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Wirtschaft: Wie London aus der Asche

Im Jahre 1981 flog Großbritanniens Umweltminister Michael Heseltine über London und was er sah, war nicht gut. „25 Quadratkilometer Ödland am Rande der Stadt.

Im Jahre 1981 flog Großbritanniens Umweltminister Michael Heseltine über London und was er sah, war nicht gut. „25 Quadratkilometer Ödland am Rande der Stadt. Ein riesiger Müllplatz“, schreibt er in seiner Autobiografie über den Beginn der heutigen Docklands. Innerhalb weniger Jahre hatte der Hafen London seine Kunden an Rotterdam und Tilbury verloren – mit 15 000 Arbeitsplätzen. Versuche, neues Wirtschaftsleben anzusiedeln, scheiterten – es fehlte an Geld, an Infrastruktur, an Investoren, geschulten Fachkräften. „Multiples Marktversagen", urteilten die Fachleute.

Heseltine gründete die London Docklands Development Corporation (LDDC). Als die Sanierungsgesellschaft 1998 aufgelöst wurde, hatte sie mit Staatsinvestitionen von nur 1,8 Milliarden Pfund das Zehnfache an Privatmitteln angelockt. Eine Stadt mit heute mehr als 100 000 Arbeitsplätzen war entstanden. Reg Ward, Chef und Inspirator der LDDC, wurde gar von der Karibikinsel St. Kitts angeworben, um dort das Wunder zu wiederholen.

Die LDDC nahm den Lokalbehörden ihre viel zu restriktiv und kleinmütig ausgeübte Planungskompetenz aus der Hand, initiierte Infrastrukturmaßnahmen, erwarb Land, notfalls durch Zwangsenteignungen, und gab es, oft mit Steueranreizen, an geeignete Investoren weiter. So wurden die Rahmenbedingungen geschaffen, damit die Marktkräfte sich entfalten konnten.

Immer wieder überwand London Krisen wie ein Phoenix aus der Asche, indem mit Risikobereitschaft neue Wege gesucht wurden. Der Wiederaufbau nach dem großen Feuer aus dem Jahr 1666, das technologische Wunder des ersten U-Bahn-Baus und der Aufbruch aus dem sozialen Elend des 19. Jahrhunderts in die neuen Vorstädte, die dramatische Umstellung von der Industrie- zur Dienstleistungsstadt, der Big Bang im Finanzviertel, der die Position der City als Weltfinanzzentrum sicherte: Flexibilität, Selbstbewusstsein und Wendigkeit machen London zum unbestrittenen Wirtschaftszentrum Europas mit 7,4 Millionen Einwohnern – Tendenz steigend – und einem Bruttosozialprodukt, das mit 159 Milliarden Pfund vor dem ganz Schwedens und weit vor den 89 Milliarden Pfund von Paris liegt.

Dabei verdienen die Londoner durchschnittlich nur 21 815 Pfund (34626 Euro) im Jahr – weniger als die Hälfte der Frankfurter, die mit 46 317 Pfund (73519 Euro) die reichsten Städter Europas sind. Daran kann man die ungleiche Vermögensverteilung und die großen Sozialprobleme der Stadt ablesen. Was macht London dennoch stark? „Konnektivität“, sagt Hans-Peter Ickemeyer, Europadirektor des Londoner Standortlobbyisten „London First“. Soeben war er in Frankfurt und warb Unternehmen für ein Nanotechnologie-Zentrum in London an. Die Sprachenvielfalt, das Wissenspotenzial, der Zugang zu Risikokapital, die Vernetzung, der Weitblick der Menschen setzen Dynamik frei. Ein Tipp für Berlin? „Wenn man nicht einmal direkt aus New York hin fliegen kann, ist es schon mal schlecht.“ Matthias Thibaut

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