor allem der motivierende: Kooperatives Arbeiten ist eine große Unterstützung und gemeinsame Konzentration macht Spaß. Ideal ist es, sich schöpferische Netzwerke zu schaffen. Tun Sie sich mit Menschen zusammen, deren Arbeit Sie gerne gedeihen sehen, und unterstützen Sie einander gegenseitig. Frage an Sie: Wer sind Gleichgesinnte oder Unterstützer Ihres Arbeitsanliegens?

SICH BESCHRÄNKEN

Konzentration bedarf jedoch auch eines gewissen Rückzugs, denn wir leben in konzentrationsfeindlichen Zeiten: Dauernd unterbrechen piepsende, schnarrende oder klingelnde Außentöne unser Denkkontinuum. Ablenkungen im Büro nehmen täglich durchschnittlich 2,5 Stunden in Anspruch. Nur etwa 11 Minuten arbeiten Angestellte an einem Projekt, bevor sie wieder abgelenkt werden. Menschen machen ca. alle 3 Minuten etwas anderes und verändern ungefähr 20 Mal pro Stunde ihren Fokus. Es ist daher gerade für Wissensarbeiter eine wichtige Aufgabe, Störquellen auszuschalten. Einen besonderen Konzentrations- und Produktivitätsschub verschafft ein zeitlich begrenzter Internetzugang. Wenn man etwas nicht sofort googeln kann, wird man zwangsläufig wieder mehr dem eigenen Denken vertrauen. Das Internet ist großartig, um zu lesen, aber es behindert das eigene Denken und Schreiben. Bleiben Sie offline – Sie können für Ihre intellektuelle Autonomie und Aktivität nichts Besseres tun. Frage an Sie: Welche inneren und äußeren Ablenkungen stören Sie bei der Arbeit? Wie können Sie sie ausschalten?

 Die besten Ideen kommen einem oft beim Sport.
Die besten Ideen kommen einem oft beim Sport.

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DEN KÖRPER BEWEGEN

Kopfarbeit spielt sich nicht nur im Kopf ab. Das Gehirn ist Teil des Körpers und dieser Körper schreibt mit, denkt mit, konzipiert mit – oder eben nicht! Bewegen Sie also Ihren Körper, geben Sie ihm, was er braucht. Jeden Tag eine halbe Stunde spazieren gehen oder sich anderweitig betätigen wirkt nicht nur lebensverlängernd, es ist das absolute Minimum, um ausgeglichen und gedanklich frisch zu sein. In Bewegung sein ist die Kreativitätstechnik schlechthin. Oft kommen die besten Ideen erst durch körperliche Anregungen: nicht sitzend am Schreibtisch, sondern beim Schwimmen, Spazieren oder Duschen. Frage an Sie: Wie können Sie für ausreichend Bewegung in Ihrem Alltag sorgen?

UNTERSTÜTZUNG FINDEN

Coaching und im Dialog sein bringt Sie voran. Ein Sparringspartner, der Ihr Denken oder auch Ihren Text frei von Eigeninteressen durchleuchtet, ermöglicht oft entscheidende Wendungen. Man findet schneller aus Sackgassen und ist zielgerichteter im Ringen um die intellektuelle Leistung sowie die Organisation und tatsächliche Umsetzung der Arbeitsziele. Frage an Sie: Welche persönliche Unterstützung ist für Sie denkbar?

GELASSEN SEIN

Meditation kann vieles sein – mit Sicherheit ist sie ein Training in Gelassenheit und Achtsamkeit und reduziert Stressempfinden. Zur Erleuchtung hat sie uns auch noch nicht gebracht, aber allein durch die Verlangsamung des Ausatmens lässt sich das Stresserleben senken. Sie können das sofort ausprobieren: Atmen Sie tief ein und dann so langsam Sie können aus. Spüren Sie Ihren Atem bis hinunter in Ihren Bauch. Lassen Sie nun die Luft wieder ganz natürlich einströmen. Eine kurze tägliche Meditation oder auch nur ein paar tiefe bewusste Atemzüge bringen Ruhe in Kopf und Körper. Besonders für sehr ehrgeizige Menschen ist es angebracht, zumindest einmal täglich für eine Weile ohne Anspruch an sich selbst zu sein. Frage an Sie: Woran würden Sie merken, dass Sie gelassener sind?

REFLEKTIEREN

Lernen Sie sich und Ihre Bedürfnisse kennen und reflektieren Sie die Bedingungen Ihrer Produktivität. Mit der Beantwortung der vorangegangenen Fragen sind Sie bereits mittendrin. Untersuchen Sie bewusst, was Ihrer Konzentration und Schaffensfreude gut tut, und dann kümmern Sie sich darum, dass Sie dies in Ihrem Arbeitsalltag bekommen.

Die Autorinnen, Ingrid Scherübl und Katja Günther, bieten Schreibseminare an, in denen die Teilnehmer konzentriert arbeiten – etwa an Ihrer Doktorarbeit oder einem anderen anspruchsvollen Textprojekt. Informationen unter www.schreibaschram.de und www.faden-verloren.de. Ziel ist es, in einem optimalen Arbeitsumfeld die eigene Schreibfähigkeit voll zu entfalten.

 

Die nächsten Termine finden am Nordkolleg in Rendsburg (15. Januar 2016, 9.30 - 18 Uhr: Workshop "Selbststeuerung im Schreibprozess – Eine Einführung in das Selbstcoaching beim Schreiben" und 16. Januar 2016, 9.30 - 18 Uhr: Tagesseminar Schreib-Sweatshop: Ein Tag. Ein Text) und am Alanus Weiterbildungs- und Tagungszentrum (6. August 2016, 9.30 – 18 Uhr: Ein Text an einem Tag).

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