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Zahlen im Vorbeigehen. Das Smartphone und das Kassensystem kommunizieren per Funk. Nicht jedem Verbraucher ist das geheuer.

© picture alliance / dpa

Bezahlen 2.0: Wie wir in Zukunft die Rechnung im Supermarkt begleichen

Smartphones können fast alles. Auch bezahlen im Vorbeigehen. Technisch ist das schon möglich - doch wenn es um ihr Geld geht, sind die Deutschen eher konservativ.

Bezahlen im Vorbeigehen ohne Bargeld – klingt wie im Film, soll in den nächsten Jahren mit EC-Karte oder Smartphone aber Wirklichkeit werden. Durch Near-Field-Communication (NFC) wird sich das Zahlen verändern. Mit dieser Funktechnik können Handys, EC-Karten und andere Geräte kontaktlos Daten auf kurze Entfernung austauschen. Eingesetzt wird dies heute schon bei Zugangskontrollen zum Beispiel von Unternehmensgebäuden oder beim papierlosen Ticketing wie bei Touch & Travel von der Deutschen Bahn. Und demnächst vielleicht als Abrechnungssystem in der Berliner U-Bahn. Die Technologie ist schon seit einigen Jahren in der Erprobung, allerdings kommt sie jetzt erst mit den ersten NFC-fähigen Handys auf den Markt. Das Google-Betriebssystem Android unterstützt bereits die kontaktlose Technik, Apple hat sie für das nächste iPhone im Herbst in Aussicht gestellt.

Vor allem bei Systemen für das Mobiltelefon zeichnet sich ein dichtes Gedränge ab: Google stellte Ende Mai „Google Wallet“ vor. Die Idee ist, dass Kunden lediglich ihr Handy an der Kasse vor ein Terminal halten, um ihren Einkauf zu bezahlen. Und das ganz ohne Gebühren. In den kommenden fünf Jahren soll das Smartphone die Geldbörse überflüssig machen und auf ihm sollen auch Flugtickets oder Theaterkarten hinterlegt werden können.

Der größte Online-Bezahldienst PayPal glaubt ebenfalls, dass die Zukunft der Zahlsysteme in den Smartphones liegt. Anders als Google setzt die Ebay-Tochter aber nicht auf den Funkchip, sondern auf eine Applikation. „Wir haben mit unserer Smartphone-App, die wir 2010 in den USA eingeführt haben, auf Anhieb eine Dreiviertelmilliarde Dollar Warenumsatz bezahlt. Die werden wir 2011 bei weitem übertreffen“, sagte der Deutschland-Chef von PayPal, Arnulf Keese, der „Wirtschaftswoche“. „Und seitdem wir die App auch in Deutschland anbieten, sehen wir hier ähnliche Wachstumsraten.“

Banken und Kreditkartenunternehmen forcieren ihrerseits das kontaktlose Bezahlen mit Karte. So kündigten die Sparkassen an, vom Jahresende an 45 Millionen EC-Karten austauschen zu wollen. „Damit wird fast die Hälfte aller Karten in Deutschland mit dem neuen Funkchip ausgestattet sein. Das ist ein Signal an den Handel, dass auch genügend Kunden die technischen Voraussetzungen für das kontaktlose Bezahlen mitbringen“, erklärt Michaela Roth, Sprecherin des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes. Der Bundesverband der Volks- und Raiffeisenbanken zieht nach und wird 2012 das kontaktlose Bezahlen mit 100 000 Kunden im Raum Hannover testen. Auch Visa will ab dem kommenden Jahr berührungslose Transaktionen ermöglichen; Konkurrent Mastercard bietet es in Ansätzen bereits an. „In Deutschland fängt das jetzt richtig an“, hofft Luke Olbrich, Chef im Bereich Debitkarten bei Mastercard.

Die Akzeptanz der Kunden ist allerdings eine größere Herausforderung als die Technik. Denn wenn es um Geld geht, sind die Deutschen eher konservativ. Trotz Kredit-, Geld- und EC-Karten werden im Einzelhandel 60 Prozent der Einkäufe immer noch bar bezahlt. In Schweden dagegen laufen sieben von zehn Zahlungsvorgängen elektronisch ab.

Sicherheit und Datenschutz stehen laut einer Studie der Bundesbank für den deutschen Verbraucher an oberster Stelle. Es muss sichergestellt sein, dass Unbefugte nicht im Vorbeigehen Geld vom Smartphone ziehen können. Zudem werden Bezahlvorgänge ausgewertet. „Aus den Abrechnungsdaten könnten Internetkonzerne eine Menge Informationen gewinnen, die um ein Vielfaches wertvoller sind als die Daten, die sie heute über ihre Nutzer sammeln. Zu wissen, wer wo was gekauft hat – für die Werbeindustrie ist das ein Eldorado“, mahnt Thomas Sontheimer, Partner Financial Services bei Accenture. Der Kunde werde am Ende entscheiden müssen, ob er auf sein Bargeld verzichten will.

Doch bevor sich der Verbraucher auf die neuen Zahlungsmodalitäten einlassen kann, muss noch ein Beteiligter mitziehen – der Handel. Denn nur wenn man flächendeckend im Vorbeigehen bezahlen kann, findet der Kunde auch Interesse daran. Nach Angaben des Einzelhandelsforschungsinstituts EHI plant jeder zehnte Händler noch für 2011 die Einführung kontaktloser Bezahlsysteme. Gegenwärtig sieht es noch mager aus: Zwar können Mastercard-Kunden heute über das kontaktlose System „PayPass“ bei mehr als 320 000 Händlern weltweit bezahlen, in Berlin aber nur bei Galeries Lafayette und einigen Star-Tankstellen. Das Kreditkartenunternehmen kündigte jedoch an, dass bis 2013 immerhin alle Aral-Tankstellen nachziehen würden. (mit dpa)

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