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Wirtschaft: Wenn Ein-Euro-Jobber tapezieren

Handwerk wirft Wohnungsträgern vor, Arbeitslosengeld-II-Bezieher als billige Kräfte benutzt zu haben

Berlin - Das ist gute Betriebsführung: Man steckt eine größere Summe Geld in ein Projekt, spart dadurch aber an anderer Stelle ein Vielfaches ein, weil man durch das Projekt an kostenlose Arbeitskräfte kommt. Missbrauch wird daraus, wenn dabei Auftragsarbeiten von Ein-Euro-Jobbern erledigt werden, deren Lohn die Jobcenter finanzieren.

Einen solchen Fall will die Handwerkskammer Berlin aufgedeckt haben. Die Kammer wirft sechs großen Berliner Wohnungsbaugesellschaften vor, darunter die GSW und WIR im Gewobag-Verbund, Ein-Euro-Jobber illegal für Renovierungsarbeiten „in erheblichem Umfang“ eingesetzt zu haben. Das Gesetz sieht aber vor, dass die Tätigkeiten der Ein-Euro-Jobber gemeinnützig sein sollen. Renovierungsarbeiten wie Streichen, Lackieren oder Tapezieren gehören nicht dazu.

Der Einsatz der Jobber sei dadurch möglich gewesen, dass sich die Wohnungsbaugesellschaften finanziell an dem gemeinnützigen Projekt „Big Steps“ des Trägers „Jugendwohnen im Kiez“ beteiligt haben, sagt die Handwerkskammer. Im Rahmen dieses Projekts wurden Servicestationen in Wohngebieten eingerichtet, die als problematisch gelten. Arbeitslosengeld-II- Bezieher werden in den Kiezen eingesetzt, um auf wohnliche Missstände aufmerksam zu machen. Danach werden Aufträge an Handwerker vergeben.

„Wir haben Unterlagen, die genauestens dokumentieren, dass die Arbeitslosen im Auftrag der Wohnungsbaugesellschaften Tätigkeiten ausgeführt haben, die sie eigentlich nicht machen sollten“, sagte Arne Lingott von der Handwerkskammer Berlin dem Tagesspiegel. Etwa 300 Personen sollen davon jährlich betroffen sein. Bei den Dokumenten, die dieser Zeitung zum Teil vorliegen, handelt es sich unter anderem um Leistungsberechnungen, in denen die Ersparnis für die Wohnungsgesellschaften durch den Einsatz der Ein-Euro-Jobber aufgelistet wird.

„Wir mussten uns fiktive Preise für die Arbeitseinsätze ausdenken, um den Gesellschaften dann vorzulegen, was sie gespart haben“, sagt ein ehemaliger Koordinator des Projekts „Big Steps“, der anonym bleiben möchte. „Die Gesellschaften haben dadurch in den meisten Fällen 200 Prozent von dem rausgeholt, was sie reingesteckt haben.“ Die Projektleiter und -koordinatoren seien sich zwar bewusst gewesen, dass sie nicht korrekt handelten, hätten aber auf die Zuwendungen der Wohnungsbaugesellschaften nicht verzichten wollen. Immerhin wurden auch ihre Stellen damit finanziert.

Die Arbeitsagentur will diese Fälle jetzt prüfen. Der Sprecher der WIR sagte auf Anfrage, dass es im Vertrag keine Hinweise auf einen Missbrauch gebe. „Wir achten auch darauf, dass keine Arbeiten von Ein-Euro-Jobbern ausgeführt werden, die eigentlich an Handwerker vergeben werden müssten.“ Von der GSW hieß es, dass es zwar Einzelaufträge für Tapezierarbeiten gegeben hätte, allerdings seien diese nach Aussagen der Projektleitung „Big Steps“ zulässig gewesen. „Die Projektleitung hat sich immer vorbildlich verhalten“, so ein GSW-Sprecher. Der Projektträger „Jugendwohnen im Kiez“ räumte in einem Schreiben ein, dass in „kleinerem Umfang auch handwerkliche, gemeinnützige Tätigkeiten“ durch die Arbeitslosen durchgeführt würden, aber nur „soweit diese sonst nicht oder aber zu einem erheblich späteren Zeitpunkt (wie das die offizielle Regelung vorschreibt) erledigt würden“.

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