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Weniger Kündigungsschutz: Schnell rein, schnell raus

Bringt weniger Kündigungsschutz tatsächlich mehr Beschäftigung? So genau wissen das die Wissenschaftler auch nicht. Der Sieg von Schwarz-Gelb jedenfalls erweckt einen alten Streit zu neuem Leben.

Am Kündigungsschutz scheiden sich von jeher die Geister. Die einen sehen ihn als Ausdruck über viele Jahrzehnte erkämpfter Arbeitnehmerrechte, die Beschäftigte vor der Willkür ihrer Arbeitgeber bewahren. Für andere ist er ein bürokratisches Hemmnis, das flexible Einstellungen verhindert.

Mit dem Wahlsieg von Schwarz-Gelb wird ein alter Streit zu neuem Leben erweckt. Die Liberalen wollen, unterstützt von den Arbeitgebern, den Kündigungsschutz lockern, um die Arbeitslosigkeit zu senken. „Wir wollen denen eine Chance geben, die jetzt in schwierigen Zeiten eine Arbeit suchen“, sagt Niedersachsens FDP-Wirtschaftsminister Philipp Rösler.

So weit die Theorie. Ob die Rechnung weniger Kündigungsschutz = mehr Beschäftigung tatsächlich aufgeht, daran bestehen in der Wissenschaft erhebliche Zweifel. Unumstritten ist, dass der Kündigungsschutz in zwei unterschiedliche Richtungen wirkt: Er macht das Entlassen teurer und das Einstellen schwieriger. Der Kündigungsschutz sichert also bestehende Jobs und erschwert die Schaffung neuer. Wissenschaftler des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln haben die beiden gegenläufigen Effekte im vergangenen Jahr untersucht. Nach einer Befragung von 1700 Unternehmen kommen sie zu dem Ergebnis: Auf eine nicht erfolgte Entlassung durch den Kündigungsschutz kommen etwa 1,5 unterbliebene Neueinstellungen. „Unter dem Strich verhindert der Kündigungsschutz, dass rund 41.000 neue Stellen im Jahr geschaffen werden“, sagt IW-Personalexperte Oliver Stettes.

Die Forscher der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung sehen das ganz anders. „Zwischen dem Grad des Kündigungsschutzes und der Arbeitslosigkeit findet sich in der empirischen Forschung kein ursächlicher Zusammenhang“, erklärt Alexander Herzog-Stein, Referatsleiter Arbeitsmarktforschung bei der Böckler-Stiftung. Die Debatte werde oft nur verkürzt dargestellt und dabei ausgeblendet, dass die Beschäftigungssicherheit durch den Kündigungsschutz auch zu Produktivitätszuwächsen führen könne. Oder zu einer stärkeren Binnennachfrage, weil die Arbeitnehmer sich ihrer Stelle sicherer seien.

Doch das gilt längst nur noch für einen Teil der Arbeitnehmer, entgegnet IW-Mann Stettes. Der Kündigungsschutz habe zu einer Zweiteilung des Arbeitsmarktes geführt, mit einer relativ gut gesicherten Kernbelegschaft und einem steigenden Anteil an befristeten Anstellungen oder Zeitarbeitern. Die erste Gruppe profitiere vom Kündigungsschutz, die zweite Gruppe leide darunter. Doch da die Wirtschaftskrise zunehmend auch die Stellen der Kernbelegschaft bedroht, sieht der Forscher die Gefahr, dass nur der negative Effekt bleibt. „Bei Massenentlassungen hilft auch kein Kündigungsschutz mehr“, sagt Stettes.

Andere Wissenschaftler zweifeln daran, dass flexiblere Regeln für Arbeitgeber zu mehr Beschäftigung führen. Zu ihnen gehört etwa Hartmut Seifert vom arbeitnehmernahen Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), der den Aufschwung der vergangenen Jahre analysiert hat. Sein Fazit: Nicht die Einschränkung des Kündigungsschutzes von Betrieben ab fünf Mitarbeitern auf zehn im Jahr 2004 habe Arbeitsplätze geschaffen, sondern erst die anziehende Binnennachfrage 2006. Auch Böckler-Ökonom Herzog-Stein sieht keinen Effekt durch einen lockeren Kündigungsschutz. Es werde oft vergessen, dass der Arbeitsmarkt bereits flexible Lösungen biete. So könnte etwa die Regelarbeitszeit oder deren Verteilung über die Woche flexibel gestaltet werden.

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