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Wirtschaft: „Wir machen uns Sorgen“

Bundesbank-Chef Axel Weber über steigende Preise, den Tarifstreit bei der Bahn und mehr Transparenz für das globale Finanzsystem

Herr Weber, Finanzminister, Notenbanker und Banker sind mit mehr Problemen im Gepäck zum Finanzgipfel nach Washington gekommen, als Ihnen lieb sein kann. Hat die Finanzkrise doch massivere Auswirkungen als angenommen?

Es gibt erste Tendenzen einer Entspannung. Noch nicht alle Märkte funktionieren wieder in vollem Umfang normal. Das gilt auch für den Geldmarkt und damit für die Geschäfte unter den Banken. Aber es ist eine deutliche Besserung zu sehen. Freilich: Sollte es neue schlechte Nachrichten geben, könnte die Verunsicherung wieder größer werden. Ausgestanden sind die Finanzmarkt-Turbulenzen noch nicht.

Die Preise steigen in Deutschland unerwünscht stark. Vor allem Energie, Benzin und Nahrungsmittel werden immer teurer. Auch Öl kostet mehr als 90 Dollar. Müssen wir uns Sorgen machen?

Als Notenbank machen wir uns in der Tat Sorgen. Was beunruhigt, ist der Anstieg der Preise auf breiterer Front, also nicht nur bei Energie und Nahrungsmitteln. Auch gewerbliche Waren sind teurer geworden, Ähnliches gilt für viele Importprodukte. Weil Güter des täglichen Bedarfs wie Milch oder Butter betroffen sind, ist die gefühlte Inflationsrate bei den Verbrauchern sogar noch höher als die offiziell gemessenen Werte. Bis zum Jahresende könnte die Inflation in Deutschland bis auf eine Rate von drei Prozent steigen. Einziger Trost: Die Effekte der Mehrwertsteuererhöhung auf die Inflationsrate sind weitgehend verarbeitet.

Welche Entwicklung erwarten Sie beim Ölpreis?

Der jüngste Preissprung auf über 90 Dollar pro Fass ist vor allem Folge geopolitischer Spannungen und verstärkter Spekulation. Generell dürfte die Nachfrage hoch, Öl also teuer bleiben. Die Terminmärkte gehen von einem Rückgang des Ölpreises auf 75 bis 80 Dollar aus.

Hilft der starke Euro?

Während Öl in Dollar gerechnet seit September um 17 Prozent teurer geworden ist, lag der Anstieg in Euro gerechnet nur bei zwölf Prozent. Der Euro hat also einen dämpfenden Effekt. Das hilft den Verbrauchern immerhin ein wenig.

Die Bundesbank plädiert unermüdlich für moderate Lohnabschlüsse. Die Lokführer fordern massive Aufschläge, eine Lösung des Tarifstreits mit der Bahn ist nicht zu erkennen. Befürchten Sie, dass der Konflikt Signalwirkung entfaltet?

Wir hatten in den letzten Monaten schon deutlich höhere Abschlüsse als in der Vergangenheit, etwa in der Metallindustrie, in der Chemie, auch am Bau. Wir akzeptieren die Tarifautonomie, appellieren aber an die Verantwortung beider Tarifparteien für Preisstabilität. Gerade die moderate Tarifpolitik der letzten Jahre hat zur Belebung der Beschäftigung beigetragen. Jetzt sollte dieser Beschäftigungsschub nicht gefährdet werden.

Die Entwicklung bei den Preisen ist unerfreulich, die Finanzkrise ebenso. In den USA wollen Banken einen Notfallfonds für problematische Papiere auflegen. Ist das eine Idee auch für deutsche Banken?

Nur mit Transparenz kann die Krise überwunden werden. Die Banken müssen Risiken transparent aufarbeiten und ihr Risikomanagement darauf ausrichten. Die Verluste aus Immobilienkrediten müssen offen ausgewiesen werden. Der Ansatz der US-Banken kann helfen, wenn er mehr Einblick bringt. Wenn Probleme verschleiert würden, wäre dies bedenklich.

Transparenz ist derzeit der Schlüsselbegriff bei der Diskussion über Probleme und Risiken auf den Finanzmärkten, auch bei der Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds (IWF).

Transparenz ist alles. Investoren brauchen sie, um Finanzprodukte zu verstehen, in die sie ihr Geld stecken. Nur so sind Risiken, die damit verbunden sind, beherrschbar. Die Ratingagenturen sind gefordert bei der Bewertung von komplexen, verbrieften Finanzprodukten. Auch Hedge-Fonds sollten Kreditrisiken und Engagements gegenüber Investoren und auch Geschäftspartnern ausweisen. Hier gibt es bei Amerikanern und Briten eine erfreuliche Annäherung an die Position von Bundesbank und Bundesregierung. Mehr Transparenz ist auch mit Blick auf die Risiken aus außerbilanziellen Geschäften notwendig. Vor allem mangelndes Risikomanagement hat zu den Problemen bei IKB und SachsenLB geführt.

Die Diskussion um die Rolle von Staatsfonds wird immer intensiver. Schon in den siebziger Jahren haben sich Ölstaaten bei deutschen Unternehmen wie Daimler-Benz, Krupp oder Hoechst eingekauft. Was ist heute anders?

Auch hier geht es vor allem um Transparenz. Die Staatsfonds müssen ihre Investitionsstrategien offenlegen: Geht es ihnen nur um eine Finanzinvestition, oder gibt es politisch-strategische Ziele? Grundsätzlich sollte weitgehend Investitionsfreiheit gelten. In Deutschland dient das Außenwirtschaftsgesetz als Regelrahmen. Es ermöglicht, Investitionen in Schlüsselindustrien unter Bedingungen zu stellen. Die Grundsätze für die Investitionen von Staatsfonds sollten international abgestimmt werden.

Um welche Volumina geht es?

Der IWF schätzt das Vermögen der Staatsfonds auf zwei bis drei Billionen Dollar. Bei Hegde-Fonds sind es nur etwa 1,5 Billionen Dollar. Staatsfonds sind also heute schon größer als die HedgeFonds-Industrie insgesamt. In den nächsten fünf Jahren könnte laut IWF das Vermögen von Staatsfonds auf bis zu zwölf Billionen Dollar steigen. Deshalb müssen die Strategien der Fonds transparent und die Risiken begrenzt sein. Um die Investitionsfreiheit weitgehend zu sichern, muss die Staatengemeinschaft an Regeln für Staatsfonds interessiert sein.

Deutschland bietet interessante Anlagemöglichkeiten.

Ja, und unser Land kann langfristig von solchen Investitionen profitieren.

Gibt es nach der IWF-Jahrestagung mehr Klarheit? Sind Krisen künftig unwahrscheinlicher?

Von unseren Beratungen in Washington ist das klare Signal ausgegangen, dass die internationalen Finanzinstitutionen zusammen mit den privaten Finanzakteuren mehr Transparenz schaffen sollen und wollen. Das gilt für Staatsfonds, Hedge-Fonds, Ratingagenturen und komplexe, strukturierte Finanzprodukte. Dies ist ein erster wichtiger Schritt, um die Schwächen im globalen Finanzsystem anzugehen, die in den jüngsten Turbulenzen deutlicher als zuvor zutage getreten sind.

Das Gespräch führte Rolf Obertreis.

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