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Alle Vorwürfe von sich gewiesen. Utz Claassen führte den EnBW-Konzern und zuletzt den Mittelständler Solar Millennium – allerdings nur 74 Tage lang. Foto: picture-alliance/ dpa

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Wirtschaft: Windige Geschäfte mit der Sonne

Der Streit zwischen Solar Millennium und Utz Claassen kommt vor Gericht. Jetzt ermittelt auch die Bafin – gegen einen Aufsichtsrat

Berlin - 74 Tage. Länger hielt es der schillernde Manager Utz Claassen nicht aus bei dem fränkischen Mittelständler Solar Millennium. Dann trat er als Vorstandschef zurück und stürzte so den Planer und Hersteller solarthermischer Kraftwerke in eine tiefe Krise. Denn Claassen, der vorher Chef des großen Energiekonzerns EnBW war, pochte darauf, seine ausgehandelte Antrittsprämie ausgezahlt zu bekommen: neun Millionen Euro. Diese umgerechnet gut 191 000 Euro pro Tag sind viel Geld für eine Firma, die damals nur 180 Angestellte beschäftigte.

Ob Claassen dieses Geld zusteht oder ob er große Teile davon zurückzahlen muss, darüber wurde seit seinem spektakulären Rücktritt im März 2010 viel gestritten, geschrieben und philosophiert. Vom 9. September an will sich nun das Landgericht Nürnberg-Fürth zivilrechtlich mit dieser Frage beschäftigen. Damit dürfte der kuriose Fall allerdings nicht wirklich vor der Auflösung stehen. Denn jetzt tauchen neue Vorwürfe auf, unter anderem gegen den Aufsichtsrat. Die Nürnberger Staatsanwälte haben bereits vor Wochen gegen Mitglieder des Kontrollgremiums Vorermittlungen wegen des Verdachts auf schwere Untreue und Verstöße gegen das Aktienrecht aufgenommen, wie allerdings erst am Dienstag bekannt wurde.

Und ein neuer Vorwurf im Zusammenhang mit der Berufung Claassens beschäftigt nun auch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin). Diese geht dem Vorwurf des Insiderhandels nach, der grundsätzlich strafbar ist. Hannes Kuhn, Solar-Millennium-Gründer, größter Anteilseigner und heutiges Aufsichtsratsmitglied, soll sich im November 2009 rund 150 000 Aktien des Unternehmens gesichert haben, während er mit Claassen persönlich über die Ausgestaltung seines Vertrages verhandelte. Wenig später, am 15. Dezember, gab das Unternehmen die spektakuläre Neuverpflichtung von Utz Claassen bekannt. Der kleine Mittelständler wurde sofort bundesweit bekannt. Der Aktienkurs stieg in den folgenden Wochen um 20 bis zu 50 Prozent.

Zufall, Absicht, Mauschelei? Ein Sprecher des Aufsichtsrates erklärte den Vorgang am Dienstag, als handele es sich um eine Art Missverständnis. Kuhn habe die Aktien nicht für sich, sondern für Claassen organisiert. Bereits im vergangenen Mai habe der Aufsichtsrat klargemacht, dass der damalige Vorstandsvorsitzende Claassen „ein umfangreiches Aktienpaket“ als Teil seiner Vergütung gefordert hat. „Zu keinem anderen Zweck sind in diesem Zusammenhang Aktiengeschäfte getätigt worden“, erklärte der Sprecher weiter. Natürlich sei der Aufsichtsrat an einer „vollumfänglichen und zügigen Aufklärung interessiert“ und unterstütze die Behörden in ihrer Arbeit.

Utz Claassens Rechtsanwalt Frank Silinger aus Hannover bestätigte am Dienstag, dass Kuhn Claassen Aktien angeboten habe, die ihm persönlich gehören – wie es bei der Ausgestaltung von Dienstverträgen für Manager auch üblich sei. „Allerdings kam es dazu nicht. Auch hätte Claassen es in jedem Fall abgelehnt, Aktien aus einem potenziell illegalen Geschäft anzunehmen“, sagte Silinger dem Tagesspiegel. „Wir glauben eher, dass Herr Kuhn auf eigene Kappe ein Geschäft mit dem guten Namen von Utz Claassen machen wollte – und das auch noch auf dem Rücken von Aktionären, die diesem Unternehmen mit ökologischem Ruf ihr Vertrauen geschenkt haben.“

Angesichts solcher Vorwürfe geraten auch operative Abläufe bei Solar Millennium ins Stocken – wenngleich eine Sprecherin gestern jeden Zusammenhang mit den Streitigkeiten rund um Kuhn und Claassen zurückwies. Vergangene Woche musste das Unternehmen zunächst die Vorlage seines Zwischenberichtes um eine Woche verschieben. Nun will Solar Millennium erst am kommenden Freitag Zahlen vorlegen, was die Sprecherin mit Urlaubszeit und personellen Umbrüchen im Unternehmen begründete. Zugleich gab das Unternehmen gestern auch einen Wechsel auf dem Posten des Finanzvorstandes bekannt. Oliver Blamberger scheide „auf eigenen Wunsch aus“ und werde von September an von Martin Löffler ersetzt.

„Wir versuchen, uns auf unsere derzeitigen Projekte zu konzentrieren“, sagte die Sprecherin weiter. Das wäre zum Beispiel auf den Bau des derzeit größten solarthermischen Kraftwerkes der Welt, das derzeit in dem Wüstenstädtchen Blythe, 350 Kilometer östlich von Los Angeles entsteht. Der Kraftwerksbau hat ein Volumen von zwei Milliarden Euro. Angesichts solcher Größenordnungen, die normal nur Industriekonzerne wie Siemens stemmen, kann das Unternehmen derzeit keinen Stress gebrauchen.

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