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Wirtschaft: Weniger Wachstum – noch mehr Schulden

Die Steuereinnahmen sind erneut zurück gegangen/Die Industrie sorgt sich um den Stabilitätspakt

Berlin (asi). Die Konjunkturaussichten in diesem Jahr werden für Deutschland immer düsterer. Mit dem Münchner IfoInstitut für Wirtschaftsforschung hat ein weiteres Forschungsinstitut seine Wachstumsprognose am Donnerstag gesenkt. Inzwischen schätzen alle sechs führenden Institute die Wirtschaftsaussichten pessimistischer ein als die Bundesregierung. „Wir senken die Wachstumsprognose auf 0,9 Prozent, weil die alte Prognose unter der Annahme stand, dass es keinen Irak-Krieg gibt. Wir gehen nun von einem kurzen Krieg aus“, sagte Ifo-Chef Hans-Werner Sinn.

Das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) kündigte ebenfalls eine Senkung seiner Prognose von derzeit 1,0 Prozent an. Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) bekräftigte unterdessen die Regierungsprognose von einem Prozent. „Ich habe immer ein bisschen Sorge vor solch einem Wettlauf, in dem wir zurzeit besonders intensiv interessiert zu sein scheinen, die Situation so kritisch wie möglich zu sehen“, sagte Clement. Als „unkalkulierbare Risiken“ für die Wirtschaftsentwicklung bezeichnete Clement aber den drohenden Irak-Krieg, die hohe Verschuldung der USA und den in der Folge starken Euro-Kurs. „Es gibt nicht wenige Experten, die erwarten, dass er (der Euro) noch sehr viel kräftiger werden könnte“, sagte Clement. Sollte der Irak-Konflikt ohne Krieg gelöst werden, rechne die Regierung mit einer langsamen Aufhellung der Konjunktur und der Lage am Arbeitsmarkt in der zweiten Jahreshälfte, sagte Clement.

In Kreisen des deutschen Finanzministeriums hatte es jedoch schon am Mittwoch geheißen, der Internationale Währungsfonds (IWF) werde angesichts von Abwärtsrisiken für die Weltwirtschaft seine Prognose für Europa und die USA reduzieren. Angesichts solcher Wachstumsaussichten halten es Politiker aller Parteien für immer unwahrscheinlicher, dass Deutschland bei seiner Neuverschuldung in diesem Jahr unter der EU-Obergrenze von drei Prozent bleiben kann. Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) selbst hat eingeräumt, dass die Grenze nur eingehalten wird, wenn das Wachstum mindestens ein Prozent beträgt. Im Januar lagen die Steuereinnahmen von Bund und Ländern nach Angaben des Bundesfinanzministeriums um fast zehn Prozent unter dem Niveau des Vorjahresmonats. Vor allem die Tabak-, Versicherungs- und Mineralölsteuereinnahmen seien spürbar zurück gegangen.

Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Michael Rogowski, warnte die Bundesregierung jedoch, das Drei-Prozent-Verschuldungsziel jetzt mit einem Wirtschaftswachstum von mindestens einem Prozent zu verbinden. Der BDI rechne zwar selbst nur mit einem Wachstum zwischen Null und einem halbem Prozent. Dennoch sei er „nicht bereit, ohne Not auf das Stabilitätsziel zu verzichten“, sagte Rogowski dem Tagesspiegel.

Der BDI-Chef forderte Finanzminister Hans Eichel auf, stattdessen Vorschläge zur Ausgabenkürzung zu machen. „Wir müssen jetzt Dampf machen.“ Neben Subventionsabbau und Privatisierung öffentlicher Aufgaben, sagte Rogowski, müssten Personalausgaben des öffentlichen Dienstes und Renten für ein bis drei Jahre eingefroren werden“.

Der SPD-Finanzexperte Joachim Poß äußerte Zweifel, ob Deutschland mit seiner Neuverschuldung in diesem Jahr wieder unterhalb der EU-Defizitgrenze von drei Prozent liegen könne. Er plädierte für eine flexible Anwendung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes. Poß forderte die Union auf, im Bundesrat konstruktiv zusammenzuarbeiten. Noch warte die Regierung auf konkrete Alternativen von der Opposition, sagte er.

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