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Wirtschaft: Wer hat die längste?

Superreiche rüsten auf, um sich von der Masse der Millionäre abzuheben – zum Beipiel mit Luxusyachten

Don Weston war immer stolz, wenn er mit seiner 30-Meter- Yacht durch die Weltmeere kreuzte. Doch als der Geschäftsmann aus Cincinnati neulich bei einer internationalen Bootsshow in Fort Lauderdale in Florida auf dem Deck seines Schiffes stand, wurde seine Yacht von Giganten geradezu überschattet.

Nebenan lag die „Corrie Lynn“, eine 40 Meter lange Motoryacht mit einem übergroßen Whirlpool, fünf Kabinen, ausfahrbaren Plasmafernsehschirmen und einem Wassermotorrad an Bord. Etwas weiter entfernt lag die 60 Meter lange „Alfa Four“, ausgestattet mit Turnhalle, Schwimmbad und Hubschrauberlandeplatz. Gesprächsthema Nummer eins der Show aber war das neue Vergnügungsschiff des Milliardärs Paul Allen, die mehr als 120 Meter lange „Octopus“, die über ein Basketballfeld, ein Musikstudio und eigene U-Boote verfügt. Doch auch dieses Schiff wird bald übertroffen werden: In Dubai wird an einer Yacht für einen saudischen Kunden gebaut, die mit mehr als 150 Metern Länge die Größe eines kleinen Kreuzfahrtschiffs haben wird. „Ich dachte immer, mein Boot hätte eine gute Größe“, seufzt Weston. „Jetzt hält man es für klein. Wie groß sollen diese Boote noch werden?“

Das Yachtgeschäft zeugt von einem neuen Wettrüsten, das unter den Reichen ausgebrochen ist. Seit die Zahl der Millionäre in den USA auf mehr als zwei Millionen gestiegen ist, finden es die Reichen zunehmend schwierig, sich von der Masse abzusetzen. Viele wenden sich deshalb überdimensionierten Luxusgütern zu. Die Superreichen von heute schaffen eine völlig neue Kategorie von Luxusgütern, die bloße Millionäre nicht bezahlen können.

Die typische Länge einer Luxusyacht ist Mitte der 90er Jahre von 25 auf 35 und inzwischen auf weit mehr als 45 Meter angewachsen. Der Markt für Luxusyachten hat sich seit 1997 mehr als verdreifacht, und einige Boote kosten weit mehr als 100 Millionen Dollar (76 Millionen Euro). Es sind Dutzende Boote in Bau, die länger als 60 Meter messen werden. Der teuerste Mercedes war früher der CL600, der Ende der 90er Jahre etwa 100000 Dollar kostete. Im vergangenen Jahr hat Daimler-Chrysler den Maybach62 vorgestellt. Preis: mehr als 350000 Dollar. Seit diesem Jahr verkauft der Konzern den SLR, der mehr als 450000 Dollar kostet und für den es eine lange Warteliste gibt. Die Uhrenhersteller Patek Philippe, Rolex und Breguet verkaufen Uhren, die mehr als 200000 Dollar pro Stück kosten – bei limitierten Sondereditionen kann der Preis auch einmal die Millionengrenze übersteigen.

Die Inflationsrate für Luxusgüter hat einer Studie von Merrill Lynch und der Beraterfirma Capgemini zufolge im vergangenen Jahr sieben Prozent erreicht, mehr als das Doppelte der gesamten Inflationsrate. Der wahre Anstieg ist dabei nicht bei Kleinkram wie teuren Handtaschen, Kleidung und Schuhen, den sich alle wohlhabenden Leute leisten können, sondern bei den sehr kostspieligen Produkten für die Superreichen zu verzeichnen.

Die Preise für Ferienhäuser in Aspen/Colorado, Martha’s Vineyard/Massachusetts, in Nordkalifornien und anderen Nobelferienorten haben sich in den vergangenen Jahren verdoppelt, sagen Immobilienmakler. Sotheby’s und Christie’s haben beide in diesem Monat bei Kunstauktionen mehr als 90 Millionen Dollar eingenommen. Nur wenige der zeitgenössischen Werke wurden unter einer Million verkauft. Rennpferde erreichen Preise, die seit Mitte der 80er Jahre nicht mehr erzielt wurden; ein Jährling wurde bei einer Auktion kürzlich für mehr als acht Millionen Dollar verkauft.

Der Boom bei den Luxusgütern rührt von einem gewaltigen Anstieg der Privatvermögen her. Das Vermögen, das weltweit von Millionären gehalten wird, ist laut einer separaten Studie von Capgemini-Merrill von 26 Billionen Dollar im Jahre 2001 um elf Prozent auf 28,8 Billionen Dollar gestiegen. Das ist mehr als die jährlichen Bruttoinlandsprodukte der USA, Japans, Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens zusammen. Bei denen an der absoluten Spitze scheint es in jüngster Zeit besonders gut zu laufen. Das Vermögen, das von Privatpersonen in Nordamerika kontrolliert wird, die mehr als 30 Millionen Dollar an finanziellen Vermögenswerten – wie Aktien und Obligationen, aber ohne Immobilien – besitzen, stieg laut Capgemini-Merrill von 2,1 Billionen Dollar im Jahre 2002 auf 3,04 Billionen im Jahre 2003.

Ein über die letzten zehn Jahre gesehen steigender Aktienmarkt, höhere Gehälter in den Führungsetagen, steigende Immobilienpreise und niedrigere Steuern für die Reichen werden als Gründe für den wachsenden Reichtum angeführt. Edward N. Wolff, Wirtschaftsprofessor an der New York University, vergleicht die heutigen großen Geldausgeber mit den Adligen am Hofe des französischen Königs Ludwigs XIV. Um sich die Loyalität der Adligen zu sichern, hob der Sonnenkönig kontinuierlich den Preis für die „Eintrittskarte“ zu seinem Hof an, indem er von ihnen verlangte, immer kostspieligere Kleidung zu tragen und immer größere Häuser zu unterhalten. Der größere Geldbedarf der Adligen machte sie noch abhängiger von der Gnade des Königs und ließ ihnen weniger Geld für Waffen.

Heute, sagt Wolff, seien es die Reichen selbst, die den Preis dafür, an der Spitze zu stehen, in die Höhe trieben. „Um ihren Status zu bewahren, konkurrieren sie beim Luxuskonsum“, sagt Wolff. „Die bloße Tatsache, dass diese Gruppe solche Preise bezahlen kann, wird zum Indikator für ihre gesellschaftliche Stellung.“

Unter all diesen unnötigen Anschaffungen sind Yachten am schwersten zu rechtfertigen. Die Eigentümer einer Yacht – nach allgemeiner Definition ein Schiff mit einer Länge von mehr als 25 Metern für den Freizeitgebrauch – nutzen ihre Boote kaum mehr als einen Monat oder allenfalls zwei im Jahr. Der Unterhalt kann Millionen von Dollar im Jahr verschlingen, und die Schiffe verlieren schnell an Wert. Ein neuer Anstrich allein kann mehr als 100000 Dollar kosten. Mehr noch: Das internationale Schiffsrecht verbietet den Yachtbesitzern generell, mehr als zwölf Personen, einschließlich der Crew, zu befördern, so dass auf hoher See keine großen Partys stattfinden können.

Um sich auf hoher See als etwas Besonderes fühlen zu können, müsse man heutzutage schon eine Yacht mit mehr als 60 Metern Länge besitzen, sagen die Hersteller. In den USA begann der Yachtkrieg, als Leslie Wexner, Präsident der Firma Limited Brands, 1997 die 95 Meter lange „Limitless“ bauen ließ. Kurz darauf kaufte Paul Allen, Mitbegründer von Microsoft, die 108 Meter lange „Le Grand Bleu“, dann gab er die „Octopus“ in Auftrag, die die größte Yacht der Welt werden sollte. Experten schätzen, dass dieses Boot 250 Millionen Dollar kostete und weitere zehn Millionen im Jahr verschlingt. Derweil baute Oracle-Chef Larry Ellison sein eigenes Superboot: einen 140 Meter langer Koloss namens „Rising Sun“. Jetzt aber lässt eine saudische Familie ein noch größeres Schiff bauen. Die „Platinum“ soll etwa 160 Meter lang werden und im Frühling vom Stapel laufen. Das Wettrennen um die größte Yacht könnte bald an seine Grenzen stoßen. Die plötzliche starke Zunahme von Yachten hat zu einem weltweiten Mangel an Liegeplätzen geführt. Boote mit einer Länge von über 40 Meter sind für die meisten Yachthäfen zu groß und müssen weit von der Küste entfernt oder an für Kreuzfahrtschiffe bestimmten Terminals vor Anker gehen.

Und nicht immer sind die Besitzer der Riesenyachten mit ihren Erwerbungen zufrieden. „Ein Eigentümer kam schon kurz nach dem Kauf zu mir und wollte das Boot wieder loswerden“, sagt Henk de Vries, Chef des Yachtherstellers Feadship. „Er sagte, wenn er auf dem Deck stehe, fühle er sich zu weit weg vom Wasser.“

Robert Frank

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