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Frauen und Technik. Ute Mayer und Thuy Le organisieren mit anderen Frauen die „Rails Girls“-Treffen, bei denen sich die Teilnehmerinnen mit Programmiersprachen wie Ruby on Rails beschäftigen. Rund 800 Frauen waren seit 2012 dabei.

© picture alliance / dpa

Weiterbildung: Weg vom Klischee

Programmieren ist noch immer eine Männerdomäne. Doch Frauen sind auf dem Vormarsch. Sie profitieren von Online-Kursen, speziellen Studiengängen - und treffen sich dazu sogar in ihrer Freizeit

Programmieren ist wie puzzeln – man bringt Teile zusammen, bis diese ineinander greifen", sagt Anna Färber. Programmieren ist ihr Beruf. Die 25-Jährige arbeitet als Junior-Entwicklerin in Frankfurt am Main bei einer Agentur, die sich auf das Content Management System TYPO3 spezialisiert hat. Sie programmiert Websites und Website-Erweiterungen nach Kundenwünschen. Sie kam auf dem klassischen Weg – über ein Studium der Medieninformatik – in den Job.

Anders die Programmiererin Joan Wolkerstorfer, gebürtige Amerikanerin, die heute in Berlin lebt: Sie fand den Einstieg über ein kostenfreies Online-Tutorial. Die heute 31-Jährige arbeitete sich 2011 innerhalb eines halben Jahres durch die Online-Publikation von Michael Hartl zur Programmiersprache Ruby sowie dem dazugehörigen Framework Rails. „Ich hab etwa nach der Hälfte des Tutorials eine Pause gemacht und mein Wissen getestet: Eine Freund bat mich darum, seine Webseite zu verbessern.“ Sie hatte zwar bereits einige Jahre vorher am College Kontakt mit dem Programmieren gehabt, hatte sich damals aber gegen ein entsprechendes Studium entschieden. 2011 kämpfte sich die Wahlberlinerin dann nicht nur den Weg durch das Tutorial, sondern fand auch Gefallen an der praktischen Umsetzung. Nach einem Praktikum nahm sie einen Job als Programmiererin in einer Firma an, in der sie noch heute beschäftigt ist.

Es tut sich was

Es gibt ein ganz bestimmtes Klischee über den Beruf des Programmierers, das wohl den meisten als erstes zu dem Thema einfällt: Männlicher Nerd sitzt allein und sozialunverträglich im dunklen Kämmerlein ohne Tageslicht und Kundenkontakt. Anna Färber und Joan Wolkerstorfer passen da nicht so sehr ins Bild. Aber es gibt sie: Programmiererinnen – und es werden immer mehr. Auch dank neuer Bildungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten, die sich speziell an Frauen richten. Anna Färber sagt, dass Frauen unter Programmierern nach wie vor in der Unterzahl sind, „aber es tut sich etwas“. Sie vermutet, dass der neue digitale Alltag rund um Smartphones und Internet Frauen mehr für die Technik dahinter interessiert. „Die männlichen Kollegen freuen sich, dass Frauen in die Berufssparte kommen“, sagt Anna Färber.

Es gibt sogar eine Art Trend zu dem Thema – vor allem in Berlin. Frauengruppen, die sich in ihrerer Freizeit nicht etwa zum Yoga oder Stricken treffen – wenn wir schon beim Thema Klischees sind – sondern zum Programmieren: „Rails Girls“ oder „Geekettes“ heißen diese Gruppen, in denen sich Frauen treffen, die Spaß am Programmieren haben oder den Laptop für mehr als nur das Surfen verwenden möchten. Beim „Rails Girls Beginners Workshop“ etwa geht es darum, die Grundlage der Programmiersprache Ruby on Rails zu erlernen, um so eine Homepage zu gestalten oder eine Web-Applikation, zu entwickeln. Laura Laugwitz, die die Rails Girls gemeinsam Ute Mayer und Thuy Le und anderen Frauen organisiert, steckt gerade in den Vorbereitungen zum „Rails Girls Berlin Hackday“ am 7. Februar. Hier treffen sich „Coderinnen" – „Coding“ ist das englische Wort für Programmieren – zum Austausch über Projekte. Doch auch wer kaum oder keine Programmiererfahrungen hat, kann bei den Rails Girls reinschnuppern. „Seit dem Start der Rails Girls in Berlin 2012 fanden etwa 20 Workshops mit 800 Teilnehmerinnen statt“, sagt Laugwitz. „Tatsächlich haben ehemalige Teilnehmerinnen einen Karrierewechsel gestartet“, sagt die 25-Jährige. Trotz des Runs auf diese Programmier-Events sind Frauen als professionelle Programmierer auf dem Arbeitsmarkt jedoch selten.

Programmieren aus Leidenschaft

Eine dieser Ausnahmen ist Kathrin Holweger. Sie arbeitet beim Berliner Unternehmen Babbel, das Online Sprachkurse anbietet. Sie entwickelt Apps für Mobile Geräte, mittlerweile sind weitere Aufgaben für die studierte Diplominformatikerin hinzugekommen. „Als Technical Lead des Mobile Teams hat sich der Schwerpunkt meiner Arbeit verschoben, von der Programmierung zu organisatorischen Aufgaben", sagt sie. Dennoch ist das Programmieren schon immer eine Leidenschaft gewesen: „Ich bin sehr technik-affin, selbst mein Spielzeug als Kind sollte vorzugsweise irgendetwas ‚können'“, erzählt sie. Im Selbststudium, unterstützt durch ein Computerlager und den zeitweisen Besuch einer Freizeitgruppe, brachte sie sich die ersten Programmierkenntnisse bei. „Man ist recht allein unter Männern, wenn man bewusst einen Blick um sich wirft“, sagt sie. Doch problematisch war diese Situation für sie nie: „Sowohl im Studium, als auch in den bisherigen Jobs habe ich nie erlebt, dass mir die Arbeit aufgrund meines Geschlechts schwer gemacht wurde.“

Frauen und Männer, die diesen Beruf wählen, haben ja tatsächlich oft etwas gemeinsam: „Wer gerne Rätsel löst oder sich mit Zahlenspielen beschäftigt, der hat gute Voraussetzungen sich den kniffligen Anforderungen des Programmierens zu stellen“, sagt Juliane Siegeris. Die 42-Jährige ist Professorin an der Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW in Berlin und unterrichtet Seminare im Fach „Informatik und Wirtschaft als Frauenstudiengang“. In diesem seit 2009 etablierten Bachelor-Studiengang können sich bewusst nur Frauen anmelden. „Der Vorteil ist, dass die Frauen keine Hemmschwellen empfinden, wirklich alle Fragen zu stellen“, sagt Juliane Siegeris.

Sie sieht die Sache mit den Geschlechterrollen in der Informatik kritischer als Kathrin Hollweger und andere Programmiererinnen: „Ohne in Klischees zu verfallen – aber es ist schwierig, wenn man zwischen männlichen Kommilitonen sitzt, die durch eine skeptische Haltung Distanz zu weiblichen Mitstudierenden aufbauen“, so die 42-Jährige. Sie muss es wissen, sie studierte Angewandte Informatik noch als eine von fünf Frauen unter 60 Studierenden. „Man lernt, sich durchzusetzen“, sagt Siegeris. Oft fielen Frauen jedoch in die Rolle der Protokollantin, etwa wenn bei einer Projektarbeit männliche Kommilitonen das Programmieren an sich reißen. „So etwas kann im Frauenstudiengang nicht passieren“, sagt sie, „im Umkehrschluss heißt das jedoch auch: Hier muss jede ans Programmieren ran.“ Doch das ist nicht für jede etwas: Eine Affinität zu Zahlen und eine gute Note in Mathematik sollte mitbringen, wer sich ernsthaft mit Programmieren beschäftigen möchte. Jeweils zum Wintersemester startet der Studiengang in einen neuen Jahrgang, für den 40 Frauen zugelassen werden. Die Studienstruktur ist so gestaltet, dass auch Frauen mit Kindern Studium und Kind verbinden können.

Es gibt in Berlin einen Frauenstudiengang

Die Mitorganisatorin der Programmierseminare „Rails Girls“ Laura Laugwitz schrieb sich bewusst in diesem Frauenstudiengang der HTW in Berlin ein. Mathe war zur Schulzeiten zwar nicht ihr Lieblingsfach, „logisches und strukturiertes Denken machte mir aber immer Spaß.“ Am Informatikstudiengang für Frauen schätzt sie, dass „Wert darauf gelegt wird, bei den Basics anzufangen. Das sollte theoretisch zwar bei jedem Studiengang der Fall sein, es ist bei der Informatik oft so, dass manche Menschen ein immenses Vorwissen haben und somit den Stoff schneller vorantreiben, als es für die anderen machbar ist“, erklärt sie. „Da unser Verständnis von Technik recht männlich geprägt ist, sind es eben auch oft Männer mit diesem Vorwissen, vor allem aber auch Männer, die sich per se sicherer in dem Thema fühlen, selbst, wenn sie nicht zwingend mehr Wissen haben.“

Diese Haltung männlicher Studierender kennt auch Ulf Leser, geschäftsführender Direktor am Institut für Informatik der Humboldt Universität in Berlin. Er räumt ein: „In den Köpfen steckt leider oft noch das Klischee vom männlichen Programmierer." Die HU bemüht sich aktiv, um mehr Frauen für den Fachbereich Informatik zu begeistern. Etwa durch die Ideen-Werkstatt „Mehr Frauen in die Informatik“, betreut von Ulf Lesers Kollegin Márta Gutsche. „Unter anderem versuchen wir mit dem Projekt bereits an Schulen Mädchen für die so genannten MINT-Fächer zu interessieren“, sagt Ulf Leser.

Aktionen wie der Girls' Days oder die Roberta-Roboter-Kurse machen Werbung für Mathe, Informatik, Naturwissenschaft und Technik. Interessanterweise variierten die Zahlen der Studienteilnehmer in interdisziplinären Fächer, sagt Leser: „In Fächern wie Bioinformatik oder Informationsmanagement und Informationstechnologie findet sich ein Frauenanteil bis zu 40 Prozent“. Das Fazit: Frauen mögen Fächer, in denen die Informatik praktisch angewandt wird.

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