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Wirtschaft: Welthandels-Konferenz in Katar: Ein winziger globaler Nenner

Nur wenige Städte haben sich in den vergangenen 20 Jahren so stark verändert wie Bangalore. Die Stadt im Süden Indiens gilt als das Silicon Valley des Landes.

Nur wenige Städte haben sich in den vergangenen 20 Jahren so stark verändert wie Bangalore. Die Stadt im Süden Indiens gilt als das Silicon Valley des Landes. Der Name steht für Hightech, für Fortschritt und Wohlstand. Bangalore ist ein gutes Beispiel dafür, dass sich Indien, mit inzwischen über einer Milliarde Einwohnern das bevölkerungsreichste Land der Welt, seit Mitte der 80er Jahre kontinuierlich geöffnet hat - zum Wohl der Bevölkerung.

Auch Staaten wie Korea, die Tigerstaaten oder Taiwan gingen diesen Weg. Aus den einstigen Dritte-Welt-Ländern sind in den vergangene 30 Jahren Schwellen- oder Industrieländer geworden. Sie bauten schrittweise Handelsschranken ab. Sie exportierten Produkte, die sie billiger als andere Länder produzieren konnten. Und importierten Produkte, die andere billiger oder besser herstellen konnten. Dabei profitierten sie von den Vorteilen eines freieren Handels.

Doch so einleuchtend diese Beispiele auch sein mögen, die Verfechter des Freihandels haben es im Vorfeld des WTO-Ministertreffens, das am kommenden Freitag in Doha/Katar beginnt, nicht leicht: Denn in den rezessionsgeplagten Industrieländern wächst die Angst vor Billigimporten aus Entwicklungsländern. Immer schärfer wird auch die Kritik der Globalisierungsgegner. Sie befürchten, dass die Globalisierung die reichen Länder noch reicher und die armen Länder noch ärmer macht.

Das sehen die Weltbank-Ökonomen Aart Kraay und David Dollar ganz anders. In einer aktuellen Studie kommen sie zu dem Ergebnis, dass Handel das Wachstum steigert und die Armut verringert. Die Ökonomen haben sich 24 Länder angesehen, die sich erst seit 1980 in den Welthandel integriert haben. Dazu gehören Argentinien, Brasilien, China, Ungarn, Malaysia oder Thailand. Länder, die es geschafft haben, das Pro-Kopf-Einkommen von einer durchschnittlichen Wachstumsrate von 2,9 Prozent in den 70er Jahren auf 3,5 Prozent in den 80ern und fünf Prozent in den 90er Jahren zu steigern. Kraay und Dollar zeigen auch, dass es diesen Ländern zugleich gelungen ist, den Anteil der Ärmsten, die von weniger als einem Dollar pro Tag leben müssen, zu verringern.

Die Integration in den Welthandel bringt aber nicht nur für Entwicklungs- oder Schwellenländer Vorteile. Dies gilt in gleichem Maß auch für die "erste Welt", die Industriestaaten. Wenn in Ländern wie Vietnam oder China günstige Textilien für den Weltmarkt produziert werden, dann kostet dies zwar zunächst Arbeitsplätze in der portugiesischen oder deutschen Textilindustrie, schafft aber in den Entwicklungsländern mehr Einkommen. Geld, mit dem dann wieder Textilmaschinen, Autos oder Kraftwerke in den Industrieländern gekauft werden können. "Die Globalisierung, die internationale Arbeitsteilung bringt allen Beteiligten Ländern mehr Einkommen", sagt Rolf Langhammer, Vize-Präsident des Kieler Weltwirtschaftsinstituts. "Sie zwingt aber auch zu Strukturwandel."

Aber es gibt auch Länder, die von der Globalisierung nichts haben. Schwarzafrikanische Länder wie der Sudan oder Sierra Leone, die seit Jahren von Bürgerkriegen geplagt werden oder ein Land wie Nigeria, in dem ein korruptes Regime herrscht. Von den gesamten Weltexporten in Höhe von über fünf Billionen US-Dollar 2000 entfielen nur 0,14 Billionen auf Afrika, dagegen 2,4 Billionen auf Europa, 1,1 Billionen auf die USA sowie 1,6 Billionen auf Asien.

Doch selbst, wenn die politische Situation stabiler wäre, könnten viele Entwicklungsländer das Wenige, womit sie auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig wären wegen zu hoher Zoll- und Steuerhürden nicht in die erste Welt verkaufen. Trotzdem lehnen viele Entwicklungsländer - angeführt von Indien und Tansania - eine neue Welthandelsrunde ab. Sie werfen den Industrieländern vor, nicht einmal die Ergebnisse der letzten Welthandelsrunde in Uruguay umgesetzt zu haben. Dazu gehört vor allem der Abbau von Handelsschranken für Textilien und Agrarprodukte. "Bei diesen Altlasten gibt es in Katar sicher Verhandlungsbedarf", sagt Georg Kroopmann, Handelsexperte beim Hamburger Weltwirtschaftsinstitut HWWA. So werden Europa, die USA und Japan auch in Katar wieder einmal zäh über den Abbau ihrer Agrarsubventionen verhandeln, der den Entwicklungsländern einen besseren Zugang zu ihren Märkten ebnen soll. Gestritten wird in Katar auch über den Patentschutz: Die Entwicklungsländer plädieren für eine Lockerung, weil sie dann etwa Medikamente gegen Aids günstiger einkaufen oder herstellen könnten. Die erste Welt, allen voran die USA, will davon aber nichts wissen, wie der US-Handelsbeauftragte Robert Zoellick sagte. Doch ohne ein Entgegenkommen bei den Patenten werden die Industrieländer ihre eigenen Ziele - den weiteren Abbau von Zöllen und anderen Handelshemmnissen - nicht erreichen. Noch ist offen, ob es den 142 WTO-Mitgliedsstaaten gelingen wird, sich auf ein gemeinsames Verhandlungspaket zu einigen. Dabei wäre eine neue Welthandelsrunde gerade jetzt ein wichtiges Signal, sagt Handelsexperte Kroopmann. "Ein Signal, dass sich die Globalisierung eben nicht durch Terrorismus zurückdrängen lässt."

Karin Birk

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