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Statement. Angela Merkel (CDU) und der damalige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) geben deutschen Sparern im Oktober 2008 eine weitreichende Garantie. /lbn +++(c) dpa - Bildfunk+++ | Verwendung weltweit

© Rainer Jensen/dpa

Schwarzer Oktober 2008: „Wir sagen den Sparerinnen und Sparern, dass ihre Einlagen sicher sind “

Die Deutschen fürchten 2008 um ihr Geld. Deshalb geben Kanzlerin Merkel und Minister Steinbrück eine Garantie. Doch sind die Spareinlagen zehn Jahre später wirklich sicher?

Von Carla Neuhaus

Die Krise eines Landes beginnt oft am Geldautomaten. Dann, wenn die Menschen sich in Scharen anstellen, um ihr Erspartes abzuheben. Solche Bilder kennt man aus Argentinien, aus Island und Griechenland. Meistens folgen dann Staatspleite, Bankenchaos und Wirtschaftskrise. Von Deutschland scheint das weit entfernt – dabei ist es erst zehn Jahre her, dass ein solches Szenario auch hierzulande drohte.

Damals, in der ersten Oktoberwoche 2008, holt die Finanzkrise die Bundesrepublik ein. Mit der Hypo Real Estate (HRE) steht auf einmal auch ein deutsches Geldinstitut kurz vor der Pleite. Die Münchner HRE ist zu dem Zeitpunkt einer der größten Immobilienfinanzierer in Europa und damit zu groß, als dass der Staat sie einfach pleitegehen lassen könnte. Es kommt zu Krisentreffen, bis in letzter Minute ein Bankenkonsortium Notkredite in Milliardenhöhe bereitstellt, die der Staat absichert.

Die HRE braucht plötzlich mehr Geld als erwartet

Als Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Samstag, dem 4. Oktober 2008, nach Paris fliegt, denkt sie, das Problem HRE sei gelöst. Doch dann klingelt am frühen Abend ihr Handy, wie auch bei Staatssekretär Jörg Asmussen und Berater Jens Weidmann. Es sind die Präsidenten der Bundesbank und der Finanzaufsicht Bafin, die anrufen. Die HRE braucht mehr Geld als erwartet – die Notkredite sind geplatzt. Und als wäre das nicht genug, berichtet die Bundesbank: 100- und 200-Euro-Scheine würden knapp. Schon jetzt wollten zu viele Menschen große Summen abheben. Die Bundesregierung muss jetzt schnell handeln, um einen Ansturm auf die Banken zu verhindern. So denken sich Merkel, Weidmann und Asmussen noch auf dem Rückflug nach Berlin das aus, was Medien später die „Merkel-Garantie“ nennen.

Während tags drauf im Finanzministerium noch die Krisengespräche zur HRE laufen, treten Merkel und Minister Peer Steinbrück im Kanzleramt vor die Presse. „Wir sagen den Sparerinnen und Sparern, dass ihre Einlagen sicher sind. Auch dafür steht die Bundesregierung ein“, sagt Merkel. Steinbrück wiederholt das verschwurbelt. Zwei Minuten später ist alles vorbei. Doch die Worte wirken. Der Bank Run bleibt aus.

Deutsche besitzen ein Geldvermögen von 5,9 Billionen Euro

Zum Glück. Denn wie viel wäre das Versprechen der Kanzlerin im Ernstfall wert gewesen? Wie sicher sind die Spargelder der Deutschen wirklich? Schließlich geht es um enorme Summen. Die Deutschen besitzen ein Geldvermögen von 5,9 Billionen Euro. Allein 2,2 Billionen Euro davon liegen auf Giro-, Tages- und Festgeldkonten bei den Banken. Kann der Staat eine solche Summe im Zweifel wirklich absichern?

Tatsächlich ist die Merkel-Garantie damals in erster Linie ein Mittel zur Beruhigung. Das gibt Steinbrück selbst zu. Bei seinem Auftritt an der Seite der Kanzlerin sagt er, das sei ein Signal, damit es „nicht zu Reaktionen kommt, die unverhältnismäßig wären“. Später räumt die Bundesregierung gar ein, die Erklärung von Merkel und Steinbrück stelle „keine rechtsverbindliche und damit selbstständig einklagbare Garantie“ dar. Mit anderen Worten: Sie ist lediglich ein Versprechen, von dem man nicht weiß, ob der Staat es einhalten kann.

Einlagensicherung in der Praxis komplex

Kommt es zu einer Bankpleite, sind es ohnehin zunächst die Institute selbst, die einspringen müssen. Vereinfacht funktioniert das so: Alle Banken zahlen in einen Topf ein – geht dann eine von ihnen pleite, werden die Sparer aus diesem Topf entschädigt. So stellen die Institute das auch selbst gerne in Youtube-Videos mit Strichmännchen dar, die sie Sabine und Klaus nennen. In der Praxis ist die sogenannte Einlagensicherung komplexer.

Die privaten Banken, Sparkassen und Volksbanken haben jeweils eigene Sicherungssysteme, die unterschiedlich arbeiten. Die privaten Banken – dazu gehören etwa die Postbank, Deutsche Bank und Commerzbank – haben gleich zwei gemeinsame Töpfe: einen, um die gesetzliche Einlagensicherung abzudecken (über die sind bis zu 100 000 Euro pro Person geschützt), und einen zweiten für Summen, die darüber hinausgehen. Der Unterschied: Einen Rechtsanspruch gibt es nur für den ersten Topf.

Die Sparkassen und Volksbanken wiederum nutzen ihre Notfall-Töpfe, um die Institute erst gar nicht pleitegehen zu lassen. Deshalb sagen die Sparkassen auch, sie würden 100 Prozent der Spareinlagen sichern. Denn bevor eine Sparkasse zugrunde geht, bekommt sie Hilfsgelder von den anderen Häusern und wird im Zweifel mit einem anderen Regionalinstitut fusioniert. Bei den Volksbanken ist das ähnlich.

Reicht der aktuelle Notfallfonds aus?

Entscheidend ist am Ende aber, wie viel Geld in den jeweiligen Töpfen steckt und ob es ausreicht, um die Kunden zu entschädigen. Doch ausgerechnet bei dieser Frage bleiben die Banken vage. Sie veröffentlichen dazu keine Zahlen und teilen sie auch auf Anfrage nicht mit. Aus den Daten der Europäischen Bankenaufsicht EBA geht immerhin hervor, wie viel in den Notfallfonds steckt, um die gesetzliche Einlagensicherung abzudecken – also das worauf Sparer einen gesetzlichen Anspruch haben. Die privaten Banken haben dafür Ende 2017 zum Beispiel 2,1 Milliarden Euro angespart. Das klingt viel, ist aber nur die Hälfte dessen, was die Institute nach Ansicht der Aufseher vorhalten sollten. Bei Sparkassen und Volksbanken fällt der Nachholbedarf ähnlich groß aus. Konsequenzen hat das bislang nicht: Die Institute haben bis 2024 Zeit, ihre Töpfe zu füllen.

Bleibt die Frage, was passieren würde, wenn ein Institut wie die Deutsche Bank pleitegeht. Zwar musste die Einlagensicherung der privaten Banken schon mehrmals einspringen (zuletzt bei der Maple Bank) – noch nie aber bei einer Großbank. Dirk Ulbricht vom Institut für Finanzdienstleistungen meint: „Wenn ein Haus wie die Deutsche Bank pleitegeht, würde es sicherlich schwierig, alle Anleger zu entschädigen.“ Dass die Bundesregierung es so weit kommen lassen würde, ist aber unwahrscheinlich. Geht ein Haus wie die Deutsche Bank pleite, gerieten schließlich schnell auch andere Banken in die Krise. Gleichzeitig bekämen Unternehmen Schwierigkeiten, Jobs ständen auf der Kippe. Und wieder bräuchte man eine Merkel-Garantie.

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