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Der letzte Tag als Soldat. Danach gibt es weiterhin Förderungen von der Bundeswehr.

© picture alliance / dpa

Weiterbildung nach der Bundeswehr: Soldaten außer Dienst

Um wieder Fuß im zivilen Leben zu fassen, machen Zeitsoldaten in der Regel mehrere Fortbildungen - finanziert von ihrem alten Arbeitgeber.

„Zur Bundeswehr bin ich wie die Jungfrau zum Kind gekommen", sagt Björn Bolten, heute 36 und Dozent für Betriebswirtschaftslehre. Und meint damit, dass er niemals daran gedacht hätte, Zeitsoldat zu werden, wenn er nicht als Wehrpflichtiger eingezogen worden wäre. Er war damals 20 und nach der mittleren Reife mit seiner Ausbildung zum Industriekaufmann fertig. Bei der Bundeswehr gefiel es ihm so gut, dass er blieb. „Ich mochte das Gefühl von Zugehörigkeit, Kameradschaft und Gemeinschaft. Und den Kontrast zu meinem vorherigen Job: Vorher bedeutete Arbeitsalltag für mich hauptsächlich: am Schreibtisch sitzen.“ Zwölf Jahre lang war er Soldat auf Zeit – zunächst als Unteroffizier und Ausbilder, dann als Offizier. Er war zufrieden mit seinem Beruf: „Ich habe Menschen militärisch ausgebildet und geführt. Ein Soldat muss mehr können als schießen.“ Auf ihn trifft das bestimmt zu: Als Zugführer hat er etwa Schwimmbrücken geplant, über die im Kriegsfall Panzer hätten rollen können. „Das muss man sich vorstellen wie große Legosteine aus Metall, die zusammengekoppelt werden.“

Nach zehn Jahren bei der Bundeswehr musste er sich entscheiden: Werde ich Berufssoldat – oder steige ich aus. Er verließ seinen Arbeitgeber, „obwohl es mir sehr viel Spaß gemacht hat, Soldat zu sein. Mir ist vor allem die Familie dazwischen gekommen.“ Während der Zeit bei der Bundeswehr hatte er geheiratet und seinen ersten Sohn bekommen. „Als ich mit 20 Soldat wurde, war für mich die Welt eine andere als mit 30: Mit 20 wollte ich die Welt erobern, mit 30 war für mich die Familie die oberste Priorität.“ Und das Familienleben ist schwer mit einer ständigen Bereitschaft zu Auslandseinsätzen kompatibel. „Alle zwei Jahre umziehen, wie es für Berufssoldaten üblich ist – das geht mit einer Familie schlecht. Da müsste meine Frau ja jedes Mal den Job kündigen und mein Sohn den Kindergarten wechseln.“

Wieder fit werden für den Arbeitsmarkt

Deshalb ist er jetzt zurück im zivilen Arbeitsleben. Gerade hat er in seinem neuen Job angefangen: Er unterrichtet an einer internationalen Fachhochschule in den Niederlanden. Wie so viele Zeitsoldaten hat er die finanzielle Unterstützung, die die Bundeswehr ihren scheidenden Mitarbeitern für Weiterbildungen gewährt, genutzt – und seinen Bachelor und Master in Betriebswirtschaft gemacht. „Das lag nahe, auch weil ich bei der Bundeswehr zeitweise für Controlling zuständig war.“ Sein Studium dauerte fünf Jahre. Die Bundeswehr förderte ihn die gesamte Zeit. Er begann noch während seiner aktiven Dienstzeit und konnte sich dann frei stellen lassen. „Das Studium habe ich deshalb so gut bewältigt, weil mich die Bundeswehr so gut unterstützt hat. Ohne die Zeit als Soldat wäre ich diesen Weg wahrscheinlich nicht gegangen.“

Seine Weg ist kein Einzelfall. „Ich behaupte, dass alle Zeitsoldaten eine Weiterbildung machen, wenn sie die Bundeswehr verlassen. Und sie brauchen das auch, um wieder fit für den Arbeitsmarkt zu werden. Denn der hat sich in den vielen Jahren, während sie bei der Bundeswehr waren oft sehr verändert oder sie möchten sich neu orientieren“, sagt Felix Klein, Gründer der Online-Karriere-Plattform für Soldaten Dienstzeitende.de. Er ist selbst ehemaliger Offizier, war vor seiner Zeit bei der Bundeswehr Stahlbetonbauer, holte schon während der Dienstzeit die Fachhochschulreife nach und machte hinterher einen Fach- sowie einen Betriebswirt, parallel zur Firmengründung.

Förderung richtet sich nach Länge der Dienstzeit

Finanziell macht es die Bundeswehr den Zeitsoldaten leicht, durch Weiterbildungen wieder Fuß auf dem zivilen Arbeitsmarkt zu fassen: „Jeder Soldat hat je nachdem wie lange er bei der Bundeswehr war, einen bestimmten Berufsförderungsanspruch – sowohl während als auch nach der Dienstzeit. Dazu gehört ein zeitliches und finanzielles Budget“, sagt Felix Klein. „Es gibt zwei Fördertöpfe – einen für Fortbildungen noch während der Dienstzeit, einen für Lehrgänge danach.“ Bei zwölf Jahren Dienstzeit seien das beispielsweise 9146,25 Euro vorher – auf diese so genannte Ermessensförderung haben Soldaten allerdings keinen Rechtsanspruch – und 12195 Euro danach, auf diese Förderung gibt es einen Anspruch. Das Geld zahlt die Bundeswehr in der Regel direkt an den jeweiligen Bildungsträger, bei dem der Soldat eine Fortbildung belegt.

Zusätzlich zu den Gebühren für die Weiterbildung sorgt die Bundeswehr auch noch für die Lebenshaltungskosten. Wer zwölf Jahre Soldat auf Zeit war, bekommt zum Beispiel 36 Monate lang nach dem Ende der Dienstzeit 90 Prozent seines letzten Gehaltes – wenn er eine Weiterbildung in Vollzeit macht. Nach vier Jahren Dienstzeit wären es allerdings nur sieben Monate. Mit dieser Unterstützung lässt sich so einiges anfangen: „In der Regel machen Soldaten mehrere Weiterbildungen“, sagt Klein. Viele, die keine Akademiker sind, machten einen Meister oder Fachwirt – in dem Beruf, den sie schon vor der Bundeswehrzeit erlernt haben. Andere nutzten die Fördermittel, um sich ganz neu zu orientieren. Klein berichtet etwa von einem Maurer, der sich für eine Ausbildung zum Fachinformatiker entschied. Soldaten, die die Fachhochschulreife hätten, würden oft einen machen.

Anbieter außerhalb der Bundeswehr kümmern sich

So viele Möglichkeiten es für die Soldaten gibt – so viele Weiterbildungsträger machen ihnen Angebote. „Weil es die Förderansprüche gibt, sind Soldaten eine beliebte Zielgruppe für Bildungsanbieter“, sagt Felix Klein. Es gibt einige Weiterbildungsanbieter, die spezielle Lehrgänge für Soldaten organisieren, etwa die Firma Trainico, die in diesem Jahr zum ersten Mal eine eigene Fortbildungsklasse zum „Fluggerätmechaniker (Instandhaltung)“ für Zeitsoldaten, die „eine praktische Tätigkeit am Fluggerät während der Dienstzeit nachweisen können“, organisierte. Für sie verkürzt sich die Ausbildungszeit von einem Jahr auf sechs Monate.

Meist bieten die Weiterbildungsträger den Soldaten vor allem ihre normalen Lehrgänge an, haben aber dazu auf ihren Internetseiten häufig spezielle Unterseiten eingerichtet, die sich direkt an Soldaten richten. Dort finden sich oft auch Angebote zur speziellen Karriereplanung für Soldaten. Der TÜV Rheinland bietet etwa nicht nur Fortbildungen an, sondern auch „ ein begleitendes Coaching“. Die Firma Date up, will bei der Wahl der passenden Fortbildung helfen. Und das Zentrum für Aus- und Weiterbildung Leipzig schlägt Soldaten nicht nur eine Qualifizierung zum Bilanzbuchhalter und eine Spezialisten-Weiterbildung zum Schweißer vor, sondern offeriert ihnen auch, für sie einen „individuellen Fahrplan für den Einstieg in die zivile Karriere“ zu entwickeln. Dazu gehört unter anderem ein Berufsorientierungsseminar: „In vier Schritten werden Sie unterstützt, Ihre Ziele zu konkretisieren“, heißt es auf der Internetseite.

Soldaten haben großen Informationsbedarf

Die Ziele konkretisieren – genau das scheint für viele Soldaten allerdings das Hauptproblem beim Einstieg in die Karriere nach der Bundeswehr zu sein. Das Angebot an Weiterbildungen und Berufsmöglichkeiten ist einfach zu groß. Wer „Weiterbildung Soldat“ googelt, wird von Ergebnissen fast erschlagen. Ausscheidende Soldaten müssten sich um alles was mit ihrer Weiterbildung zu tun hat, selbst kümmern, sagt der ehemalige Soldat Bolten. Wer keine Idee habe, in welche berufliche Richtung er gehen wolle, sei deshalb leicht aufgeschmissen. „Es gibt zwar den Berufsförderungsdienst der Bundeswehr, aber der hilft eher allgemein. Hilfreich ist es, wenn man sich bei Kameraden informieren kann“, sagt Bolten. „Seitens der Soldaten gibt es einen großen Informationsbedarf, wie sie ihre Karriere nach der Bundeswehr planen können“, sagt auch Klein. Mit seiner Plattform, auf der sich Weiterbildungsanbieter den Soldaten präsentieren, will er in die Informationslücke stoßen. Auch eine Stellenbörse bietet das Portal an, sowie allgemeine Informationen rund um den Einstieg ins zivile Leben: Auch die Frage „Welche Aus- und Weiterbildung passt zu mir?“ wird behandelt. Anbieter wie die Pepb GmbH werden vorgestellt, die „ausscheidende Zeitsoldaten auf den beruflichen Wiedereinstieg vorbereitet“ und sogar „versucht einen passenden Arbeitgeber zu finden“.

Björn Bolten sagt zwar, dass es Soldaten seiner Erfahrung nach leicht falle, Fuß im zivilen Arbeitsleben zu fassen: „Was man bei der Bundeswehr lernt ist, ein Teamplayer zu sein. Vielleicht, weil man als Soldat ständig irgendwo reingeschmissen wird und sich auf neue Situationen und neue Kollegen einstellen muss.“ Felix Klein sieht aber auch Hindernisse: „Die größte Hürde auf dem Weg in den zivilen Arbeitsmarkt ist oft, einem Arbeitgeber zu erklären, was man als Soldat gemacht hat, also die militärischen Tätigkeiten in zivile Berufserfahrung zu übersetzen. Einige Soldaten tun sich schwer damit das zu erklären – und einige Unternehmen tun sich schwer, es zu verstehen.“ Die Tätigkeiten in der Bundeswehr seien oft ganz anders als in einem Unternehmen. „Viele Arbeitgeber stellen zwar gern ehemalige Soldaten ein, andere haben aber Vorurteile und sagen: Das ist nichts für uns“, sagt Klein. Björn Bolten musste sich nicht einmal bewerben – sein neuer Arbeitgeber trat auf ihn zu.

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