zum Hauptinhalt

Wirtschaft: „Wir hauen den Knoten nicht durch“

Angela Merkels G-8-Berater Bernd Pfaffenbach über die schwierigen Verhandlungen zum Klimaschutz

Ist der Gipfel schon gescheitert, bevor er angefangen hat?

Überhaupt nicht. Die Agenda wird allgemein gelobt. Natürlich gibt es immer hier und dort Kritik. Wenn Sie auf das Thema Klima anspielen: Es ist normal, dass es in der Endphase Schwierigkeiten gibt. Ich bin zuversichtlich, dass wir auch hier einen Ansatz finden, der in die richtige Richtung geht. Aber die Erwartungen sind zu hoch. Man kann nicht einen so langfristigen Prozess, wie es eine Nachfolgereglung für das Kyoto-Protokoll wäre, über Nacht in Heiligendamm auf den Weg bringen. Wir wollen einen Schritt nach vorne machen, aber es wird noch viele Schritte geben müssen.

Wie kann der Ansatz aussehen?

Auf dem Weg nach Heiligendamm haben wir schon große Fortschritte erzielt. Erstmals wird von allen Partnern – ich will jetzt keine hervorheben – anerkannt, dass die Erderwärmung stark durch menschliches Handeln verursacht wird. Es ist ein Zugeständnis, dass dies in den Abschlussdokumenten stehen soll. Man wird sich allseits zum Handeln verpflichten. Auch das geht über bisherige Erklärungen hinaus.

Wird es quantitative Festlegungen geben?

Wir streben solche Ziele an. Die Schwierigkeit besteht darin, dass die Europäische Union mit der Kanzlerin als Ratspräsidentin bereits sehr ambitionierte Beschlüsse gefasst hat, während die Nicht- Europäer skeptisch sind. Es ist eine gewisse Allergie gegen europäische Vorgaben spürbar. Dabei geht es um ein globales Problem. Es ist nicht unsere Absicht, das europäische Modell eins zu eins auf die Welt zu übertragen. Auch wir sind gesprächsbereit. Wir können verschiedene Modelle koppeln.

Es gibt also eine Kluft zwischen den USA, Kanada und Japan auf der einen Seite und den Europäern auf der anderen?

Ich würde es nicht Kluft nennen. Aber einige Länder gehen progressiver an das Thema heran als andere. Die USA zum Beispiel haben im Moment andere innenpolitische Prioritäten – denken Sie an die Themen Irak und Immigration.

Ist es überhaupt sinnvoll, eine Kompromisslinie zu suchen? Wäre es nicht klüger, den Gipfel ohne gemeinsames Dokument zum Klimaschutz zu beenden?

Das wäre denkbar. Es wäre sogar unvermeidlich, wenn die Kanzlerin so unter Druck käme, dass sie unsere Grundprinzipien aufgeben müsste. Eines der Grundprinzipien ist, dass ein neues Klimaschutzabkommen im Rahmen der Vereinten Nationen verhandelt werden muss. Ein weiteres ist, dass wir wissenschaftliche Erkenntnisse zum Klimaschutz ernst nehmen und nicht verwässern wollen. Würden diese roten Linien überschritten, dann wäre es in der Tat sinnvoller, dass man überhaupt kein Dokument hätte. Aber so pessimistisch bin ich nicht.

Ist mit der aktuellen US-Regierung bei diesem Thema überhaupt die Art von Fortschritt zu erzielen, die Sie anstreben?

Es ist im Moment nicht sehr einfach. Das Thema ist in den USA nicht so ausgeprägt wie bei uns. Aber wir haben den Vorsitz, und wir müssen es jetzt auf den Tisch legen, denn jedes weitere Jahr ohne Handeln ist ein verlorenes Jahr. Bis Ende 2009 müssen die Verhandlungen eines Nachfolgeabkommens für das Kyoto-Protokoll abgeschlossen sein, damit es ab 2013 gelten kann. Die Zeit verrinnt schnell. Aber wir können und wollen nichts mit Brachialgewalt machen, und wir werden niemanden in die Ecke stellen.

Beim Thema Afrika hat Präsident Bush gerade angekündigt, die US-Mittel für den Kampf gegen Aids um 22 Milliarden Dollar aufzustocken und damit in den kommenden fünf Jahren zu verdoppeln. Werden die übrigen G-8-Staaten folgen?

Wir beanspruchen bei dem Thema eine gewisse Urheberschaft, aber wir erstrecken es auf das Gesundheitssystem in Afrika insgesamt und wollen über HIV/Aids hinaus Malaria und Tuberkulose einbeziehen. Die amerikanische Initiative kam etwas kurzfristig. Wir beschäftigen uns zurzeit sehr intensiv mit ihr.

Werden die anderen G-8-Staaten ihr Budget ebenfalls verdoppeln?

Über Zahlen kann ich noch nicht sprechen. Wir wissen auch informell erst seit wenigen Tagen von dieser Initiative. Auch andere Staaten waren überrascht von dem Vorstoß, der aber in der Sache sehr willkommen ist. Ich spreche bereits mit meinen Kollegen darüber. Natürlich wäre es schön, wenn wir ein Gesamtkonzept der G 8 aufstellen könnten. Ob das so schnell gelingt, weiß ich jedoch nicht.

Wird Deutschland das Versprechen von Gleneagles halten?

Wir stehen voll dazu. Wir haben zugesagt, bis zum Jahr 2010 die öffentliche Entwicklungshilfe auf 0,51 Prozent unseres Bruttonationaleinkommens anzuheben. Wir sind auf gutem Weg dorthin: Der Stand im vergangenen und in diesem Jahr ist 0,38 Prozent. Aber wir kommen in eine schwierige Phase, denn bisher konnten wir unsere Beiträge zu einem Großteil durch Schuldenerlasse, unter anderem gegenüber Nigeria und Irak, leisten. Wenn wir weiter aufsatteln wollen, geht das nur mit Cash. Wir werden einen Pfad finden, der die Erreichung der Ziele sicherstellt.

Ich versuche mal eine Übersetzung: 0,51 Prozent in 2010 sind sicher, aber in 2008 und 2009 könnten die Hilfen unter das derzeitige Niveau sinken.

Das könnte sein – wenn wir keine anderen Maßnahmen ergreifen. Da denke ich an zusätzliche Barmittel im Haushalt oder innovative Finanzinstrumente.

Welche?

Frankreich zum Beispiel hat eine Flugticketsteuer eingeführt. Allerdings ist der Ertrag in diesem Modell mit 200 Millionen Euro pro Jahr nicht sehr groß. Die Kanzlerin hat ja gerade erklärt, dass sie sich Teile der Erlöse aus der Versteigerung von Emissionsrechten als Finanzquelle vorstellen könnte.

Und wenn das nicht klappt, werden die Ziele von Gleneagles verfehlt?

Nein. Wir haben uns zu den Zielen bekannt, und wir werden sie einhalten. Wenn nicht so, dann auf anderem Weg.

Ihr wievielter G-8-Gipfel ist das?

Der siebte, davon der dritte als Sherpa.

Wird das Ihr letzter in Deutschland sein?

Davon gehe ich aus. Wir sind ja erst in acht Jahren wieder dran.

Was sollen wir später einmal unter dem Begriff Heiligendamm-Prozess verstehen?

Die stärkere Integration der Schwellenländer China, Indien, Mexiko, Brasilien und Südafrika. Wir wollen keine Erweiterung, aber wir wollen einen strukturierten Dialog. In zwei Jahren, beim Gipfel in Italien, soll ein Bericht zu bestimmten Themen vorgelegt werden, zum Beispiel zur Investitionsfreiheit, zum Schutz geistigen Eigentums oder zur sozialen Dimension der Globalisierung. Auch die bessere Koordinierung der Entwicklungshilfe fällt darunter. Wir wollen Kooperation statt Konfrontation. Dieser Gedanke wird in den fünf Schwellenländern sehr positiv aufgenommen.

Da sind wir ja wieder am Anfang des Gesprächs, denn China und Indien sehen sich ja nicht als Urheber der Erderwärmung.

Eines muss man akzeptieren: Diese Länder haben in der Vergangenheit nicht in gleicher Weise zur Erderwärmung und Verschmutzung beigetragen wie wir, die wir schon länger industrialisiert sind. Diese Länder sind in einer anderen Entwicklungsphase. Wir haben gemeinsame, aber zu differenzierende Verantwortungen – das ist die Formel. Sicher ist, dass die Schwellenländer stärker in das nächste globale Klimaschutzabkommen einbezogen werden müssen.

Wenn Sie an Ihre ursprünglichen Ziele für Heiligendamm zurückdenken: Wie viel Prozent haben Sie erreicht? 20, 40 oder 60?

Ich mag keine Zahl nennen, denn einiges hängt noch von dem Klima-Thema ab. Wir werden nächste Woche noch ein außerplanmäßiges Sherpa-Treffen in Berlin haben, bei dem diese Frage im Zentrum steht. Dabei können wir 100 Prozent nicht erreichen, weil die Erwartungen so hochgeschraubt sind. Wir können in Heiligendamm nicht den Knoten durchhauen. Es wird kein neues globales Klimaregime wie Phoenix aus der Asche steigen. Das ist ausgeschlossen. Aber wir werden hoffentlich einen Schritt nach vorne machen. Ich hoffe nicht, dass es zu gespaltenen Voten kommt.

Das Interview führte Moritz Döbler

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false