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Wirtschaft: „Wir sind eine kleine feine Genossenschaft“

„Neues Wohnen Hellersdorf“ ist anders als man es hier erwartet – dank Martina Jakubzik, ihrer Mieter und einer traditionsreichen Unternehmensform

Die Bewohner der Zossener Straße schauen aus ihren Fenstern ins Land Brandenburg. Hier im nördlichen Hellersdorf ist die Stadtgrenze. Nicht ganz 600 Wohnungen in der Zossener Straße und zwei Seitenstraßen gehören der Genossenschaft „Neues Wohnen Hellersdorf eG“. Genossenschaften sind eine Unternehmensform mit sehr viel Tradition, aber die Genossenschaft in Hellersdorf ist erst vier Jahre alt.

Martina Jakubzik, eine Hälfte des weiblichen Vorstandsduos, erzählt aus der noch jungen Geschichte. Die Idee zur Genossenschaft entstand, um zusätzlich zu der vom Altschuldengesetz her vorgesehenen Quote Wohnungen in Privatbesitz zu überführen. Die Bewohner der Plattenbauten waren damals nicht gewillt, sich für Wohneigentum zu verschulden. Würde jedoch eine Genossenschaft die Wohnungen – auf Kredit – erwerben, könnten Mieter dort mit wenigen Genossenschaftsanteilen Mitglied werden und somit am Gemeinschaftseigentum teilhaben. 2002 führte man unter den Bewohnern eine Befragung durch, wie sie zu einem solchen Geschäftsmodell stünden. Nach positiver Resonanz wurden schließlich Kaufvertragsverhandlungen mit der „Stadt und Land“ aufgenommen. Im Jahre 2003 war es dann soweit: Die „Stadt und Land“ verkaufte 592 Wohnungen an die neue Genossenschaft. Der Kauf musste finanziert werden, dafür gewann man die Berliner Volksbank. „Denen mussten wir nicht erst erklären, was eine Genossenschaft ist“, erinnert sich Frau Jakubzik. Die Finanzierung von Plattenbauten war damals bei Banken nicht gerade beliebt. „Aber die Berliner Volksbank hat an uns geglaubt und uns Vertrauen und Mut entgegengebracht.“ Die gegenseitige Förderung gehört traditionell zum Selbstverständnis von Genossenschaften.

Wie wohnt es sich heute bei der Genossenschaft und welche Vorteile haben Mitglieder gegenüber einfachen Mietern? Schon bei der Anfahrt fällt auf, wie großzügig hier die Straßen angelegt wurden. Viel Abstand herrscht zwischen den Häusern, und das auch wenn die Anzahl an Stockwerken nur einstellig ist. Die Höfe sind üppig begrünt, mit Spielplätzen ausgebaut und abgeschlossen, so dass sich die Bewohner wohl und sicher fühlen können.

Bei der Ausstattung der Wohnungen hebt sich diese Wohnungsgenossenschaft von anderen im Bezirk ab. Es wurde aufwändig und zeitgemäß modernisiert: Mit voll gefliesten Bädern, Laminat und Glasschiebetüren, die den 2- bis 4-Zimmer-Wohnungen eine gewisse Weitläufigkeit und viel Helligkeit geben. Als Genossenschaftsmitglied war man in die Modernisierung eingebunden. Art und Umfang der Maßnahmen wurden individuell auf den Geschmack und die finanziellen Möglichkeiten des Mieters abgestimmt. Dabei wurden die günstigen Mieten langfristig vertraglich festgehalten. Darin liegen die Unterschiede von „Nur-Mietern“ und Mitgliedern. Einfache Mieter haben keine Garantien über die Miethöhe und bekamen seinerzeit eine standardisierte Modernisierung mit weniger Ausstattungsmerkmalen.

Dies führte dazu, dass mittlerweile eine Mehrheit der Mieter auch Mitglied bei „Neues Wohnen in Hellersdorf“ geworden ist. Und hier versteht man unter Genossenschaft mehr als nur eine Rechtsform. Es gibt einen regelmäßigen Kaffeeklatsch im Gemeinschaftsraum und künftig auch gemeinsame Ausflugsfahrten. Viele Mitglieder haben sich diesen Gemeinschaftssinn aus DDR-Zeiten herübergerettet. Sie waren damals schon Mitglieder in den Wohnbaugenossenschaften.

Warum wohnen die Menschen so gerne hier? Das Ehepaar Feierabend ist vor einem halben Jahr aus Friedrichshain zugezogen. Dort stand eine Mieterhöhung ins Haus. Als die Feierabends sich das nicht so ohne weiteres gefallen lassen wollten, empfahl man ihnen, eine neue Wohnung zu suchen. Dann schauten sie in die Zeitung, und sind über das Stichwort „seniorengerecht“ auf die Genossenschaftswohnungen in Hellersdorf gestoßen. Seniorengerecht bedeutet hier zum Beispiel, dass es einen Fahrstuhl und keine Schwellen in den Wohnungen gibt. Die Ausstattung der Wohnung konnten die Feierabends mitgestalten: So wurde Laminat verlegt und aus einer 3-Zimmer-Wohnung eine 2-Zimmer-Wohnung mit Wohnküche gemacht. Genossenschaftsmitglieder geworden sind sie auch, um mitbestimmen zu können. Familie Kluge wohnt schon etwas länger in Hellersdorf. Vor eineinhalb Jahren sind sie nach 25 Jahren aus ihrer Wohnung in Hohenschönhausen ausgezogen, weil sie die dort anstehende Sanierung nicht mitmachen wollten. Frau Kluge liebt offene Räume und verliebte sich sofort in die große Glasschiebetür. Auch sie entschieden sich für Laminat, wegen einer Stauballergie. In ihrer Hellersdorfer Wohnung erfreuen sie sich an den neuen Türen und endlich an einer Küche mit Fenster. Sie zahlen jetzt die gleiche Miete wie früher, dabei ist die Ausstattung jetzt wesentlich besser. An der Umgebung schätzen sie die guten Einkaufsmöglichkeiten und das viele Grün. Herr Kluge hat sich deswegen ein neues Fahrrad gekauft. Leicht ironisch weisen sie auf die vielen Parkplätze hin, da habe man früher in der DDR schon recht großzügig geplant. Sie bedauern, dass in ihrem Haus nur zwei von zehn Mietern auch Mitglied in der Genossenschaft sind. Denn unter den Genossenschaftsmitgliedern sei der Zusammenhalt viel besser.

Dienstag und Donnerstag ist Sprechstunde in der Zossener Straße. Sowohl bei den Mietern als auch bei den Angestellten der Genossenschaft ist viel Engagement und Leidenschaft zu beobachten. Neues Wohnen in Hellersdorf ist anders: Hier wird schon gelebt, und nicht mehr nur gewohnt.

www.neues-wohnen-hellersdorf.de

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