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Bahn-Probleme: Wenn das Klima defekt ist

Schon lange weiß die Bahn von den Problemen mit ICE-Lüftungsanlagen. Die neue Hitzewelle könnte wieder zu Ausfällen führen.

Berlin - Der Juli ist ein angenehmer Reisemonat, auch für die Eisenbahn. „Wann erlebt die Bahn ihre schönste Jahreszeit? Natürlich jetzt!“, titelt „DB Welt“, die Mitarbeiterzeitung des Staatskonzerns, in ihrer Juli-Ausgabe auf der ersten Seite. Einem „Sommermärchen“ gleich seien die warmen Wochen. Dass angesichts der Hitze die ICE-Klimaanlagen reihenweise kapitulieren und dem Unternehmen ein heftiges Imageproblem bescheren würden, konnten die Macher des Blattes bei Redaktionsschluss noch nicht ahnen.

Das Management der Bahn womöglich schon. Das legt eine interne Statistik des Unternehmens nahe, die dieser Zeitung vorliegt. Zum „Zustand Flotte ICE 2 – bundesweit“ ist dort für den Juni 2008 bei durchschnittlich vier der insgesamt 44 ICE-2-Züge „Klima defekt“ vermerkt. Der Mittelwert für den Juli lag bei drei, für den August sogar bei sieben Zuggarnituren. Bei beinahe jedem sechsten ICE 2 gab es also Probleme durch die Temperatur. Auch ein ICE-Lokführer berichtet, dass der Ausfall einer Klimaanlage nicht ungewöhnlich ist. „Das gab es immer mal wieder – nur in dieser Häufung nicht“, sagte der Mann, der ungenannt bleiben will, dieser Zeitung. Bahn-Vorstandschef Rüdiger Grube hatte in den vergangenen Tagen indes stets betont, die Anlagen seien bislang „völlig unauffällig“ gewesen – kollabierende Fahrgäste mithin die Ausnahme.

Grube, seit Mai 2009 im Amt, nimmt es beim Krisenmanagement allerdings mit Fakten nicht so genau. In den vergangenen 20 Jahren habe es fünf Tage mit 37 Grad und mehr gegeben, drei davon in diesem Juli, hatte er zur Erklärung der Schadenshäufung gesagt. Der Deutsche Wetterdienst nennt andere Zahlen: Allein zwischen 2006 und 2009 gab es demnach sieben Tage mit 37 Grad und mehr.

Nach einigen Tagen mit gemäßigten Temperaturen wird die Hitze ab diesem Mittwoch wieder zu einem Belastungstest für die Züge. Auf bis zu 35 Grad soll das Thermometer klettern, auch am Donnerstag. Für den Freitag sagt der Deutsche Wetterdienst bis zu 31 Grad voraus. Ausschließen will die Bahn daher nicht, dass erneut Klimaanlagen ausfallen. Knapp 50 Züge musste die Bahn seit dem 9. Juli wegen entsprechender Defekte stoppen.

Nun empfehle der Konzern seinem Zugpersonal, die Klimaanlagen an sehr heißen Tagen nicht mehr ununterbrochen mit voller Leistung laufen zu lassen, erklärte ein Sprecher. „Damit wollen wir verhindern, dass die Anlagen sich überhitzen und ganz ausfallen.“ Zusätzlich werden die Geräte in den Werkstätten besonders gründlich überprüft.

Dass die Probleme auf Wartungsmängel zurückgehen, schließt der Konzern zugleich aus – und weist damit den Vorwurf zurück, mit Blick auf die Börse zu hart gespart zu haben. „Eine Spreizung von Intervallen hat nicht stattgefunden, wir haben alle Vorschriften eingehalten“, erklärte ein Sprecher. Der Aufwand für Reparaturen sei zwischen 2004 und 2009 deutlich gestiegen: Beim Personal habe es ein Plus von 84 auf 96 Millionen Euro gegeben, beim Material von 298 auf 405 Millionen. Auch seien die Anlagen nicht falsch konstruiert. Als „eher dürftig“ bezeichnete die Linken-Verkehrsexpertin Sabine Leidig diese Belege. Schließlich hätten die ICEs angesichts der Probleme mit brüchigen Achsen seit 2008 wesentlich häufiger gewartet werden müssen. Das führt zu Engpässen. „In den Werken fehlen an allen Ecken und Enden Leute“, heißt es bei der Bahn-Gewerkschaft Transnet.

Interne Dokumente zeigen überdies, dass die Bahn zumindest in der ersten Hälfte des Jahrzehnts bei der Wartung heftig gespart hat. Das belegt eine als „streng vertraulich“ eingestufte Aufstellung mit der Überschrift „Optimierung Fristen und Revisionen“. 2003 wurde ein ICE demnach noch alle 1,4 Millionen Kilometer einer gründlichen Überprüfung unterzogen, 2005 nur noch alle 1,65 Millionen Kilometer. „Laufwerkskontrollen“ gab es 2003 noch alle 4400 Kilometer, zwei Jahre später alle 8000 Kilometer – eine Differenz von 82 Prozent. Ein Bahn-Sprecher wollte dazu keinen Kommentar abgeben.

Wie es weitergeht, soll am Donnerstag ein Gespräch des Verkehrsausschusses mit der Bahn und Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) ergeben. Dessen Beamte schreiben in einem Bericht an den Bundestag, Klimaanlagen-Probleme seien „in der Regel keine sicherheitsrelevanten Ereignisse, sondern komforteinschränkende Störungen“. Dennoch prüfe die Bahn, die Geräte im ICE 2 im November „nachzurüsten“. Carsten Brönstrup

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