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Wirtschaft: „Wir haben riesigen Nachholbedarf“ HANS BERTRAM (59)

Als Sozialwissenschaftler, der sich schon seit seiner Promotion mit dem Thema Kinder und Eltern beschäftigt, habe ich schon viele Familienminister und Familienministerinnen in Deutschland erlebt. Die Heftigkeit der gegenwärtigen Debatte über Familienpolitik sehe ich eher gelassen.

Als Sozialwissenschaftler, der sich schon seit seiner Promotion mit dem Thema Kinder und Eltern beschäftigt, habe ich schon viele Familienminister und Familienministerinnen in Deutschland erlebt. Die Heftigkeit der gegenwärtigen Debatte über Familienpolitik sehe ich eher gelassen.

Die meisten negativen Urteile über das Elterngeld werden von 50- bis 60-jährigen männlichen Journalisten geschrieben, während die Töchter und Großväter öffentlich wenig dazu sagen. Mit dem wirklichen Leben von jungen Frauen in Deutschland hat das aber nichts zu tun. Die meisten Töchter suchen sich Jobs und wollen arbeiten. Die Frage ist nur, ob sie neben ihrer Karriere auch noch Kinder bekommen. In Deutschland haben wir im Vergleich zu anderen europäischen Ländern einen riesigen Nachholbedarf. Wir haben uns einfach nicht so schnell wie andere auf die Tatsache eingestellt, dass wir keine Industriegesellschaft mehr sind, sondern eine Informationsgesellschaft. Viele politischen Ordnungsmuster und Organisationsregeln in der Wirtschaft aber sind auf das alte Modell der Familie mit einem männlichen Ernährer eingestellt, der feste Arbeitszeiten in einem Großbetrieb hatte.

Deshalb haben wir im 7. Familienbericht für die Bundesregierung auch die Zeitpolitik als eine so wichtige Baustelle identifiziert. Nehmen Sie die starre 40- oder 38,5-Stunden-Woche: In Schweden arbeiten Eltern häufig nur 33 Stunden die Woche, dafür machen sie weniger Ferien. Singles können stattdessen 50 Stunden die Woche arbeiten und länger in Urlaub fahren.

Die Aufregung um das Elterngeld wird sich legen. Es dauert immer eine ganze Generation, bis sich ein neues Familienbild durchsetzt. Soweit ich die Geschichte der Familie überblicke, gab es darum immer Auseinandersetzungen.

BERUF

Professor für Soziologie an der Humboldt-Universität, Familienforscher

LEBT IN

Zeuthen

FAMILIE

Drei Geschwister, verheiratet, drei Söhne, 30, 28 und 26 Jahre alt, keine Enkel

RENTENEINTRITT

voraussichtlich 2011

ALTERSVORSORGE

Beamtenpension

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