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Kochgeschirr auf dem Laufsteg. Im März präsentierte Fissler seine Ware im chinesischen Qingdao bei einer Modenschau.

© Imaginechina

"Made in Germany" wird 125: Wer hat’s erfunden?

Das Gütesiegel für deutsche Waren, das einst als Warnzeichen gemeint war, gibt es seit 1887. Noch heute ist es ein Verkaufsargument – vor allem für den Mittelstand.

Berlin - Auf der Modenschau im chinesischen Qingdao schreitet ein Model elegant über den Laufsteg – mit Glasdeckeln auf ihrer Brust. Um ihre Hüften und ihre Taille baumeln ein Dutzend Siebe. Eine zweite junge Dame trägt Topf statt Handtasche, eine dritte hat den Kragen ihres Kleids mit Rührbesen garniert. Das Kochgeschirr, das hier in Fernost gemeinsam mit asiatischer Mode präsentiert wird, stammt aus Idar-Oberstein, von der deutschen Firma Fissler. „In Japan sind wir eine Lifestyle-Marke“, erklärt Fissler- Chef Markus Kepka die skurrile Werbeidee. Das mittelständische Unternehmen, das seit 167 Jahren ausschließlich in Deutschland produziert, kommt besonders in Asien gut an. „Die Menschen in China und Japan kaufen unsere Waren, weil sie ,Made in Germany’ sind“, sagt Kepka. Das Siegel verspreche ein hohes Maß an Qualität, daher seien die Produkte besonders bei der Oberschicht gefragt. „,Made in Germany’ ist für uns in der globalisierten Welt ein Wettbewerbsvorteil“, sagt der Fissler-Chef.

Das Siegel, mit dem sich deutsche Unternehmen wie Fissler heute schmücken, wird in dieser Woche 125 Jahre alt. Doch bei seiner Entstehung war es alles andere als positiv gemeint. Während Mitte des 19. Jahrhunderts die Briten die Weltmärkte beherrschten, kopierte Deutschland fleißig englische Waren, vielfach in minderwertiger Qualität. Den englischen Messerherstellern in Sheffield wurde das bald zu viel, sie beklagten sich bei der Regierung über die deutsche Billigware und Plagiate. Das britische Parlament stellte sich schützend vor seine Industrie: 1887 wurde der Merchandise Marks Act novelliert, der fortan vorschrieb, alle Produkte aus fremden Ländern zu kennzeichnen, deutsche mit „Made in Germany“.

Doch da war es schon zu spät. Nach der politischen Einigung Deutschlands 1871 schritt die Industrialisierung voran, Pioniere wie Daimler und Siemens exportierten ihre Produkte und Maschinen in alle Welt. Krupp baute Waffen und Eisenbahnen und produzierte wie Thyssen Stahl an Rhein und Ruhr. Zugleich glückten in der chemischen Industrie wichtige Fortschritte – bei Bayer, Hoechst und BASF. Seitdem steht „Made in Germany“ für Qualität, Langlebigkeit und Erfindergeist. Doch welchen Wert hat das Siegel „Made in Germany“ in Zeiten der Globalisierung?

Gefragt. Spielzeug aus Deutschland – hier ein Auto der Marke Siku.
Gefragt. Spielzeug aus Deutschland – hier ein Auto der Marke Siku.

© picture-alliance/ dpa

Viele Produkte, selbst von deutschen Traditionsfirmen wie Porsche, werden zwar hierzulande hergestellt, die Komponenten kommen aber aus aller Welt. Manchmal werden sie auch gar nicht mehr hier gefertigt. „Produkte, die zu 100 Prozent ,Made in Germany’ sind, gibt es in unserer arbeitsteiligen, globalisierten Welt eigentlich nicht mehr“, sagt Justus Haucap, der an der Universität Düsseldorf das Institut für Wettbewerbsökonomie leitet.

Viele Konzerne und Firmen setzen daher heute auf ihre Marke, statt auf das Ländersiegel. Sie profitieren davon, dass ihr Name heute für jene Werte steht, die die Menschen mit „Made in Germany“ verbinden. Egal also, wo ein BMW gefertigt wurde, er gilt als deutsches Produkt.

Aber auch deutsche Firmen, die weniger bekannt sind als die Großkonzerne, gehen zunehmend diesen Weg. „Made by Jungheinrich“ statt „Made in Germany“ heißt es bei der Firma mit Sitz in Hamburg, die Gabelstapler herstellt und Lager-Dienstleistungen anbietet. Für den Europäischen Markt produziert das Unternehmen ausschließlich in Deutschland. „Wir bewerben das nicht extra, weil unser Firmenname bereits für deutsche Ingenieurskunst und Fertigung steht“, sagt Markus Piazza, Unternehmenssprecher bei Jungheinrich.

Auch bei ZF Friedrichshafen sieht man das so. „Wir bewerben unsere Produkte mit ,Made by ZF’, weil nicht in erster Linie der Produktionsort zählt, sondern das Know-How, das hinter den Produkten steckt“, sagt Andreas Veil, Sprecher des Unternehmens. Der Getriebehersteller hat wenig Kontakt mit Endkunden, verkauft größtenteils an die Automobilindustrie. Wenn man neue Kunden anspreche, habe der Zusatz „Made in Germany“ aber tatsächlich eine Wirkung.

Hat das Label also weitgehend ausgedient? Nein, meint Ökonom Justus Haucap. „Made in Germany“ sei weiterhin besonders für kleinere Mittelständler wichtig, deren Markennamen weniger bekannt sind. Die ostwestfälische Firma Claas etwa, die Dreschmaschinen herstellt, nutzt neben ihrer Marke den Zusatz „German Engineering“. Zudem komme es auf die Branche an. „Besonders bei Hightech-Produkten, oder langlebigen Sachen hat das Siegel eine hohe Bedeutung“, sagt Haucap. So werbe die Telekom bei ihren Cloud-Angeboten damit, dass die Daten in Deutschland gespeichert würden. Für Firmen lohne es sich nur, die hohen Produktionskosten in Deutschland auf sich zu nehmen, wenn sie auch Qualität herstellen wollen. „Mit Billigware kann man hierzulande nicht konkurrieren“, sagt Haucap.

Zudem sei das Siegel wichtig für Waren, bei denen die Menschen die Qualität schwer einschätzen könnten. Das bestätigt auch eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts TNS Infratest. 80 Prozent der Befragten finden es wichtig, dass Spielzeug aus Deutschland kommt, 70 Prozent achten darauf bei Lebensmitteln, beim Auto legen mehr als die Hälfte Wert auf die deutsche Herkunft. Bei Kleidung oder Unterhaltungselektronik spielt es dagegen eine geringe Rolle.

Bei den Verbrauchern scheint „Made in Germany“ also auch 125 Jahre nach seiner Entstehung noch lange nicht ausgedient zu haben. „Die Zahlungsbereitschaft der Kunden für Produkte ,Made in Germany’ ist Studien zufolge durchweg höher als für Produkte aus anderen Ländern“, sagt Justus Haucap. Das Siegel lässt sich also zu Geld machen, und hat deshalb einen eigenen Wert. Der Marktforschungs-Dienstleister Global Market Insite beziffert diesen auf 4,1 Milliarden Euro – nach Made in USA und Made in Japan das wertvollste Ländersiegel der Welt.

Genau deshalb gab es jüngst Diskussionen in der Europäischen Union. Bisher darf das Land als Herkunftsland gelten, in dem „die letzte wesentliche, wirtschaftlich gerechtfertigte Be- und Verarbeitung“ vorgenommen wurde. Doch EU-Kommissar Algirdas Semeta machte den Vorschlag, das Gütesiegel nur noch für Produkte zuzulassen, bei denen mindestens 45 Prozent des Wertanteils aus Deutschland stammen. Der Verein Deutsche Gesellschaft für Qualität, in dem mehr als 1000 Firmen Mitglied sind, will sogar noch strengere Regeln. „Es würde Sinn machen, festzulegen, dass bei einem Produkt ,Made in Germany’ 50 Prozent der Wertschöpfung aus Deutschland kommen müssen“, sagt Geschäftsführer Wolfgang Kaerkes.

Für Fissler lohnt sich das Siegel besonders im Ausland, hier legen die Kunden besonders viel Wert darauf, dass das Produkt aus Deutschland stammt. Nur in Frankreich, da funktioniere es nicht, sagt Geschäftsführer Kepka. „In der Heimat der Haute Cuisine ist es schwer, Kochgeschirr aus Deutschland zu verkaufen.“

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