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Proteststurm. Immer mehr spanische Bürger gehen auf die Straße und wehren sich gegen die Einschnitte. Vor dem Parlament gab es 40 Verletzte, Demonstranten wurden festgenommen. Foto: Reuters

© REUTERS

Wirtschaft: „Wir sind ausgebrannt“

Die Proteste in Spanien nehmen zu. Die Regierung rechnet für 2013 mit einem Andauern der Rezession.

Madrid – Die Empörung auf Spaniens Straßen gegen den Sparkurs wächst. Dem konservativen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy weht der Wind immer heftiger ins Gesicht. Hunderttausende Menschen demonstrierten in vielen Städten Spaniens gegen die „brutale Aggression“ der Regierung. „Geht zum Teufel“, schrien die Demonstranten. In der Hauptstadt Madrid endete die Kundgebung mit Gewalt. Es war der bisher größte Proteststurm gegen die Regierung, welche mit ihrem Sparkurs, den sie ohne Dialog durchpeitschte, breite Schichten des Volkes gegen sich aufbrachte.

Zugleich wuchs die Sorge, dass die Stimmung kippt. Und dass Spanien auch nach dem 100-Milliarden-Kredit des Euro-Rettungsschirms für wankende Banken die Luft ausgeht. An den Finanzmärkten vergrößerte sich das Misstrauen gegenüber Spaniens Zahlungsfähigkeit: Die Zinsen für langfristige spanische Anleihen stiegen und lagen bereits über der kritischen Marke von sieben Prozent. Damit wird es für Spanien immer schwieriger, sich neues Geld zu leihen. Finanzminister Cristobal Montoro warnte, dass Spanien „kein Geld“ mehr habe und bald pleite sein könnte.

Hinzu kommt noch, dass die spanische Regierung auch für 2013 mit einem Andauern der Rezession rechnet. Spaniens Wirtschaft wird nach den Schätzungen im kommenden Jahr um 0,5 Prozent schrumpfen, wie Montoro am Freitag mitteilte. Ursprünglich war für 2013 ein geringes Wachstum von 0,2 Prozent prognostiziert worden. Erst für 2014 wird nun mit einem Wachstum gerechnet, das auf 1,2 Prozent veranschlagt wird.

„Wir sind ausgebrannt“, skandierten derweil hunderte Feuerwehrleute, die in Madrid zusammen mit zehntausenden Demonstranten auf die Straße gingen. Mit Helm, Schläuchen und Leitern bewaffnet, zogen die Wehrmänner durch die City. Sie gehören zu jenem Heer der Staatsangestellten, die am stärksten von den Kürzungen der Regierung betroffen sind: Den Staatsdienern wurde das Weihnachtsgeld gestrichen, nachdem sie bereits auf fünf Prozent Lohn verzichten mussten. Freie Stellen werden schon lange nicht mehr besetzt, die Regierung kündigte eine Entlassungswelle an.

In der Nähe des Parlamentes, das zuvor mit absoluter Mehrheit der konservativen Regierungspartei und gegen die Stimmen der Opposition das Anti-Krisenpaket abgesegnet hatte, eskalierte die Lage. Die Wehrmänner versuchten, Absperrgitter vor dem Parlamentshaus umzuwerfen, die Polizisten auf der anderen Seite verteidigten die Barrikaden. Müllcontainer brannten, die Feuerwehr weigerte sie zu löschen. Flaschen und Steine flogen, die Polizei schoss mit Tränengas und Gummikugeln. Die Schlacht am Parlament hinterließ fast 40 Verletzte, es gab 15 Festnahmen.

Der „Tag des Zorns“ war von den beiden großen Gewerkschaften UGT und CCOO sowie einer breiten Plattform zur „Verteidigung des Sozialstaates“ ausgerufen worden – und dies soll erst der Auftakt sein. Die Straßenopposition, zu der auch Spaniens junge Protestgeneration der „Empörten“ gehört, will der Regierung einen heißen Sommer und einen noch wilderen Herbst bereiten. Die Pläne für einen Generalstreik liegen schon in der Schublade, zudem wollen die Gewerkschaften eine „Volksabstimmung“ über den Sparkurs organisieren. Das Sparpaket enthält Einsparungen bei den Staatsdienern sowie Kürzungen bei Arbeitslosenstütze, Pflegegeld, Jugendhilfe und Beschäftigungsförderung. „Sie wollen das Land ruinieren“, lautete der Schlachtruf des Protesttages. Fernandez Toxo, Boss der Gewerkschaft UGT hält den verordneten Sparkurs für „Selbstmord“: Arbeitslosigkeit und wirtschaftliche Talfahrt, sagt Toxo voraus, „werden sich weiter verschlechtern“. Ralph Schulze

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