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Wirtschaft: „Wir müssen mit niedrigem Wachstum leben“

THOMAS MAYER ist EuropaChefvolkswirt bei der Deutschen Bank in London Foto: promo Herr Mayer, der Ifo-Index und andere Konjunkturindikatoren steigen. Wie sicher kommt der Aufschwung?

THOMAS MAYER

ist EuropaChefvolkswirt bei der Deutschen Bank in London

Foto: promo

Herr Mayer, der Ifo-Index und andere Konjunkturindikatoren steigen. Wie sicher kommt der Aufschwung?

Das Fundament für den Aufschwung ist solide. Anders als im vergangenen Jahr, als der Ifo-Index nach drei Monaten wieder zurückfiel, haben wir es diesmal nicht mit einer Erwartungsblase zu tun. In den Unternehmen hat sich das Klima tatsächlich verbessert.

Wird sich das schon 2003 auf das Wachstum auswirken?

Wenn es gut läuft, werden wir davon schon im zweiten Halbjahr etwas merken. Insgesamt rechnen wir 2003 allerdings nur mit einem Wachstum von 0,1 Prozent. 2004 werden es dann 1,7 Prozent sein. Das ist dennoch sehr unbefriedigend. Bereinigt man diese Prognose um die überdurchschnittlich vielen Arbeitstage, dann werden es 2004 nur 1,25 Prozent sein.

Zwei Prozent Wachstum müssten es sein, damit neue Arbeitsplätze entstehen.

Von dieser Logik sollten wir uns verabschieden. Wir werden in einer Zeit niedrigen Wachstums leben müssen. Die Finanz- und Wirtschaftspolitik muss in den kommenden fünf Jahren mit deutlich niedrigeren Raten von einem bis 1,5 Prozent kalkulieren. Das heißt, dass die Beschäftigungsschwelle sinken muss, wenn neue Arbeit entstehen soll.

Reichen die Reformen in Deutschland?

Die Hartz-Gesetze machen zumindest Mut. Aber wir brauchen noch viel größere Veränderungen. Die Produktivität der Unternehmen ist sehr unbefriedigend, die Beschäftigung wächst nicht. Und wann die Reformen der Sozialsysteme greifen, weiß niemand. Wir sollten uns nicht darauf verlassen.

Was muss als nächstes passieren?

Die Tarifpolitik ist endlich dran. Seit zehn Jahren wird diese Reform verschoben, obwohl sehr deutlich geworden ist, dass die Tarifparteien versagt haben. Sie sind ihrer Verantwortung für den Arbeitsmarkt nicht gerecht geworden. Wir brauchen zumindest Öffnungsklauseln in den Tarifverträgen.

Wenn man sich die Aktienkurse anschaut, ist der Aufschwung ausgemachte Sache. Kann man der Börse trauen?

Die Börse hat seit 2001 einen ziemlich guten Riecher gehabt und die Schocks der Terroranschläge und die übertriebenen Erwartungen 2002 zuverlässig verarbeitet. Die Aktienkurse und die jüngsten Unternehmensnachrichten passen zu einem Aufschwungsszenario.

Das Interview führte Henrik Mortsiefer.

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