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Wirtschaft: Weniger Wachstum: Eichel muss schneller sparen

Die Bundesregierung fürchtet wegen der nachlassenden Konjunktur neue Haushaltslöcher und will mehr Subventionen kürzen

Berlin Die deutsche Wirtschaft setzt ihren Wachstumskurs im kommenden Jahr zwar fort, allerdings mit weniger Schwung. Zu dieser Einschätzung kommen der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) und die führenden fünf Wirtschaftsforschungsinstitute. In seiner am Montag vorgestellten Herbstumfrage stellt der DIHK fest, dass das Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr um zwei Prozent und im kommenden Jahr um 1,5 Prozent zulegen wird. Die Zahl der Arbeitslosen werde sich 2005 voraussichtlich nicht ändern. Die Forschungsinstitute, die ihre Prognose am heutigen Dienstag vorlegen, rechnen im kommenden Jahr überwiegend mit einem Wachstum von 1,5 Prozent.

Die Bundesregierung, die ihre Schätzungen am kommenden Montag veröffentlicht, muss mit Einnahmeverlusten bei den Steuern und Mehrausgaben für den Arbeitsmarkt rechnen, wenn die Schätzungen der Wissenschaftler und des DIHK zutreffen. Bei der Aufstellung des Bundeshaushalts 2005 geht Finanzminister Hans Eichel (SPD) noch von einem Wachstum von 1,8 Prozent aus.

Entgegen früherer Ankündigungen will Eichel deshalb nun doch noch bis 2006 ein Gesetz zur Vereinfachung des Steuersystems und zum Subventionsabbau vorlegen. Als Voraussetzung nannte Eichels Staatssekretärin Barbara Hendricks (SPD) am Montag allerdings die Einigung der Finanzminister und Ministerpräsidenten der Länder auf einen gemeinsamen Bericht der Finanzministerien, der Konsenspunkte aller Steuerreformmodelle listet. Stimmen die Landespolitiker diesem Bericht zu, sagte Hendricks dem Tagesspiegel am Montag, „dann wird die Bundesregierung an einer Gesetzgebung rasch mitwirken“.

In dem rund 125 Seiten starken Bericht stellen die Steuerbeamten von Bund und Ländern große Gemeinsamkeiten der Steuermodelle von CDU/CSU, FDP und SPD fest. „Der Umfang der Steuerbefreiungen wird unisono als zu weit reichend empfunden“, heißt es im Fazit des Berichtes.

Führende Finanzpolitiker von SPD und Grünen forderten von der Union, sich dem Abbau von Subventionen nicht weiter zu verstellen. „Der Zickzack-Kurs muss ein Ende haben“, sagte Schleswig-Holsteins Finanzminister Ralf Stegner (SPD) dieser Zeitung. Er kündigte die Bereitschaft der SPD an, auch über den Abbau etwa der Steuerfreiheit von Sonntags-, Nacht- und Feiertagszuschlägen zu verhandeln, wenn die Union im Gegenzug auf Eigenheimzulage und Steuerprivilegien für Besserverdienende und Unternehmen verzichtet. „Bei einem fairen Subventionsabbau sind wir dabei“, sagte Stegner. Auch die Vorsitzende des Finanzausschusses im Bundestag, Christine Scheel (Grüne), forderte die Fortsetzung des Subventionsabbaus. Allerdings warnte sie davor, einzelne steuerliche Vergünstigungen davon auszunehmen. „Alle Parteien müssen sich von ihren Lieblingssubventionen verabschieden“, sagte Scheel.

Abgemildert werden könnte das drohende Defizit durch eine Zunahme der Beschäftigung – und entsprechend mehr Steuereinnahmen. Optimistisch zeigt sich hier der Wirtschaftswissenschaftler Michael Burda. „Im nächsten Jahr können zwar noch einige Vollzeitstellen wegfallen“, sagte Burda dem Tagesspiegel. „Aber dafür wird es deutlich mehr Teilzeitstellen und Minijobs geben.“ Denn auch bei geringem Wachstum könnten durchaus neue Jobs entstehen – wenn auch vornehmlich gering entlohnte. Dies habe das Beispiel Spanien gezeigt, wo in der Vergangenheit zahlreiche „growthless jobs“ geschaffen worden seien. Vor allem der erhöhte Druck auf Arbeitslose durch die Hartz IV-Reform könnte eine entsprechende Wirkung zeigen.

Pessimistisch ist dagegen der Wirtschaftswissenschaftler Jürgen Kromphardt. Er geht davon aus, dass sich die Arbeitslosenzahl im kommenden Jahr kaum ändert. „Ein Wachstum von zwei Prozent ist nicht viel“, sagte Kromphardt dem Tagesspiegel. „Im Wesentlichen wird dadurch nur die Produktivitätssteigerung abgedeckt. Für zusätzliche Beschäftigung bleibt da nur wenig übrig.“

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