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Wirtschaft: „Wir dürfen keine Beitragssenkungen erwarten“

DAK-Vorstand Rebscher über Erwartungen an die Reform, steigende Kosten und Hüften für 80-Jährige

Herr Rebscher, die CDU erwartet, dass bis zum Jahresende die große Gesundheitsreform steht. Teilen Sie den Optimismus?

Überhaupt nicht. Dafür liegen die Vorstellungen viel zu weit auseinander.

Was erwarten Sie von der Reform?

Ich will es einfach, wenig bürokratisch und wirksam.

Welches Modell kommt Ihrer Vorstellung am nächsten: Bürgerversicherung oder Kopfpauschale?

Keines davon. Die Bürgerversicherung führt wegen der Ausweitung der Beitragsbasis um Mieten und Kapitalerträge zu einer unsinnigen Zusatzbürokratie, die Kopfpauschale hat schwer kalkulierbare Kosten zur Folge. Steuerfinanzierte Modelle sind nicht stabil und daher wenig verlässlich. Und auch das Mischmodell...

... also die Kombination einer kleinen Kopfpauschale von 15 Euro plus Beitragssatz der Gesetzlichen plus Zusatzeinkünfte aus Mieten, Zinsen, Kapitalerträgen...

...ist die Summe aller Nachteile. Das wäre der bürokratische Supergau.

Was würden Sie denn vorschlagen?

Ich würde nicht mehr Geld ins System pumpen, sondern erst einmal sehen, wo die Probleme liegen. Wir brauchen eine neue Debatte darüber, was Aufgabe der Krankenversicherung und was Aufgabe des Steuersystems ist. Es ist nicht unser Job, gesellschaftspolitische Aufgaben über Beiträge zu finanzieren.

Wie zum Beispiel?

Versicherungsfremde Leistungen, wie das Mutterschaftsgeld, sollten über Steuern finanziert werden.

Das gab es schon einmal, ist von der großen Koalition aber gerade wieder zurückgenommen worden.

Ein riesiger Fehler, das hat den Kassen damals fünf Milliarden Euro erspart. Ich bin dafür, es wieder einzuführen. Außerdem wäre es sinnvoll, für gemeinwohlorientierte Produkte wie Medikamente nur den ermäßigten Steuersatz zu erheben. Damit könnten die Kassen ein paar Milliarden Euro sparen.

Auch Kinder sind eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Müsste konsequenterweise nicht auch die Krankenversicherung von Kindern über Steuern finanziert werden?

Das würde den Steuerzahler rund 15 Milliarden Euro kosten. Aber ich lehne den Vorschlag nicht allein wegen der Kosten ab. Wenn rechtlich nicht sichergestellt ist, dass das Geld nicht nur der Sozialversicherung zugute kommt und auch Kinder mitfinanziert werden, die in der Privatversicherung sind, bedeutet das, dass die gesetzlichen Kassen ihren Mehrwert für junge Familien verlieren: die beitragsfreie Mitversicherung der Kinder.

Alle diskutieren über die Einnahmen. Ist angesichts steigender Kosten nicht auch eine weitere Ausgabenbegrenzung nötig?

Wir müssen uns sehr genau überlegen, welche Leistungen wir künftig noch bezahlen wollen. Aber die klare Botschaft ist: Wenn medizinischer Bedarf da ist, wird der medizinische Bedarf bedient. Darum werden wir auch künftig 80-Jährigen die künstliche Hüfte bezahlen.

Wird Gesundheit mit der Reform billiger?

Nein. Wir dürfen keine Beitragssenkungen erwarten, sondern müssen froh sein, wenn es keine Erhöhungen gibt. Daran wird sich der Erfolg eines Gesundheitsministers bemessen.

Erwarten Sie 2006 steigende Beiträge?

In diesem Jahr nicht. Für das nächste Jahr wage ich noch keine Prognose.

Herbert Rebscher (51) ist Vorstandsmitglied der zweitgrößten deutschen Krankenkasse DAK. Die Kasse zählt knapp 4,7 Millionen Mitglieder. Das Gespräch führte Maren Peters.

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