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Wirtschaft: „Wir können nicht beliebig Raps anbauen“

Klassischem Biodiesel sind Grenzen gesetzt

Herr Kaltschmitt, womit werden unsere Autos im Jahr 2020 angetrieben?

Wir werden auch künftig einen Mix unterschiedlicher Kraftstoffe haben. Aber der Anteil alternativer Kraftstoffe wird in den kommenden Jahren sukzessive zunehmen. Bis 2020 könnten maximal zehn bis 15 Prozent erreicht werden.

Welche Rolle wird Biodiesel dabei spielen?

Biodiesel wird sicher weiter im Verkehrssektor eingesetzt werden. Aber ohne verstärkte Importe von Pflanzenöl wird man dabei bald an Grenzen stoßen. In Deutschland kann nicht beliebig viel Raps angebaut werden.

Welche anderen alternativen Kraftstoffe werden wichtig sein?

Bioethanol – ein Benzinersatz, den man etwa aus Getreide gewinnt – wird zunehmend Marktanteile gewinnen. Da sind momentan einige Anlagen in Bau. Offen ist, inwieweit gasförmige Bioenergieträger – etwa Biogas – Bedeutung erlangen. Nicht zuletzt dürften aber auch synthetische Kraftstoffe eine Rolle spielen, die aus Biomasse gewonnen werden – also Biomass to Liquid, kurz BTL.

Diese BTL-Produkte gelten als nächste Generation der Biokraftstoffe. Viele Experten halten sie für die beste Alternative – gilt das auch aus Ihrer Sicht?

BTL ist ein viel versprechender Weg. Rein technisch ist es möglich, bis zu 25 Prozent der deutschen Kraftstoffnachfrage mit BTL zu decken. Bisher fehlt aber noch der Nachweis der wirtschaftlichen Machbarkeit. Außerdem ist noch offen, welches der unterschiedlichen technischen Konzepte zu bevorzugen ist.

Wann wird BTL denn reif für die Vermarktung sein?

Wenn es gelingt, BTL-Anlagen technisch zuverlässig zu bauen und die Kosten deutlich zu senken, könnten BTL-Kraftstoffe in zehn bis 15 Jahren einen energiewirtschaftlich relevanten Teil zum Verkehrssektor beitragen. Das funktioniert allerdings nur mit einer entsprechenden politischen Flankierung.

Die Bundesregierung plant aber schon jetzt, Biokraftstoffe zu besteuern. Noch in diesem Jahr soll es eine Steuer auf Biodiesel geben. Werden diese Pläne die Entwicklung der Biokraftstoffe bremsen?

Die Biokraftstoffe werden auch in den kommenden Jahren noch nicht mit fossilen Kraftstoffen konkurrieren können. Deshalb brauchen wir auch weiter steuerliche Anreize, sonst wird es keine Biokraftstoffe mehr geben. Die Anreize müssen so gestaltet sein, dass sie den Biokraftstoffen einen maximalen Marktzutritt ermöglichen und die volkswirtschaftlichen Steuerausfälle dabei in Grenzen gehalten werden.

Für die Herstellung der Biokraftstoffe sind landwirtschaftliche Produkte nötig. Wie werden sich die Bauern umstellen müssen?

Wenn BTL sich durchsetzt, wird vor allem die Nachfrage nach fester Biomasse wachsen – also nach Holz und Stroh. Das heißt, dass vor allem die Forstwirtschaft große Mengen an Holz zur Verfügung stellen muss. Das ist eine neue Herausforderung, weil sie dann nicht mehr möglichst hochwertiges Holz, sondern einfach große Mengen produzieren muss. Auch die Landwirtschaft muss sich überlegen, wie sie kostengünstig möglichst viel Biomasse liefern kann – zum Beispiel beim Getreide.

Das könnte zu Lasten der Lebensmittelproduktion gehen. Schon heute beklagen sich die Hersteller von Margarine über Lieferengpässe beim Rapsöl, weil das zum großen Teil in die Produktion von Biodiesel geht. Müssen wir in Zukunft unsere Nahrung für den Sprit opfern?

Nein, grundsätzlich gibt es da kein Problem. Europaweit sind genügend Anbauflächen vorhanden. Allerdings könnten die Agrarprodukte langfristig teurer werden, wenn die Energiewirtschaft als zusätzlicher Nachfrager auftritt. Das ist das Wesen der Marktwirtschaft.

Das Interview führte Stefan Kaiser.

Martin Kaltschmitt ist seit 2001 Geschäftsführer des Instituts für Energetik und Umwelt in Leipzig. 2003 wurde er Honorarprofessor an der Technischen Uni Freiberg.

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