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Wirtschaft: „Wir können das ganze Land beliefern“

PIN-Aufsichtsrat Thiel über Geschäftsaussichten und Vorwürfe der Gewerkschaft

Herr Thiel, schon bald wollen Sie mit Ihren Boten der Deutschen Post das normale Briefgeschäft streitig machen – im ganzen Land. Haben Sie schon einen Kahn für die Zustellung im Spreewald gekauft?

Noch nicht. Aber wir haben Tausende von Zustellern, ausgestattet mit Fahrrädern oder Smarts, und diese Flotten bauen wir ständig aus. Nächstes Jahr werden wir auch einige Tausend grüne Briefkästen in Deutschland aufgestellt haben.

Sie werden Briefe also auch in die entlegensten Winkel bringen?

Wir werden den handgeschriebenen Brief von der Hallig in den Bayerischen Wald oder umgekehrt transportieren. Und wir sind auch bereit in den Universaldienst einzusteigen, wenn wir die gleichen Marktbedingungen bekommen, unter denen die Post heute agiert, also eine Mehrwertsteuerbefreiung. Auch dann werden wir nach wie vor günstiger sein als die Deutsche Post. Briefmarken gibt es in den Shops und Annahmestellen des ständig wachsenden Filialnetzes. Zudem gibt es auch die Möglichkeit, Briefmarken über das Internet zu beziehen oder telefonisch zu bestellen. Wir können also das ganze Land mit unserem Service abdecken.

Post-Briefvorstand Hans Dieter Petram sagte kürzlich, mit klassischen Briefen lasse sich in Zukunft immer weniger Geld verdienen. Woher nehmen Sie den Optimismus?

Wenn der Postvorstand der Ansicht ist, mit dem Briefgeschäft kein Geld verdienen zu können, kann er es uns ja zum Kauf anbieten. Im Ernst – der Markt bleibt hoch interessant, das zeigt auch ein Blick in die USA. Dort werden heute mehr Briefe versandt als jemals zuvor. Es werden sich auch neue Produkte entwickeln wie intelligente Formen der Infopost, also Sendungen, die Kunden ganz gezielt ansprechen und auf deren Bedürfnisse abgestimmt sind. E-Mails werden dagegen nicht den klassischen Brief ersetzen, das ist eine ganz andere Art der Kommunikation. Die Menschen werden sich auch weiterhin Geburtstagswünsche oder Urlaubsgrüße per Brief oder Karte schicken.

Welche Investitionen planen Sie für den Angriff auf die Post?

Wir bauen 20 bis 24 Postverteilzentren in Deutschland auf, nach dem Vorbild unserer Anlage in Berlin-Hellersdorf. Dafür werden wir in den nächsten fünf Jahren jährlich einen zweistelligen Millionenbetrag aufwenden. Darüber hinaus sind wir gerade dabei, in Berlin ein Service Center aufzubauen, wo zentrale Dienstleistungen für den Konzern bereitgestellt werden.

Die Gewerkschaft Verdi behauptet, die Briefe sind bei Ihnen in den Händen von schlecht ausgebildeten und schlecht bezahlten Mitarbeitern.

Alle unsere Mitarbeiter werden bei Einstellung in unserem Schulungszentrum umfassend ausgebildet. Darüber hinaus bieten wir zusätzliche Schulungen und Weiterbildungsangebote an, die von den Mitarbeitern auch regelmäßig genutzt werden. Zudem setzten wir nach Öffnung der Postberufe für private Briefdienstleister auf die eigene Berufsausbildung unseres Nachwuchses. So bilden wir seit September 2006 insgesamt 25 Jugendliche zu Fachkräften und Kaufleuten für Kurier- Express- und Postdienstleitsungen (KEP) aus. Hinzu kommen weitere neun Ausbildungsplätze in anderen kaufmännischen Berufen. Allein in Berlin haben wir sechs zusätzliche Ausbildungsplätze geschaffen. Was die Bezahlung unserer Zusteller anbelangt, liegen unsere Stundensätze deutlich über den derzeit diskutierten Mindestlöhnen. Die Mehrzahl unserer Zusteller ist fest angestellt.

Trotzdem gibt es Überlegungen im Berliner Senat im Zusammenhang mit den Lohndumping-Vorwürfen, Briefe nicht mehr von Ihnen, sondern der Deutschen Post austragen zu lassen. Wie reagieren Sie?

Eine solche Drohung ist uns nicht bekannt. Ganz im Gegenteil, der Senat hat im Sommer den Zweijahresvetrag mit der PIN sogar um ein weiteres Jahr verlängert.

Das Interview führte Nils-Viktor Sorge.

Günter Thiel (54) ist Aufsichtsratschef der PIN AG, dem größten Post-Konkurrenten bei Briefen. Beteiligt sind Verlage wie Springer und Holtzbrinck. Zu letzterem gehört auch der Tagesspiegel.

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